200 Jahre Friedrich Smetana: "Ein ganz wichtiger Wegbereiter"
"Die Moldau" von Friedrich Smetana ist wohl sein mit Abstand berühmtestes Werk. Vor 200 Jahren, am 2. März 1824 wurde der tschechische Komponist in dem Ort namens Litomyšl zwischen Prag und Ostrava geboren.
Friedrich Smetana war das achte Kind von František Smetana und dessen dritter Ehefrau Barbora Smetanová. Er bekam schon mit vier Jahren Geigen- und Klavierunterricht. Ein Konzert Franz Liszts in Prag hatte ihn so begeistert, dass er darüber die Schule vergaß. Am 29. August 1849 heiratete er seine langjährige Geliebte Kateřina Otilia Kolářová mit der er vier Töchter hatte. 1856 verließ Smetana aus politischen Gründen seine Heimat. Er war von 1865 bis 1869 Dirigent der tschechischen Philharmonischen Konzerte, von 1864 bis 1865 Musikkritiker an der Zeitung Národní listy. Ein Gespräch mit Musik- und Smetana-Expertin Friederike Westerhaus von NDR Kultur über einen besonderen Musikschaffenden.
Was hat denn Smetana als Komponisten ausgemacht?
Friederike Westerhaus: Ich würde sagen, das war die Liebe zu seiner tschechischen Heimat. Die hat ihn wirklich beseelt. Er stammt ja aus Böhmen, und man hört in vielen seiner Werke, dass er zum Beispiel auch böhmische Volksmusik aufgreift. Mit der ist er aufgewachsen. Er war der Sohn eines Bierbrauers. Und sein Vater František war selbst auch musikalisch, hat Geige gespielt und Friedrich - oder tschechisch Bedřich - eine Geige in die Hand gedrückt, als der vier Jahre alt war. Das reichte ihm bald nicht mehr, er wollte dann auch Klavier spielen. Und dann hat es nicht mehr lange gedauert, bis er auch komponiert hat. Das alles ist in einer Zeit passiert, als die Tschechen sich ihrer eigenen Kultur, ihrer eigenen Identität immer bewusster wurden. Sich abgrenzen wollten von den Habsburgern.
Dieser Geist, der hat Smetana als jungen Mann gepackt und mehr und mehr an Bedeutung für ihn gewonnen. Er war eigentlich mit der deutschen Sprache aufgewachsen, aber das Tschechische wurde immer wichtiger für ihn. Er hat dann auch angefangen, Opern in tschechischer Sprache zu schreiben - und da war er ein echter Vorreiter. Später hat er dann selber gesagt: "Ich bin der Schöpfer des tschechischen Stils auf dem dramatischen und symphonischen Gebiet der ausschließlich tschechischen Musik."
Seine Musik ist also durchtränkt von seiner Liebe zur Heimat. Konnte er denn mit seiner Musik landen?
Da können wir zum Beispiel mal auf seine frühen Opern gucken: Seine erste, "Die Brandenburger in Böhmen", hat er für einen Wettbewerb komponiert. Der war zur Förderung des heimischen Opernschaffens ausgeschrieben und den hat Smetana mit seinem Erstling sofort gewonnen. Die Uraufführung war im Januar 1866 in Prag. Das Stück kam auch sehr gut an. Aber fast gleichzeitig hat er dann die heute viel bekanntere Oper "Die verkaufte Braut" komponiert. Die kam nur ein paar Monate später auf die Bühne, im Mai. Und die hat das Publikum echt geliebt, das wurde ein totaler Hit - übrigens auch in den 1890er-Jahren unter dem damaligen Chefdirigenten Gustav Mahler in Hamburg, da wurde sie nur noch die "ausverkaufte Braut" genannt.
Kurzum, die "Brandenburger" fielen etwas hinten über. Das hat Smetana etwas gewurmt, weil er "Die Verkaufte Braut" angeblich eher so als Spielerei gesehen hatte. Das ist halt ein sehr leichter Stoff, sehr unterhaltsam, ein ganz heiteres Stück. Das hat er offenbar auch komponiert, weil man ihm vorgeworfen hatte, mit seiner Musik sehr dicht an der von Richard Wagner zu sein, davon wollte er sich abgrenzen. Dieser Vorwurf hat ihn lange verfolgt. Später hat er gesagt: "Andere begreifen es nicht und denken, dass ich den Wagnerismus einführe. Ich bin zur Genüge mit dem Smetanismus beschäftigt, und dieser Stil genügt mir, wenn er nur ehrlich ist."
Wie würdest Du denn Smetanas Rolle im Vergleich zu anderen großen tschechischen Komponisten sehen, wie Antonín Dvořák oder Leoš Janáček?
Ich würde sagen, er war da ein ganz wichtiger Wegbereiter. Sowohl mit seinen Sinfonischen Dichtungen als auch mit den Opern. Diese tschechische Färbung, die sehen wir dann ja auch bei Dvořák. Der hat übrigens im Orchester gesessen als Bratschist, bei der Uraufführung der "Brandenburger in Böhmen" und der "Verkauften Braut". Das hat ihn stark geprägt. Und Janáčeks Opern wären eigentlich ohne Smetanas Opern kaum denkbar. Sich zu trauen, tschechische Libretti zu verwenden, das kam von Smetana. Der junge Janáček hat ihn auch auf der Bühne erlebt, war schwer beeindruckt. Er nutzt dann später die tschechische Sprache in der Musik noch organischer, als Smetana das tut. Janáček passt die Musik der Sprachmelodie an - das ist bei Smetana zum Teil noch nicht ganz so flüssig. Der macht die Sprache eher passend zur Musik.
Smetana ist ja nur 60 Jahre alt geworden, ist 1884 gestorben und seine letzten Lebensjahre waren nicht so einfach.
Ja, das stimmt. Er hat nämlich ab Mitte der 1870er-Jahre einen Tinnitus gehabt, so richtig ging das 1874 los. Ein ganz schrilles Pfeifen muss das gewesen sein. Er war gerade in einer seiner produktivsten Phasen, er hat an dem Zyklus "Mein Vaterland" gesessen, an der Oper "Zwei Witwen". Und das muss ein unglaublich schwerer Einschnitt für ihn gewesen sein. Das hat dann auch mehr und mehr zu Taubheit geführt. Er hat weiter komponiert, aber es wurde für ihn immer schwieriger - auch gerade den Gesamtüberblick über die Partituren zu behalten. Er musste viele Pausen machen. So hat er psychisch und körperlich abgebaut und ist dann eben nur zehn Jahre später gestorben. Diesen Tinnitus hat er sogar in der Musik aufgegriffen in seinem Streichquartett "Aus meinem Leben" - im Finale.
Das Gespräch führte Eva Schramm.
