"Magische Wirklichkeit": Giorgio de Chirico in der Kunsthalle
Giorgio de Chiricos Bilder von menschenleeren Plätzen, eingerahmt von Arkadengängen, sind weltberühmt. Die Ausstellung "Magische Wirklichkeit" in der Hamburger Kunsthalle bringt sie erstmals nach Norddeutschland.
"Es sind diese weiten, leeren, unglaublich verführerisch sonnenbeschienenen Plätze, mit den tiefen, langen Schatten wie ein italienischer Nachmittag, in dem alles ruhig und still ist und man auf eine ruhige Piazza guckt", erzählt Kuratorin Annabelle Görgen-Lammers. Sie steht inmitten des großen Saals und blickt auf die Bilder, die an freistehenden, nachtblauen Wandelementen hängen.
"Gleichzeitig hat de Chirico es so komponiert, das mit dieser Schönheit und diesem Verführerischen auch etwas Unheimliches, etwas Rätselhaftes transportiert wird", so Görgen-Lammers. Es ist verstörend, wie sehr dieses Unheimliche jetzt, in Zeiten der Pandemie, in den Vordergrund rückt und den Blick auf die Gemälde verändert: Plötzlich gleichen de Chiricos leere Plätze unseren leeren Plätzen und Straßen während des ersten Lockdowns, mitsamt den Gefühlen von Stillstand und unsichtbarer Bedrohung.
Eingeschlossen in der Gegenwart
Dieses Unheimliche entsteht durch Bildräume, die keinerlei Halt bieten: Da kippen Perspektiven. Es gibt unterschiedliche Fluchtpunkte. Und die langen Schatten der Arkaden stimmen nie überein mit der Zeit, die die Uhren an den Häuserfronten angeben. "Er zeigt dort eine ewige Gegenwart", erklärt die Kuratorin. "Die Uhren stehen still. Und dieses Gefühl hat tatsächlich eine unglaubliche Aktualität im Moment für viele Menschen: Dass man sich in dieser Gegenwart eingeschlossen fühlt. Und sie anfängt zu reflektieren."
De Chirico gilt als Vorreiter der Surrealisten. Seine metaphysischen Bilder entstanden zwischen 1909 und 1918 - im Angesicht eines wachsenden europäischen Militarismus, dem Ersten Weltkrieg und der Spanischen Grippe.
1888 in Griechenland geboren, lebte er mal in Mailand, Florenz und Paris. Mal in München, wo er Nietzsche, Böcklin und Klinger entdeckte, deren Einflüsse die Ausstellung ausführlich dokumentiert. In Paris dann entwickelte er seine eigenwillige "pittura metafisica". Die chronologische Hängung der Bilder zeigt, wie de Chirico sie ständig weiterentwickelte: Erst füllte er die Plätze mit antiken Statuen, Gummihandschuhen oder Artischocken. Im Ersten Weltkrieg mit Gliederpuppen - einem Symbol der Entfremdung.
Der Künstler überlebte den Ersten Weltkrieg nervenkrank in einem Militärhospital in Ferrara. Dort überstand er auch die Spanische Grippe, an der sein bester Freund und Förderer Guillaume Apollinaire starb.
Giorgio de Chiricos Bilder als Ansporn in Corona-Zeiten
Nach dem Krieg brach de Chirico mit seiner metaphysischen Malerei. Einer Malerei, die rätselhaft und schön und sehr melancholisch daran erinnert, das Hier und Jetzt nicht als banale Selbstverständlichkeit zu begreifen, sondern als außerordentlich, weil vergänglich. Dazu Görgen-Lammers: "Vielleicht ist das ja auch ein Ansporn für uns. Wir können nicht reisen. Wir haben noch keine Zeitperspektive, wann es aufhört. Und was machen wir jetzt mit diesem Gefühl, eingeschlossen zu sein in der Gegenwart? De Chirico hat es enorm kreativ zu nutzen gewusst."
Derzeit ist die Kunsthalle noch aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen. Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Internet-Programm, mit Online-Führung durch die Ausstellung, Audio-Bildbeschreibungen, Konzerten und Vorträgen.
"Magische Wirklichkeit": Giorgio de Chirico in der Kunsthalle
Giorgio de Chiricos Bilder von menschenleeren Plätzen sind weltberühmt. Die Hamburger Kunsthalle bringt sie erstmals nach Norddeutschland.
- Art:
- Ausstellung
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- Ende:
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Kunsthalle
Glockengießerwall 5
20095Hamburg - Telefon:
- (040) 42 81 31 200
- E-Mail:
- info@hamburger-kunsthalle.de
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- wegen der Corona-Pandemie bis auf Weiteres geschlossen.
- Hinweis:
- Derzeit ist die Kunsthalle noch aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen. Einige Inhalte und Veranstaltungen sind auf der Website der Kunsthalle erreichbar.
