Der Schatz im Keller: NDR Schallplattenarchiv zieht um
In den Kellern des NDR lagert ein schwarzer Schatz: abertausende Schallplatten - Vinyl und Schellack. Nun zieht das Schallarchiv um ins Deutsche Schallplattenmuseum. Dem NDR Archivar Sönke Treu blutet dabei das Herz.
Es gibt Momente, die sind einfach magisch. Eine original Schellackplatte aus den 1940er-Jahren, abgespielt auf einem alten Grammophon. Tief unter der Erde, im Schallarchiv des Norddeutschen Rundfunks, bleibt für einen Moment die Zeit stehen. "Wir stehen hier bei den Schellackplatten, die stammen teilweise aus der Norag-Zeit, also seit den 1920er-Jahren bis in die 1950er-Jahre", sagt Sönke Treu vom NDR Archiv. "Es handelt sich dabei um ca. 3.500 bis 4.000 Platten. Das, was früher im Radio an Musik gespielt wurde."
Ein bisschen blutet ihm das Herz, auch wenn er privat kein großer Schallplattensammler ist. Aber: Er gibt einen Schatz aus der Hand - wenn auch aus guten Gründen, denn der NDR ist längst digital, die analogen Schätze auf Digitalspeichern gesichert. "Diese Schallplatten werden nicht mehr benötigt", erzählt Treu. "Sie stehen hier rum, sie kosten Platz. Jeder, der hier ins Magazin kommt, denkt: Das ist aber toll. Aber es ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten."
Neues Leben im Deutschen Schallplattenmuseum in Nortorf
Doch dieser Abschied ist auch ein Neuanfang, denn der schwarze Schatz des NDR wird nicht meistbietend versteigert und verkauft. Die Schellack- und Vinylplatten verschwinden nicht in den Regalen von privaten Sammlern, sondern werden neuer Teil des Deutschen Schallplattenmuseums im schleswig-holsteinischen Nortorf. Jetzt ging der Umzug los.
Lutz Bertram vom Förderverein des Museums war mit seinen Mitstreitern am Rothenbaum, um in einem ersten Schwung die Schellackplatten einzupacken und mitzunehmen: "Das ist das verlängerte Leben für die Schallplatten. Das sind alles schlafende Schönheiten, die durch uns jetzt wieder wachgeküsst werden. Wir werden sie weitestgehend öffentlich machen, öffentlich halten und abspielen."
Von der Schallplattenfabrik zum Museum
"Wir kommen dazu, weil es in Nortorf mal eine Schallplattenfabrik gab, die Teldec", erzählt Bertram. "Aus dieser Geschichte hat sich ein Museum gebildet - das Deutsche Schallplattenmuseum - und über dieses Museum hat es uns alle noch einmal richtig gepackt. Wir waren vorher sicherlich alle schon ein bisschen plattenaffin, aber nun erst recht. Wir sitzen auf einem gigantischen Fundus von toller Musik. Es macht einen Riesenspaß."
Für ihn sei klar gewesen: Wir übernehmen alle Schellack- und Vinylplatten des NDR in Hamburg, sagt Bertram, nicht nur die Raritäten und die Kostbarkeiten - obwohl die natürlich besonders spannend seien: "Wie kommen in den 1940er-Jahren Schallplatten vom japanischen Rundfunk nach Hamburg? Vielleicht kann das einer der Hörer beantworten. Ich finde dafür keine vernünftige Erklärung. Da steht drauf: Geschenke vom japanischen Rundfunk." Vermutlich nur eine von vielen spannenden Geschichten, die noch entdeckt und erzählt werden können über das Schallarchiv des NDR.
Moderator Carlo von Tiedemann nimmt Abschied vom NDR Schallarchiv
Bevor alle Platten in Nortorf sind, hat ein Mann von ihnen Abschied genommen, der mindestens so bekannt ist, wie viele der Hits, die noch in den Kellern am Rothenbaum lagern: Carlo von Tiedemann. "Nichts gegen das Radio von heute im Jahr 2022, dieses formatierte, da stehe ich voll dahinter", sagt der Moderator. "Aber damals war es tatsächlich so: Wir kamen mit einem Plattenkoffer und haben wahllos in den Plattenkoffer reingegriffen. Wir haben einen Elton John gespielt und danach Heino. Du musst es nur verkaufen können. Und das konnten wir. Wir hatten eine Freiheit, die wirklich fantastisch war."