Sopranistin Hanna Zumsande - nachgefragt nach sieben Monaten
Im April hatten wir mit der Hamburger Sopranistin Hanna Zumsande über die schwierige Situation als freiberufliche Sängerin während der Corona-Krise gesprochen. Wie geht es ihr heute?
Ende Juni ist eine Aufnahme von Carl Heinrich Grauns Oper "Polydorus" auf CD erschienen, mit Hanna Zumsande als Königstochter Ilione. Einer der wenigen Höhepunkte im Berufsleben der Sopranistin 2020, die in diesem Jahr sehr viel weniger zu singen hatte als sonst.
"Die letzten Monate waren sehr ruhig, viel ruhiger als ich es mir gewünscht hätte", erzählt Hanna Zumsande. "Ich hatte ein paar kleinere Auftritte, in Konzerten, in Gottesdiensten, zwei Opernvorstellungen auch und zwei CD-Produktionen. Insgesamt waren es ungefähr neun Projekte und Auftritte, anstatt von eigentlich vorgesehenen 25, die dann eben größtenteils abgesagt werden mussten. Insgesamt habe ich jetzt die vierzigste Absage in meinen Kalender eintragen müssen - leider!"
Die Zwangspause fällt erneut in die Hauptsaison
Und einige dieser Absagen reichen in die nächsten Monate und bis ins kommende Jahr hinein, weil die Veranstalter in der unklaren Lage verbindliche Entscheidungen treffen mussten oder wollten. Das aktuelle Verbot von Kulturveranstaltungen trifft die freien Musikerinnen und Musiker besonders hart - denn nach der ersten Zwangspause zur Passions- und Osterzeit fällt auch diese wieder in eine Hauptsaison.
"Die Requiem-Konzerte im November und die vielen Konzerte vor Weihnachten - das ist schon auch, neben der Zeit vor Ostern, für uns freischaffende Sänger die Hauptarbeitszeit im Jahr. Und das ist natürlich sehr betrüblich, dass im November nichts statt finden kann. Ich hätte da acht Konzerte gehabt, die alle abgesagt werden mussten."
Die Finanzhilfen helfen nur bedingt
Diese Absagen bedeuten nicht nur künstlerisch, sondern auch finanziell einen herben Verlust. Da Hanna Zumsande auch unterrichtet, etwa mit einem Lehrauftrag an der Musikhochschule in Hannover, sind ihr zum Glück nicht alle Einnahmen weggebrochen. Und sie konnte öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen: "Und zwar deshalb, weil ich das Glück habe, in Hamburg zu wohnen und Hamburg sich sehr eingesetzt hat für die Solo-Selbständigen und die Kulturschaffenden."
Die Finanzhilfen - ein Gesamtbetrag im mittleren vierstelligen Bereich - sind wichtig, können aber den Verdienstausfall durch die vielen Absagen nicht annähernd ausgleichen. Und trotzdem ist Hanna Zumsande besser dran als viele Kolleginen und Kollegen in anderen Bundesländern, die sich teilweise beruflich umorientieren mussten: "Ein Kollege arbeitet als Programmierer und entwirft Homepages, eine andere Kollegin arbeitet im Büro eines Möbelkonzerns."
Was kommt in der nahen Zukunft?
Ob sich die Lage überhaupt bald wieder normalisiert, ist momentan ja noch nicht abzusehen. Deshalb blickt Hanna Zumsande mit einem mulmigen Gefühl in die nähere Zukunft. Was ihr und tausenden anderen materiell helfen würde, wäre von staatlicher Seite ein Kurzarbeitsgeld für Solo-Selbständige. Und von den Veranstaltern eine generelle Zusage für Ausfallhonorare. "Was wirklich toll wäre", sagt Hanna Zumsande, "wären Klauseln in unseren Verträgen, dass die geleistete Vorarbeit auch honoriert wird, wenn das Konzert abgesagt werden muss. Also, dass wir wirklich schon für die Arbeit, die jeder Musiker und Sänger vorher geleistet haben muss, dass wir für diese Arbeit auch bezahlt werden können. Das wäre sehr, sehr toll."
