Die Hammaburg: Hamburgs historische Keimzelle am Domplatz

Stand: 23.02.2024 11:20 Uhr

Viele Jahre war unklar, wo die Hammaburg, die erste Siedlung zwischen Elbe, Alster und Bille, genau stand. Unscheinbare Erdreste gaben Aufschluss über den historischen Ort, die Keimzelle der Hansestadt.

Erdkrümel spielen nach langen, ungewissen Jahren die Hauptrolle in der Geschichte Hamburgs. Als Archäologen die Suche nach der historischen Keimzelle der Stadt - der Hammaburg - 2007 scheinbar erfolglos beenden, rechnen sie sicherlich nicht damit, dass von ihnen überhaupt eine Bedeutung ausgeht. Die Erdreste, gesammelt bei den verschiedenen Ausgrabungen am Domplatz, bringen unterm Mikroskop dann aber doch noch Klarheit in das Rätsel Hammaburg.

Die Hammaburg war ein Handelsplatz

Der Direktor des Helms-Museums Hamburg Weiss hockt auf dem Domplatz, auf dem die Hammaburg stand. © NDR Foto: Tabea Tschöpe
Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums, am Ursprungsort Hamburgs.

Nach der Analyse der Forscher wird klar: Die Wiege der Hamburger stand auf dem Gebiet des heutigen Domplatzes am Speersort. Und sie wurde schon wesentlich früher errichtet als bisher angenommen. Statt im 9. wurde die Burg schon im 8. Jahrhundert gebaut. Klar ist auch, wie der Grundriss der Anlage ausgesehen hat: Palisadenzaun und Graben schützten die etwa 50 Meter breite Burganlage. Sie lag gut angeschlossen an Elbe, Alster und Bille. Und: Anders als angenommen gab es keine Kirche in der Burganlage. Der Direktor des Archäologischen Museums Hamburg, Rainer-Maria Weiss, bezeichnet die Hammaburg vor allem als Handelsplatz.

Das Wort Ham stammt aus dem Altsächsischen

Der Name Hammaburg stammt laut Weiss aus dem Altsächsischen, aus dem später das Plattdeutsch hervorging. Ham steht dabei für eine umzäunte Wiese oder eine abgegrenzte Bucht in einer Niederung. Die Hammaburg ist dem wörtlichen Sinne nach also eine Wiesen- oder Buchtburg. Die erste ringförmige Befestigung des 8. Jahrhunderts, die Hammaburg I, ist den Archäologen zufolge von Beginn an von den sächsischen Bewohnern des Ortes als Burg bezeichnet worden. Gleichzeitig bezieht sich der Name aber auch auf den gesamten Ort. Hammaburg meint somit immer die Einheit aus der Burg und der zugehörigen Siedlung.

Drei große Grabungen in rund 60 Jahren

Dreimal haben Forscher den Platz insgesamt ausgehoben: in den Nachkriegsjahren, in den 1980er-Jahren und 2005 bis 2006. Direkte Beweise für die Hammaburg finden sie zunächst nicht. Doch dann nimmt das Forscher-Team um Chef-Archäologe Weiss die Erdkrümel aus den verschiedenen Grabungen noch einmal genau unter die Lupe: Darin entdecken sie Hinweise auf Spuren von Befestigungsanlagen, Gräben und Wallresten. Eine kleine Sensation für die Geschichte der Stadt. "Es fühlt sich schon sehr gut an. Endlich ist die Hammaburg kein Mythos mehr", sagt Weiss.

Überraschende Funde nach fast 1.300 Jahren

Die alte Frage der Menschheit "Wo stamme ich her?" sei für Hamburg damit beantwortet. Das könnten nicht viele europäische Großstädte von sich behaupten. "Nur in wenigen Städten dieser Größe gibt es überhaupt noch einen Ursprungsort. In Hamburg dagegen liegt er frei", erklärt Weiss. Deshalb sei es überhaupt möglich gewesen, ihn 13 Jahrhunderte später mithilfe wissenschaftlicher Methoden zu entdecken. Auch spektakulär für Weiss: Obwohl der Domplatz zu mehreren Zeitpunkten aufgeschüttet oder verändert wurde, können die Archäologen noch wichtige Überreste finden. Neben den Krümelresten zum Beispiel Keramikscherben, die auf das 9. Jahrhundert datiert werden.

Zweite Hammaburg fast doppelt so groß wie Vorgängerbau

Die Grabungsergebnisse von 2005/2006 zeigen, dass ein innerer Graben älter ist als ein äußerer, also zwei aufeinanderfolgende Befestigungswerke vorliegen. Das ältere wurde im 8. Jahrhundert errichtet und um das Jahr 800 eingeebnet. Nach Informationen des Archäologischen Museums ist anzunehmen, dass zwischen 817 und 822 die erste Hammaburg zu einer fast doppelt so großen Befestigung ausgebaut worden ist. Die Hammaburg bekommt damals die Gestalt, mit der sie später erstmals schriftlich erwähnt wird.

Wikinger zerstören die Befestigung

Im Jahr 845 jedoch überfallen Wikinger die Hammaburg. Die Verwüstung muss verheerend gewesen sein. Die Befestigung wird eingeebnet, der umlaufende Graben zugeschüttet. Hammaburg hat keine Burg mehr. Es entstehen Wohnbauten. Deren Spuren sind spärlich. Scherben von lokalen wie importierten Gefäße deuten aber darauf hin, dass die Hammaburg weiter eine Drehscheibe für den Handel gewesen ist.

Dritte Hammaburg wird nach 100 Jahren abgetragen

Um das Jahr 900 wird eine dritte Hammaburg errichtet, noch mächtiger als zuvor. Die Siedlung wächst, auch der Hafen entwickelt sich. Rund 100 Jahre später wird die Befestigung "geschleift", also abgetragen. Der damals regierende Herzog Bernhard II. Billung hatte eine neue Burg in einer Alsterschleife gebaut. Zur Verteidigung in Richtung Osten dient der neu errichtete Heidenwall.

Virtuelle Ausstellung zur Hammaburg im Netz

Bis April 2015 hat eine Ausstellung des Archäologischen Museums Hamburg den "Mythos Hammaburg" begleuchtet und die frühgeschichtlichen Funde präsentiert. Heute kann sich jeder einen virtuellen Überblick, den das Museum in Zusammenarbeit mit dem Google Art Project erstellt hat, über die Hammaburg, ihre Geschichte und die Exponate verschaffen.

Karte: Standort der Hammaburg

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 22.02.2024 | 19:30 Uhr

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