CD der Woche: Evgeny Kissin - The Salzburg Recital
Der russische Starpianist Evgeny Kissin beeindruckt auf seinem neuen Album mit Präzision und einen transparenten Klang. Zu hören sind unter anderem Werke von Alban Berg, George Gershwin und Frédéric Chopin.
Im Sommer 2021 feiern die Salzburger Festspiele die Rückkehr zu voll besetzten Sälen. Viele Konzerte sind ausverkauft - auch der Soloabend von Evgeny Kissin. Der russische Starpianist präsentiert ein ungewöhnliches Programm, mit einer Reihe von Werken des 20. Jahrhunderts. Die Konzertaufnahme ist jetzt als Album bei der Deutschen Grammophon erschienen.
Evgeny Kissin modelliert fesselnde Energiezustände
Dass er kein Mainstream-Programm abliefern möchte, zeigt er gleich zum Auftakt: Evgeny Kissin beginnt seinen Salzburger Soloabend mit der ersten Klaviersonate von Alban Berg. Ein Stück an der Schnittstelle zwischen Spätromantik und früher Moderne, das die klassischen Harmonien immer mehr erweitert und kunstvoll verschleiert. Feinnervig spürt der Pianist der unterschwelligen Nervosität nach. Indem er das Tempo immer wieder anzieht, um dann gleich wieder zurückzusinken.
Evgeny Kissin modelliert fesselnde Erregungskurven und Energiezustände. Er erfasst den Charakter der Stücke sehr genau. Ob in der Berg-Sonate, in kaum bekannten Stücken des russischen Komponisten Tikhon Khrennikov oder in den Préludes von George Gershwin.
Der Pianist hat den Groove, den diese Musik braucht. Auch wenn es manchmal eine Spur zu abgezirkelt wirkt, was er macht. Kissin verliert nie die Kontrolle. Sehr beeindruckend, wie er alles im Griff behält. Auch im rund 40-minütigen Chopin-Teil seines Programms.
Ein Recital auf musikalischem Topniveau
Evgeni Kissin wahrt auch in hoher Geschwindigkeit seine Präzision und einen transparenten Klang. Man hat nie das Gefühl, das er an Grenzen stößt. Einer von vielen Belegen für seine beeindruckende Technik. Die manuellen Fähigkeiten stehen nicht im Zentrum, sie sind ein Hilfsmittel für die gestalterische Freiheit.
Der Flügel macht genau, was Kissin will, auch in der Live-Situation des Konzerts. Er singt, mal mit zarter, mal mit jazziger Stimme. Er grummelt oder zaubert glitzernde Sternchen vor das innere Auge. Und er beschwört ein Bild vom Mondschein: in Debussys "Clair de lune", der letzten Zugabe in einem Recital auf musikalischem Topniveau.
The Salzburg Recital
- Zusatzinfo:
- Werke von Alban Berg, Tikhon Khrennikov, George Gershwin, Frédéric Chopin und anderen
- Label:
- Deutsche Grammophon
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Klassik
