Der Fall "Beltracchi" im NDR Kultur-Podcast "Kunstverbrechen"
Im NDR Kultur-True-Crime-Podcast "Kunstverbrechen" werden die größten Kunstkriminalfälle nochmal aufgerollt. In dieser Folge geht es um einen der spektakulärsten Kunstfälschungsskandale weltweit, den "Meisterfälscher" Wolfgang Beltracchi.
Ein Raum mit hohen Fenstern, viel Licht, Staffeleien, auf mehrere Tische verteilt stehen Mikroskope, liegen Farbpaletten und an den Wänden hängen Gemälde. Hier arbeitet Professor Gunnar Heydenreich. Die Bilder: allesamt Fälschungen. Probearbeiten von Gunnar Heydenreichs Studierenden. Sie sollen durch eigene Werke verstehen, wie die Technik der Künstler war.
Bildet er die Fälscher von morgen aus? "Es soll Restauratoren geben, die durchaus Imitationen von Kunstwerken auf den Markt bringen oder gebracht haben", erzählt Heydenreich. "Aber wir verbinden hier unser Studium auch mit einer intensiven ethischen Diskussion und gehen davon aus, dass unsere Absolventen diesen Weg nicht einschlagen."
Gunnar Heydenreich deckt Kunstfälschungen auf
Gunnar Heydenreich ist an der Technischen Hochschule Köln Professor für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaften. Klingt erstmal recht trocken, sein Alltag besteht aber nicht nur aus Lehre und Forschung, sondern auch daraus, Fälschungen aufzudecken! Sein erstes und wichtigstes Werkzeug: das Studieren der Originale. "Heute ist es sehr schwer, einen van Gogh überzeugend zu fälschen, weil die authentischen Gemälde hinsichtlich ihrer Materialität bereits in solch einem hohen Grade erschlossen sind, dass wir durch diesen Vergleich Abweichungen schneller detektieren", sagt Heydenreich.
Gemälde naturwissenschaftlich auf Echtheit untersuchen
Bei Gunnar Heydenreich auf dem Labortisch landen Gemälde aus aller Welt und aus den renommiertesten Galerien und Museen. Um deren Echtheit naturwissenschaftlich zu prüfen, gibt es unterschiedliche Verfahren, die mitunter ziemlich kompliziert und teuer sind. Kurz zusammengefasst geht es darum, in die Farben einzutauchen. Die Gemälde werden wortwörtlich durchleuchtet, um den Farben eine Herkunft und ein Alter zuordnen zu können. Dies geschieht auch mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse.
Heydenreich positioniert dazu etwas, das nach einer Pistole oder Barcodescanner aussieht, sehr nah vor einem Gemälde und richtet einen winzigen unsichtbaren Strahl auf das Gemälde. Die Pistole bestimmt dann durch die gemessene Bewegung der Atome in den Pigmenten, mit welchen Inhaltsstoffen die Farbe hergestellt wurde. Bei rot zum Beispiel Zinnober, Mennige oder Kadmium. Und dann kommt es drauf an, wann das Bild angeblich gemalt wurde: "Kadmiumpigment war zum Beispiel im Mittelalter noch nicht bekannt und wenn wir das als dominierendes Pigment bestimmen, dann ist es ein ganz wesentlicher Hinweis darauf, dass hier das falsche, nicht zeittypische Rotpigment verwendet wurde", erzählt Heydenreich.
Wolfgang Beltracchi als Referenzfälscher
Im Fall Wolfgang Beltracchi war es eine andere Farbe, die ihm schließlich zum Verhängnis wurde. Das entlarvende Werk hat Gunnar Heydenreich aktuell nicht in seinem Atelier, aber eine andere Arbeit dieses gerissenen Fälschers: "Das ist ein Klassiker: Landschaft, recht farbstark, großes Hochformat und wir lesen unten "H. Nauen, 1911". Wir haben dieses Werk hier schon seit einigen Jahren als Referenzwerk, weil wir uns mit solchen Imitationen auseinandersetzen. Wie sind die aufgebaut, wie unterscheiden die sich von den Originalen? Woran können wir festmachen, dass es hier kein Werk von Heinrich Nauen ist, sondern ein in fälschender Absicht hergestelltes Werk?"
Wie viele Werke Wolfgang Beltracchi "in fälschender Absicht" hergestellt hat, ist final nicht geklärt. Laut eigenen Angaben brachte er etwa 300 Fälschungen auf den Markt. Etwa 100 davon wurden bisher enttarnt. Und so ist der Fall auch für Gunnar Heydenreich noch kein Cold Case.
Der Fall Beltracchi im NDR Kultur-Podcast "Kunstverbrechen"
Mehr zu dem spannenden Fall des sogenannten Meisterfälschers Beltracchi hören Sie in der neuen Folge von "Kunstverbrechen", dem True-Crime-Podcast von NDR Kultur. Ab jetzt in der ARD Audiothek, der kostenlosen Audio-App der ARD.