Stand: 18.01.2015 10:44 Uhr

Als die Luftschiffe in den Krieg eingriffen

von Dirk Hempel, NDR.de

Luftschiffbomber über London

Deutsche Luftschiffe überfliegen im Ersten Weltkrieg London (Zeichnung). ©  picture-alliance / akg-images
Die Briten versuchen die deutschen Luftschiffe über London mit Suchscheinwerfern aufzuspüren (zeitgenössische Zeichnung).

Nachdem die britische Seeblockade die deutsche Kriegsführung zu beeinträchtigen beginnt, befiehlt Wilhelm II. im Mai 1915 auch Angriffe auf London. Nach kleineren Angriffen durch Heeresluftschiffe startet am Morgen des 8. September auch ein Marinebomber im ostfriesischen Hage. Sein Auftrag: die Bank von England zerstören. Gegen 23 Uhr erfassen ihn die Suchscheinwerfer über der britischen Hauptstadt. Aber das Geschützfeuer erreicht ihn nicht. Auch die wenigen Flugzeuge können nicht in seine Höhe vorstoßen. Immer wieder werfen die Soldaten nun Spreng- und Brandbomben über Bord. Wohnhäuser werden getroffen, hinter St. Paul’s Cathedral gehen Textillagerhäuser in Flammen auf. Aber die Bank treffen die Bomben nicht.

Ein zerstörter Dachstuhl in London nach dem ersten Luftangriff im Mai 1915. ©  picture alliance/Heritage Images
Ab 1915 attackieren deutsche Luftschiffe immer wieder Großbritannien. Bis Kriegsende sterben dabei 557 Menschen.

Für viele Londoner ist der Zeppelin zunächst nur ein Schauspiel am nächtlichen Sommerhimmel, wie der Schriftsteller George Bernhard Shaw schreibt: "Die ganze Zeit über machte er einen gewaltigen Lärm. Der Klang der Zepp-Motoren war so angenehm und seine Fahrt zwischen den Sternen so bezaubernd, dass ich mich bei der Hoffnung ertappte, in der nächsten Nacht möge ein weiterer Angriff stattfinden."

Aber 22 Menschen sterben im Bombenhagel. Weitere Angriffe folgen, werden bald alltäglich, wie die Schriftstellerin Virginia Woolf später notiert: "Wir hörten weit entfernte aber unverkennbare zwei Einschläge, dann einen dritten, der das Fenster erzittern ließ. Es stellte sich heraus, dass es ein Zeppelin gewesen war."

Ab 1916 schlagen die Briten zurück

1915 kommen durch diese ersten strategischen Luftangriffe der Weltgeschichte in Großbritannien 208 Menschen ums Leben, zumeist Zivilisten. Doch im September 1916 wendet sich das Blatt. Als 16 Luftschiffe - darunter die neuesten, 200 Meter langen Zeppeline, die zum Teil 100 Bomben von insgesamt fünf Tonnen Gewicht transportieren können und 100 Stundenkilometer erreichen - London angreifen, treffen sie auf unerwartete Gegenwehr.

Brandmunition lässt die Luftschiffe in Flammen aufgehen

Neue Flugzeuge können plötzlich in die Angriffshöhe der Luftschiffe vorstoßen und schießen mit Brandmunition. Langsam gleitet ein getroffenes Luftschiff zu Boden, einen grellweißen Feuerschweif hinter sich herziehend. Zehntausende Kubikmeter Wasserstoffgas verwandeln sich in ein Flammenmeer. Wenn die Soldaten nicht schon in großer Höhe aus der Gondel gesprungen sind, verbrennen sie in den Trümmern. Die Briten feiern auf den Straßen.

Englische Soldaten stehen 1916 vor dem Wrack eines abgeschossenen deutschen Zeppelins. © picture alliance / akg-images
Ab 1916 verfügen die Briten über hochfliegende Flugzeuge, die die Luftschiffe in Brand schießen. Übrig bleibt nur ein Gerippe.

Die deutschen Militärs aber lassen trotzdem immer mehr, immer bessere Luftschiffe bauen, 3,2 Millionen Mark teure Höhenkletterer etwa, die sich auf 6.000 Meter vor den Flugzeugen zurückziehen können. Sie besitzen einen bemannten Spähkorb, den sie 1.500 Meter herablassen können, bis unter die Wolkendecke.

Es sind technische Wunderwerke, die auch New York angreifen und dann nach Ahlhorn oder Nordholz zurückkehren könnten. Doch der kurze Wettlauf zwischen Flugzeug und Luftschiff ist längst entschieden. Die Bilder brennender, abstürzender Luftschiffe häufen sich fortan. Manche überstehen nicht einmal den ersten Einsatz.

Während das Heer 1917 seine Luftschiffflotte zugunsten von Langstreckenflugzeugen aufgibt, widmen sich die Marineluftschiffer notgedrungen wieder der Aufklärung über der Nordsee, 12.000 Fahrten werden sie bis Kriegsende durchführen. Nur noch selten, in besonders dunklen, wolkigen Nächten, fliegen sie nach London.

Am Ende bleiben hohe Verluste

In Nordholz hat Fregattenkapitän Strasser inzwischen Hallen für zehn Luftschiffe bauen lassen. 5.965 Mann stehen unter seinem Kommando. Doch bei einem letzten Angriff im August 1918 stirbt er an Bord von L 70, des bis dahin größten gebauten Zeppelins, der 130 Stundenkilometer erreicht und auf 7.000 Meter steigen kann. Im November 1918 weht auch auf den Hallen in Nordholz und den anderen Luftschiffplätzen die rote Fahne der Revolution. Graf Zeppelin erlebt das Ende nicht mehr. Er ist bereits im Vorjahr gestorben.

Bis 1918 haben Heer und Marine rund 100 Luftschiffe bauen lassen, von denen zwei Drittel zerstört wurden. Sie haben rund 275 Tonnen Bomben auf Großbritannien geworfen. Durch ihre Angriffe sind dort 557 Menschen getötet worden, 1.358 verletzt. 40 Prozent ihrer Besatzung sind dabei ums Leben gekommen, die höchste Verlustquote aller Waffengattungen des Ersten Weltkriegs. Den Kriegsverlauf haben sie zu keinem Zeitpunkt beeinflusst.

Ein Zeppelin fliegt 1928 über eine Landschaft begleitet von einem Doppeldeckerflugzeug. © dpa picture-alliance
Bis 1937 werden Luftschiffe für Linienflüge zwischen Deutschland und den USA eingesetzt.

Luftschiffe dienen nach dem Krieg für Forschungsreisen, über den Nordpol oder nach Sibirien, und für Linienflüge in die USA, die Hugo Eckener initiert. Nach der Katastrophe von Lakehurst, als sich im Mai 1937 die Wasserstofffüllung des Zeppelin LZ 129 bei der Landung entzündet und 36 Passagiere den Tod finden, werden sie eingestellt.

Luftschiffe werden noch immer gebaut. An ihre militärische Geschichte erinnern heute Museen in Nordholz und im dänischen Tondern.

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Hallo Niedersachsen | 01.07.2014 | 19:30 Uhr

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