Kraftklub mit K: Neue Standards für die deutsche Musikszene
Kaum eine deutsche Band hat in den letzten zwölf Jahren so abgeräumt wie Kraftklub. Nach dem Tourstart der Chemnitzer in Kiel mit dem Album "Kargo" spielen sie etwa in Lingen, Hamburg und Braunschweig.
Nach ihrem Tourstart am Donnerstag in Kiel drehen Kraftklub eine Runde durch den Norden und spielten am Freitag in Rostock, am Sonnabend in Lingen. Weitere Termine folgen am Montag in Hamburg und am Dienstag in Braunschweig.
Wer sind Kraftklub?
Es ist der Spätsommer 2018: In Chemnitz kommt es am Rande eines Stadtfestes zu einer Auseinandersetzung, bei der ein Mann tödlich und zwei weitere schwer verletzt werden. Es folgen rechtsextreme Übergriffe und Ausschreitungen, die erschüttern. Die Bilder aus Sachsen machen viele Menschen fassungslos - so auch die Band Kraftklub. Dem grassierenden Fremdenhass und der gefährlichen Stimmung in der Stadt sowie dem Image des rechten Ostens wollen die fünf Musiker etwas entgegensetzen. Kraftklub organisieren kurzfristig mit dem Chemnitzer Stadtmarketing ein Konzert unter dem Motto "Wir sind mehr".
Die Band schafft es, dass Größen wie Die Toten Hosen, Feine Sahne Fischfilet, Marteria oder Casper nach Chemnitz kommen und mit geschätzten 65.000 Teilnehmer*innen bei einer friedlichen Veranstaltung ein Statement setzen. Der Protest-Hashtag #wirsindmehr ist seitdem äußerst populär. Kraftklub sind es da schon längst, engagiert waren sie auch schon vorher, und ihre nicht vorhandene Scheu, anecken zu wollen, gehört bis heute mit zu ihrem Erfolgsgeheimnis.
Die Anfänge der Band mit K
Doch fangen wir von vorn an: Die Brüder Felix und Till Brummer (beide geborene Kummer, Söhne von Ina und Jan Kummer von der DDR Avantgarde-Band AG. Geige) sowie Karl Schumann, Steffen Israel und Max Marschk sind alle in Karl-Marx-Stadt geboren, dem heutigen Chemnitz. Die DDR-Regierung hatte die Stadt 1953 umbenannt. Die erneute Umbenennung erfolgte zwar 1990, doch die Mitglieder von Kraftklub bezeichnen ihren Wohnort immer noch als Karl-Marx-Stadt.
Trotz und Anti-Haltung - das ist der Band in etwa genauso wichtig wie ihre zwei Ks im Bandnamen. Ebenfalls wichtig ist der Look von Kraftklub: Polohemden, Röhrenjeans und Collegejacken. Den Trick mit den uniformhaften Bühnenoutfits, die man schon aus hundert Metern Entfernung bei großen Konzerten wiedererkennt, klappt auch schon seit Jahren gut bei den schwedischen Indie-Rockkollegen The Hives.
Der Durchbruch mit "Mit K"
Doch zurück zu Kraftklub: 2010 veröffentlicht die Band mit K eine erste EP und gewinnt den New Music Award der ARD. Anschließend spielen sie sich als Vorgruppe für Fettes Brot, die Ärzte, die Beatsteaks und auch ihren Kumpel Casper die Finger wund. Den Durchbruch schaffen die Newcomer 2011 mit ihrer Anti-Großstadt-Hymne "Ich will nicht nach Berlin": Mit ihrer bockig-schnoddrigen Art und viel Wortwitz nehmen sie Hipster und die Annahme, dass in Metropolen alles viel besser sei, herrlich aufs Korn. Das erste Studioalbum "Mit K" erscheint 2012 - und bekommt erst einmal gemischte Kritiken. Ist das nicht alles ziemlich stumpf, schlicht und aus der internationalen Musikwelt zusammengeklaut?
Das Genie der Unkompliziertheit
Schrammel-Gitarren-Referenzen zu den bereits erwähnten Hives, Bloc Party und ähnlichen - klar, man findet sie. Die deutschen, Rap-angehauchten Texte sind simpel. Aber wie waren noch einmal die Worte von Charles Bukowski? "Das Genie ist der, der schwierige Sachen einfach erklärt." Das, in Verbindung mit nostalgischen Ehrbekundungen für zum Beispiel Oasis (siehe "Songs für Liam": "Und wenn du mich küsst / dann schreibt Noel wieder Songs für Liam") erweist sich als weitere Zutat für das Erfolgsrezept von Kraftklub.
Hymnen für die Generationen Y und Z
Egal wie die Kritiken nun ausfallen, die Fans lieben die Songs: Das hier klingt jung, erfrischend, druckvoll und trotz der Nostalgie neu und eigen. Noch dazu auf Augenhöhe. Mit der Platte "Mit K" wachsen Kraftklub zu einer festen Größe, ihre Lieder zu Hymnen für die Generationen Y und Z. Die Band tobt sich live weiter auf den Bühnen aus und perfektioniert ihre Shows. Die Konzerte gelten als wild, laut und sind in der Regel ausverkauft. Zudem engagieren sie sich und zeigen Haltung: Beim Musikpreis Echo lassen sie sich 2013 von der Nominiertenliste streichen, weil sie nicht mit der Band Frei.Wild genannt werden wollen.
Kraftklub: Headliner beim Hurricane Festival 2023
Heute sind Kraftklub hierzulande eine der erfolgreichsten Bands. Längst werden sie als Headliner für die großen Festivals gebucht, zum Beispiel für das Hurricane Festival 2023. In den letzten fünf Jahren ist so auch ohne ein neues Kraftklub-Album viel passiert. Felix Brummer alias Kummer hat so mit "Kiox" ein ebenfalls sehr erfolgreiches Solo-Album veröffentlicht. Doch leider scheinen auch die Inspirationen für neue Songs nicht abebben zu wollen: Rechtsruck, Klimakrise, Pandemie; die Gesellschaft steht vor diversen Zerreißproben. Ein Jahrzehnt nach dem Debütalbum gibt es so weiterhin Bedarf nach Songs von Kraftklub. Vielleicht, weil ihre Songs heute vertraut klingen und etwas Beständigkeit, eine Stimme der Vernunft bieten.
Zurück mit fünftem Album "Kargo" und Tour
Beim Reeperbahn Festival 2022 tauchen Kraftklub überraschend auf und spielen umsonst und draußen ein Konzert - natürlich, um auch auf die Werbetrommel für ihr neues Album "Kargo" zu hauen. Wie übrigens alle Vorgänger landete auch "Kargo" auf Platz 1 der Albumcharts. Auf den neuen Songs zeigen sich Kraftklub wieder politisch, aber auch persönlich. Wem die Texte von Kraftklub, der Indie-Rock-Rap-Crossover oder die Band selbst auf den ersten Höreindruck noch nicht so recht zusagen, dem sei angeraten: Spätestens bei einem Konzert der Band mit K springt der Funke über. Dort ist man garantiert nicht alleine; nicht zuletzt, weil Kraftklub wissen, dass sie im Zweifel sehr schnell sehr viele Leute zusammentrommeln können, siehe #wirsindmehr.