Der Parlamentarische Rat 1948 mit seinem Präsidenten Konrad Adenauer. © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Von Zonen zu Ländern: Politische Neuordnung nach Kriegsende

Stand: 15.05.2020 15:50 Uhr

Zerstörte Städte, notleidende Menschen: Nach dem Zweiten Weltkrieg kämpft Deutschland ums Überleben. Auch politisch muss sich das Land neu ordnen. Wie sah die Entwicklung im Norden aus?

Hunger, Kälte und Wohnungsmangel machen die ersten Jahre nach dem Kriegsende 1945 für viele Deutsche zum Überlebenskampf. Zahllose Flüchtlinge strömen vor allem nach Norddeutschland. Das Leben ist ein Provisorium, alte Strukturen existieren nicht mehr. Die vier Siegermächte haben das Land - zum Teil über alte Provinzgrenzen hinweg - unter sich aufgeteilt. Weite Teile Norddeutschlands bilden die britische Besatzungszone. Das heutige Mecklenburg-Vorpommern hingegen gehört zur sowjetischen Zone.

Neue Strukturen schaffen

In den Jahren nach 1945 bauen die Besatzungsmächte neue Strukturen auf, um den Deutschen zu einer eigenen Verwaltung und politischen Organisation zu verhelfen. Das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 sieht neben Entnazifizierung und Demokratisierung unter anderem die Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen vor. Doch wie soll man das in Schutt und Asche liegende Deutschland neu gliedern? Wie wäre es mit einem Land "Unterelbe"? Oder einem Bundesstaat "Weser-Ems"? In den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs scheint plötzlich vieles möglich - und ebenso vieles wird diskutiert. Dementsprechend unterschiedlich sind die Wege und Entwicklungen der einzelnen Länder, die bis Ende 1946 gegründet werden.

Der Neuanfang in Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein ist in den ersten Jahren nach dem Krieg besonders von der hohen Zahl von Flüchtlingen aus den ehemaligen Ostgebieten betroffen. Hinzu kommen zahllose "Displaced Persons", wie die nach Deutschland verschleppten ehemaligen Zwangsarbeiter und befreiten Lagerinsassen heißen. Das wirtschaftlich ohnehin leidende Schleswig-Holstein ist mit der Versorgung der Neuankömmlinge überfordert. In Schleswig blüht das sogenannte Neudänentum auf und damit die Hoffnung, Schleswig wieder unter die dänische Krone zu bringen - wohl auch, weil die Versorgungslage in Dänemark besser ist.

Weitere Informationen
Eröffnungssitzung der Regierung des Landes Schleswig-Holstein am 2. Dezember 1946 in Kiel © picture-alliance / dpa

Schleswig-Holstein: Von der Provinz zum Bundesland

Der 23. August 1946 gilt als Geburtsstunde Schleswig-Holsteins. Armut und die Integration von Flüchtlingen prägen die Nachkriegsjahre. mehr

23. August 1946: Geburtsstunde Schleswig-Holsteins

Am 23. August 1946 lässt die britische Militärregierung die Bildung von Ländern in ihrer Besatzungszone zu. Dieses Datum gilt als Geburtsstunde des Landes Schleswig-Holstein, das zuvor preußische Provinz war. Gegen Widerstände aus Schleswig wird der Sitz der Regierung nach Kiel verlegt. Die britische Militärregierung ernennt Theodor Steltzer zum Ministerpräsidenten. Schleswig bleibt Teil Schleswig-Holsteins und damit deutsch, die Minderheitenrechte der Dänen-Deutschen werden jedoch gestärkt.

Weitere Informationen
Die konstituierende Sitzung der ersten frei gewählten Bürgerschaft in Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg. © picture alliance / dpa

Als die Hamburger endlich wieder wählen durften

Es ist der Beginn einer neuen Ära: Erstmals nach Kriegsende stimmt Hamburg am 13. Oktober 1946 wieder über die Bürgerschaft ab. mehr

Hamburg bleibt Freie und Hansestadt

Hamburg bleibt auch nach dem Krieg eigenständig: Die britische Militärregierung bestätigt die eigenstaatliche Existenz der Freien und Hansestadt. Im November 1946 findet die erste Bürgerschaftswahl statt. Aus dieser geht Max Brauer als Sieger für das Amt des Ersten Bürgermeisters hervor.

Eines der gravierendsten Probleme ist in Hamburg der Wohnungsmangel: Mehr als 280.000 Wohnungen wurden im Krieg völlig zerstört, weitere 172.000 beschädigt. Noch 1948 leben 200.000 Hamburger in Notunterkünften wie Baracken, Bunkern oder Ruinen.

Briten lehnen Nordstaat ab

Die Idee eines größeren Nordstaats als Zusammenschluss mehrerer Länder, die auch in der jüngeren Vergangenheit etwa in Hamburg immer wieder diskutiert wurde, gibt es schon damals. Hermann Lüdemann, schleswig-holsteinischer Ministerpräsident von 1947 bis 1949, setzt sich dafür ein. Doch sein Plan, mit Hamburg und Niedersachsen einen Nordstaat namens "Unterelbe" zu bilden, lehnen die britischen Besatzer ebenso ab wie die Hamburger.

Weitere Informationen
Hinrich Wilhelm Kopf, der erste Ministerpräsident von Niedersachsen, 1951 in seinem Büro in Hannover. © dpa Foto: Reinhold Leßmann

Niedersachsens Gründung: Keine leichte Geburt

Am 1. November 1946 wurde Niedersachsen gegründet. Nach dem Krieg musste die erste Landesregierung immense Probleme lösen. mehr

Eine neue politische Einheit: Niedersachsen

Mit Niedersachsen wird nach dem Zweiten Weltkrieg südlich der Elbe eine neue politische Einheit gegründet. Zuvor besteht es aus den preußischen Provinzen Braunschweig, Oldenburg, Hannover und Schaumburg-Lippe, die die britischen Besatzer in Länder umbenennen. Dass diese Länder letztlich zu einer größeren Einheit verschmelzen, dafür macht sich vor allem einer stark: Hinrich Wilhelm Kopf, zunächst Oberpräsident der Provinz Hannover. Doch aus Braunschweig und Oldenburg werden andere Vorschläge laut, Oldenburg schlägt beispielsweise einen Bundesstaat "Weser-Ems" vor.

Dennoch begründet am 1. November 1946 die "Verordnung Nr. 55" der britischen Militärregierung offiziell das Land Niedersachsen mit der Hauptstadt Hannover. Hinrich Wilhelm Kopf wird zum Ministerpräsidenten gewählt. Vor allem aus Oldenburg gibt es zunächst Proteste, wird die "Dominanz Hannovers" gar als "diktatorische Maßnahme" kritisiert.

Aus Mecklenburg werden drei Bezirke

Ähnlich wie Briten, US-Amerikaner und Franzosen schaffen die sowjetischen Besatzer in ihrer Zone nach 1945 zunächst fünf Länder: Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Ein sowjetischer Befehl vom 9. Juli 1945 ordnet die Gründung des Landes Mecklenburg-Vorpommern an. Die bis dahin im Westen Mecklenburgs stationierten britische Truppen ziehen sich zurück. Die von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) ernannte Beratende Versammlung Mecklenburg-Vorpommern soll den Weg zum Landtag ebnen, der im Oktober 1946 gewählt wird. Auf Anordnung der SMAD heißt das Land ab 1947 nur noch Mecklenburg.

Wilhelm Pieck (links) und Otto Grotewohl am 11. Oktober 1949. © picture-alliance/akg-images
Die SED-Politiker Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl prägten die Aufbauphase der DDR.

Jahre später, nachdem sich die DDR bereits als eigener Staat losgelöst hat, beschließt die dortige Regierung im Juli 1952 die Umgestaltung der mittleren Regierungsebene nach sowjetischem Vorbild. Aus den vormals fünf Ländern entstehen 15 Bezirke. Das Land Mecklenburg wird in die drei Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg aufgeteilt. Als die Volkskammer nach dem Fall der Mauer am 22. Juli 1990 das Ländereinführungsgesetz beschließt, entsteht aus den drei Bezirken das heutige Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

Folge des Kalten Krieges: Zwei deutsche Staaten

Noch komplizierter ist die übergeordnete Frage: Wie soll aus den Besatzungszonen ein neuer deutscher Staat entstehen? Die zunehmenden politischen Spannungen zwischen den USA und der UdSSR kennzeichnen den Beginn des Kalten Krieges. Zudem laufen die wirtschaftlichen Entwicklungen in den Besatzungszonen weiter auseinander. Die Gründung der Bizone durch Briten und US-Amerikaner sowie der Marshallplan fördern die Wirtschaft in Westdeutschland. Dagegen beharrt die Sowjetunion weiter auf Demontagen zu Reparationszwecken. Die Währungsreform vom 20. Juni 1948, die entgegen dem Willen der Sowjets auch für den Westsektor Berlins gelten soll, mündet 1948 in der Berlin-Blockade. Die Teilung Deutschlands - und damit die Gründung zweier deutscher Staaten - wird immer wahrscheinlicher.

23. Mai 1949: Verkündung des Grundgesetzes

Der Parlamentarische Rat 1948 mit seinem Präsidenten Konrad Adenauer. © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images
Am 1. September 1948 wird in Bonn der Parlamentarische Rat eröffnet. Dessen Präsident ist Konrad Adenauer.

Am 1. Juli 1948 übergeben die westlichen Militärgouverneure den westdeutschen Ministerpräsidenten die "Frankfurter Dokumente": Sie enthalten den Auftrag, einen westdeutschen Staat zu gründen und eine Verfassung auszuarbeiten. Am 1. September 1948 tagt in Bonn erstmals der Parlamentarische Rat. Sein Auftrag ist es, das Grundgesetz auszuarbeiten. Mit 53 zu 12 Stimmen beschließt der Parlamentarische Rat am 8. Mai 1949 das Grundgesetz. Bis auf Bayern, das eine stärkere föderale Prägung fordert, sprechen sich auch die Länder wenige Tage später für das Grundgesetz aus. Am 23. Mai 1949 wird es feierlich verkündet - die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland.

Weitere Informationen
Massenkundgebung anlässlich der Gründung der DDR am 11. Oktober 1949 in Berlin-Mitte: Die FDJ im Demonstrationszug vor der Humboldt-Universität. © picture-alliance/akg-images Foto: akg-images

Von der Sowjetischen Besatzungszone zur DDR

Viereinhalb Monate nach Gründung der Bundesrepublik wird die Sowjetische Besatzungszone am 7. Oktober 1949 zur DDR. Der Traum eines vereinten Deutschlands ist ausgeträumt. mehr

7. Oktober 1949: Volkskammer setzt Verfassung der DDR in Kraft

In der sowjetischen Besatzungszone arbeiten die politischen Kräfte lange darauf hin, einen geeinten deutschen Staat zu gründen. Noch im Oktober 1948 soll der Zweite Deutsche Volkskongress, dem auch Mitglieder aus dem Westen angehörten, unter der Leitung des ehemaligen SPD und nun SED-Politikers Otto Grotewohl den Entwurf einer gesamtdeutschen Verfassung für die "Deutsche Demokratische Republik" ausarbeiten. Durch die Gründung der Bundesrepublik unter Zugzwang gesetzt, tagt am 28. und 29. Mai 1949 der Dritte Volkskongress, der den Verfassungsentwurf mit nur einer Gegenstimme annimmt und Wahlen zum Zweiten Deutschen Volksrat abhält. Aus diesem konstituiert sich am 7. Oktober 1949 die Provisorische Volkskammer, die die Verfassung der DDR in Kraft setzt.

Weitere Informationen
Britische Soldaten marschieren am 3. Mai 1945 in Hamburg ein. © dpa Foto: Imperial War Museum

Vom Feind zum Freund: Die Briten im Norden

Im Mai 1945 besetzen die Briten Norddeutschland. Sie bringen Nissenhütten, Popmusik und demokratische Strukturen. mehr

Konrad Adenauer unterzeichnet das Grundgesetz am 8. Mai 1949 © dpa/picture-alliance

Grundgesetz: Wie Deutschland seine Verfassung bekam

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik verkündet. Weltweit orientierten sich Staaten an der deutschen Verfassung. mehr

Der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher hält während einer Kundgebung der SPD im Mai 1946 in Frankfurt/Main eine Rede. © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Wie die SPD nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde

Im April 1945 wird in Hannover der Wiederaufbau der SPD beschlossen. Schon im Mai werden erste Parteibücher ausgehändigt. mehr

Der CDU-Vorstand mit Friedrich Holzapfel, dem Vorsitzenden Konrad Adenauer und Jakob Kaiser (von links) am 21.10.1950 auf dem Gründungsparteitag der CDU in Goslar © (c) dpa - Report Foto: dpa

Wie die CDU in Goslar zur Bundespartei wurde

Auf dem ersten Bundesparteitag der CDU 1950 beschließt die Partei ihr Statut und wählt Adenauer zum Vorsitzenden. mehr

Sogenannte Trümmerfrauen entsorgen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg Schutt mit Loren. © picture alliance / akg-images

Nachkriegszeit: Trauer, Trümmer, Teilung - und Aufbruch

Nach dem Krieg sind die deutschen Städte eine Trümmerlandschaft. Das Land wird in vier Besatzungszonen aufgeteilt. mehr

Eine Intershop-Filiale in Ostberlin im Luxushotel Metropol, aufgenommen am 10.11.1977. © dpa/picture alliance Foto: Günter Bratke

Die Geschichte der DDR

Wie kam es zur Gründung der DDR? Wie sah der Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat aus? Und was führte schließlich zum Mauerfall und zur Wiedervereinigung? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 21.05.2019 | 09:20 Uhr

Mehr Geschichte

Polizisten verschanzen sich hinter einem Polizeiauto. Männer stehen vor einem Im-und Exportgeschäft. © Staatsarchiv Hamburg Plankammer (720-1_388_00_79877_18)

Vor 50 Jahren fiel in Hamburg der erste finale Rettungsschuss

Ein Bankräuber nimmt am 18. April 1974 in Hamburg mehrere Geiseln. Als er nach draußen kommt, erschießen Polizisten den Mann gezielt. mehr

Norddeutsche Geschichte