Mitarbeiter in der Hamburger dpa-Zentralredaktion 1956 © dpa

Aufbruch in freien Journalismus: Die Gründung der dpa

Stand: 03.05.2023 12:30 Uhr

Am 1. September 1949 schickt die Deutsche Presse-Agentur von Hamburg aus ihre erste Meldung über die Ticker. Bald wird die dpa zum Marktführer - und hat mit einigen Herausforderungen zu kämpfen.

+++ dpa 1 (inland) deutsche presse-agentur nimmt dienst auf [...] +++

So lautet die erste Schlagzeile, die die frisch gegründete dpa am 1. September 1949 über die Ticker schickt. Knapp zwei Wochen zuvor, am 18. August 1949, hatten mehrere Zeitungsverleger in Goslar die Gründung der Deutschen Presse-Agentur beschlossen. Sie geht aus dem Zusammenschluss dreier Agenturen der Alliierten hervor: der Deutschen Nachrichtenagentur (DENA), der Süddeutschen Nachrichtenagentur (Südena) und dem Deutschen Pressedienst (dpd).

Genossenschaftliche Strukturen für Meinungsvielfalt

Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ein Vierteljahr nach Verkündung des Grundgesetzes und wenige Wochen nach den ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag gilt es, Strukturen zu vermeiden, die erneut die Gleichschaltung von Nachrichten begünstigen könnten. Unter anderem als Lehre aus dem Wirken des nationalkonservativen Hugenberg-Konzerns, der der Propaganda Adolf Hitlers in den 30er-Jahren die Kanäle öffnete, wird die dpa als Genossenschaft gegründet. Mit strikten Regeln zur maximalen Anteilshöhe soll die zu große Einflussnahme einzelner Gesellschafter ausgeschlossen werden.

Im Nachkriegsdeutschland kämpft die junge Agentur zunächst mit Mängeln. Am Unternehmenssitz in Hamburg fehlt es an Papier, Stühlen und Kommunikationstechnik. Doch die dpa kann sich die Infrastruktur der Gründungsagenturen zunutze machen. Vor allem aber übernimmt sie von den amerikanischen Alliierten eine völlig neue Art von Journalismus.

Entnazifizierter Journalismus hält Einzug

Dazu gehört unter anderem die strikte Trennung von Nachricht und Meinung, aber auch die "Entnazifizierung der Sprache": Rassistische, ideologische oder pathetische Begriffe sollen nüchterner Sachlichkeit weichen, denn die Alliierten weisen Presse und Rundfunk eine wichtige Rolle beim Ausbau der Demokratie in Deutschland zu. Bis zu 600 Redakteure und Reporter, darunter amerikanische Intellektuelle, emigrierte deutsche Journalisten und politisch unbelastete junge Leute schreiben nach amerikanischem Vorbild.

Die dpa steigt zum Nachrichten-Großhändler auf

Ein Redakteur im Frankfurter dpa-Büro kühlt 1959 sich bei sommerlichen Temperaturen mit einem Fußbad ab © dpa
Heiße Sommer kennen Journalisten auch schon 1959. Ein Redakteur im Frankfurter dpa-Büro weiß sich zu helfen.

In den Jahren nach ihrer Gründung steigt die dpa schnell zu Deutschlands größter Nachrichtenagentur auf - und ist es auch heute noch. Sie ist in knapp 100 Ländern und mehr als 50 Büros in Deutschland präsent. Per Satellit und Internet gelangen die Nachrichten zu Printmedien, Sendern und Online-Diensten. Zu den Kunden der dpa gehören neben Presse und Rundfunk auch Parlamente, Verbände, Unternehmen und PR-Agenturen.

Das Angebot ist vielfältig: Die dpa sammelt, verarbeitet und verbreitet Eilmeldungen, Zusammenfassungen, Hintergründe, Analysen, Kommentare, Reportagen, Porträts, Interviews, Zitate oder bunte Meldungen - in Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch. Heute produzieren etwa 1.000 Journalisten weltweit Tag für Tag insgesamt rund 600 Meldungen im Basisdienst - dem wichtigsten Produkt der Agentur - und etwa 1.200 aktuelle Bilder, dazu kommen Info-Grafiken, Videos und Audios. Rund 21 Millionen Bilder - und damit Dokumente der Zeitgeschichte - sind im Archiv der Agentur gespeichert.

"Chruschtschow-Ente": Fehler schnell korrigiert

Doch selbst einer Nachrichtenagentur unterlaufen Fehler. So etwa am 13. April 1964, als die Agentur die Meldung über den Tod des damaligen sowjetischen Staats- und Parteichefs Nikita Chruschtschow in die Welt schickt - beruhend auf einer Fehlinformation. Wenige Minuten später wird die Meldung korrigiert, doch die Panne dürfte sich als "Ur-Schock" ins kollektive Gedächtnis der Nachrichtenschreiber weltweit eingebrannt haben. Und auch gezeigt haben, wie wichtig es ist, mit Fehlern transparent umzugehen.

Krise der Verlage wird zur Herausforderung für die dpa

Der Nachrichtenmarkt entwickelt sich zu einer hart umkämpften Branche. Diverse Agenturen konkurrieren miteinander, auch in Deutschland. Zusätzlich gibt es rund um den Millennium-Wechsel große architektonische Veränderungen in der Nachrichten-Branche: Die Print-Umsätze sind stark rückläufig, ein perfektes und gewinnbringendes Geschäftsmodell für den Online-Bereich der privaten Verleger ist noch nicht gefunden. Auch das bekommt die dpa zu spüren, und zwar von zwei Seiten. Denn sie beliefert nicht nur fast alle deutschen Medien, sie gehört vielen von ihnen ja auch. 179 Sender, Print- und Online-Medien sind gleichzeitig Gesellschafter und Kunde (Stand 2019). Ein neues Preismodell, das unter anderem Auflagen-Rabatte gewährt, soll ab 2004 die Kundschaft bei der Stange halten. Zusätzlich baut die dpa ihre Geschäftsfelder zum Beispiel mit Produkten für PR-Agenturen aus.

Zentralisierung der dpa und Umzug nach Berlin

Alle deutschen dpa-Redaktionen sind seit 2010 in einer Zentralredaktion in der Berliner Markgrafenstraße gebündelt. In Hamburg, wo die dpa seit ihrer Gründung in der Villa der ehemaligen Königlich Bayerischen Gesandtschaft am Mittelweg residierte, sitzen derzeit der Vertrieb, die Geschäftsführung und der Landesdienst Nord.

Umsatzdelle wieder aufgefangen

Seit Ende 2012 arbeitet die dpa eng mit der US-amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press (AP) zusammen, was die Umsätze nach einigen Einbrüchen seit 2013 wieder hat steigen lassen. Zusätzlich positiv dürfte sich ausgewirkt haben, dass die mittlerweile als Funke Mediengruppe agierende WAZ Mediengruppe, die der Nachrichtenagentur 2009 gekündigt hatte, seit Ende 2012 wieder zur Kundschaft der dpa gehört.

Rund 93 Millionen Euro Umsatz hat die Kerngesellschaft dpa GmbH laut Geschäftsbericht im Jahr 2018 gemacht - nach mehreren Jahren der stabilen Umsatzsteigerung ein nur leichtes Minus (2017: 93,6 Millionen Euro). Die dpa-Gruppe mit ihren elf Tochtergesellschaften und diversen Beteiligungen konnte 2018 ein Umsatzplus von 2,3 Prozent verbuchen (2018: 139,8 Millionen Euro, 2017: 136,7).

Wachstum? Blick auf Zielgruppen und Ausspielwege

Bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder setzt der Dienst auch auf zielgruppenspezifische Angebote, wie zum Beispiel die "dpa-Nachrichten für Kinder", die seit 2007 Texte, Bilder und animierte Grafiken und Rätsel rund um aktuelle Themen liefert - zugeschnitten auf die Bedürfnisse Sechs- bis Zwölfjähriger.

Die zunehmende Digitalisierung auch beim Endnutzer der Inhalte, die stetig wachsende Nutzung von Smartphones und Apps, drängen auch die Deutsche Presse-Agentur zum Ausbau ihrer Produkte. Neben Texten, Bildern und Grafiken verstärken Videos und Audios die Bandbreite. Seit 2016 bietet die dpa ihren Kunden ganze sogenannte Multimedia-Dossiers an: unterschiedliche Module zum Beispiel aus dem Politik- und Sport-Bereich, die direkt in Websites oder Apps eingebettet und veröffentlicht werden können.

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Fake-News und Vertrauensverlust begegnen

Die technische Moderne birgt auch inhaltliche Herausforderungen. Frei nach dem Motto "das Internet macht's möglich" sind vielen Nutzern kostenlose Medienangebote wichtiger als die gute Recherche. Zugleich kann jeder publizieren. Gerüchte, Propaganda, Fake-News verbreiten sich rasend schnell, die Quelle - und damit die Substanz der Information - ist oft nicht auf den ersten Blick zu identifizieren. All das geht einher mit einem Vertrauensverlust der etablierten Medien, der zumindest in einigen Bevölkerungsschichten in der ersten Hälfte der 2010er-Jahre stark ausgeprägt ist.

dpa: Faktenchecker seit dem Gründungsjahr

Wie all dem begegnen? Viele Medien haben in den vergangenen Jahren Formate eingeführt, die - meist unter dem Titel "Faktencheck" - mit Falschinformationen und Gerüchten versuchen aufzuräumen. So auch die dpa, für die der Faktencheck allerdings kein Novum ist: "Dpa-Journalisten sind seit dem Gründungsjahr 1949 Faktenchecker. Denn das Prüfen von Fakten gehört von Beginn an zur DNA der Agentur", heißt es auf eine Anfrage des NDR. Doch auch die dpa hat auf die Zeichen der Zeit deutlich reagiert und liefert Faktenchecks seit 2013 als journalistisches Produkt an ihre Kunden aus. Da sich die technischen Möglichkeiten im Internet und die Kompetenzen der User permanent verändern, entwickelt auch die dpa den Bereich des Faktenchecks und der Recherche weiter: mit Spezial-Software und eigenen Angaben zufolge einem hohen Maß an Social-Media-Kompetenz.

Auch der Social-Media-Markt selbst soll von dem Angebot profitieren: So gehört seit 2019 auch Facebook zu den Abnehmern der dpa-Faktenchecks, um die Verbreitung von Falschinformationen auf der eigenen Plattform Einhalt zu gebieten.

Verantwortung für die objektive Nachricht bis heute

Gewürdigt hat die dpa ihr 70-jähriges Bestehen bereits am 1. Juli 2019 mit einer Feierstunde in Berlin. Zu den Gästen gehörte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der in seiner Ansprache unter anderem wiederholte, was seit 70 Jahren als Maxime der dpa gilt - und so bereits in der ersten Tickermeldung am 1. September 1949 zu lesen war:

"Die Pflege der objektiven Nachricht und die Unabhängigkeit von jeder staatlichen, parteipolitischen und wirtschaftlichen Interessengruppe werden das Merkmal der neuen Agentur sein." Auszug aus der ersten Meldung der Deutschen Presse-Agentur, 1. September 1949

 

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