90. Geburtstag: Pianist Alfred Brendel im Interview
Ob Schubert, Beethoven, Mozart oder Liszt - Alfred Brendel ist weltbekannt und preisgekrönt für seine einzigartigen Klavierinterpretationen. Am 5. Januar 2021 feiert Brendel seinen 90. Geburtstag.
Sie blicken auf ein facettenreiches, intensives Musikleben zurück. Welche Momente sind Ihnen in besonderer Erinnerung – oder besonders wichtig?
Alfred Brendel: Erstens: der Erfolg meines allerersten Klavierabends in Graz, der für mein weiteres Leben die Weichen stellte. Zweitens: die Zusammenarbeit mit Philips/Decca, der Schallplattenfirma. Drittens: die Aufführung der fünf Beethoven-Konzerte vor zwanzig Jahren in Salzburg mit Simon Rattle. Viertens: der Einsatz für Schuberts Klaviersonaten und fünftens: das Wiederauftauchen der neuen Musik, die in der Nazizeit verboten war, und ihre weitere Entwicklung nach dem Krieg.
Wenn Sie auf die heutige musikalische Landschaft insgesamt schauen, was würden Sie sich besonders wünschen?
Dass sie wieder zu einer Normalität zurückkehrt, die es unzähligen Musikern, den Orchestern und den Opernhäusern gestattet, ihre Tätigkeit wiederaufzunehmen.
Das letzte Jahr war ein großes Beethoven-Jahr. Vieles musste Corona-bedingt ausfallen oder konnte nur online stattfinden. Wie haben Sie, Herr Brendel, Beethoven, der Ihnen ja sehr am Herzen liegt, gefeiert?
Ich habe Beethoven über viele Jahre hinweg mit Zyklen der 32 Sonaten und mit der Arbeit an seinen Streichquartetten gefeiert. In diesem letzten Beethoven-Jahr entdeckte ich eine Reihe selten gespielter Werke wie das Oratorium "Christus am Ölberge". Die BBC hatte das ganze Jahr lang Beethoven-Sendungen, in denen auch alte Live-Aufnahmen zu hören waren, zum Beispiel die Neunte aus dem Jahr 1991 großartig dirigiert von Klaus Tennstedt.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie blicken Sie auf das Jahr 2021?
Selbst als alter Pessimist kann ich nur sagen: Es kann nur besser werden.
Das Interview führte Philipp Schmid.
