Stand: 13.03.2016 15:00 Uhr

Kir: Keimzelle der Hamburger Clubkultur

Das Hamburger Kir hat eine lange Historie. Die Geschichte des Musikclubs beginnt im Hamburger Stadtteil Poppenbüttel, genauer gesagt im Poppenbütteler Weg 236 - dort, wo heute das Hotel Poppenbütteler Hof steht. Die Vorstadtdisco Sitrone war dort von 1976 bis 1983 beheimatet. Clemens Grün übernimmt im August 1983 den Club, nennt ihn Kir und ändert das Konzept. Die DJs legen New Wave, Independent und Punk auf - zu der damaligen Zeit noch eine Seltenheit in der Hansestadt. "Vor dem Kir gab es keinen Laden, der so konsequent Indie und Underground gespielt hat. Es war eine Location, in der man Dinge ausprobieren konnte. Die Zeit war reif, die jungen Leute wollten neue Sachen hören. Wir waren ein Sprungbrett für viele Bands. Bei uns spielten die, die sonst nirgendwo spielen konnten", betont Grün.

Ärzte spielen erstes Hamburg-Konzert

Bands wie Sisters Of Mercy, Go-Betweens und Cocteau Twins treten beispielsweise in Poppenbüttel auf - und sogar Rapper Kurtis Blow, der an zwei Abenden hintereinander den Laden füllt. "Die Ärzte hatten ihren ersten regulären Hamburger Auftritt bei uns", sagt der 56-jährige Kir-Gründer stolz. "Als ich Farin Urlaub viele Jahre später bei einem großen Konzert gefragt habe, ob er sich noch an mich erinnert, sagte er: Natürlich, du warst damals der Erste, der uns ein Hotelzimmer bezahlt hat."

Feuer in Poppenbüttel - Umzug nach Altona

Im Februar 1984 muss Grün für seinen Club bereits eine neue Heimat suchen, denn das Gebäude in Poppenbüttel brennt komplett nieder. Bis heute ist die Ursache nicht genau geklärt. Grün: "Die Polizei sagte, dass es ein technischer Defekt oder Brandstiftung gewesen sei. Aber die Technik war komplett neu." Wenige Wochen später zieht das Kir in die Max-Brauer-Allee nach Altona. Weiterhin wird auf Independent gesetzt - auf der Kir-Bühne wie auf der Tanzfläche. Der kleine Club nahe der Sternbrücke wird zum zweiten Wohnzimmer für Fans von Wave/Gothic, Britpop, Crossover, Indie oder Elektropop. "Die Mischung der Gruppen hat bei uns immer extrem gut funktioniert", sagt Grün.

Keimzelle der "Hamburger Schule" und Subkultur-Treffpunkt

Als wichtiger Treffpunkt der Subkultur-Szene und Keimzelle der sogenannten Hamburger Schule mit Bands wie Die Sterne, Blumfeld und Tocotronic ist der Club auch Teil der Ausstellung "Geniale Dilletanten" über die frühen 1980er-Jahre im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. "Die Samen des Kir sind weit gestreut worden. All die Clubs wie beispielsweise Molotow, Hafenklang, Astra-Stube oder Übel+Gefährlich wären nicht denkbar gewesen, wenn es nicht eine Urzelle gegeben hätte - das war das Kir", betont Grün. "Es war besonders in den 1980er- und 1990er-Jahren ein stilprägender Club, der auch viel für die heutige Szene getan hat. Die Macher vom Mojo Club, Oliver Korthals und Leif Nüske, haben sich bei uns kennengelernt." Hinter dem DJ-Pult im Kir wurde die Idee zum Mojo Club geboren.

Björk, New Model Army, Sportfreunde Stiller - und Kinofilme

Das ehemalige Kir in der Hamburger Max-Brauer-Allee.
Das Kir in der Max-Brauer-Allee wurde als "Hamburgs schönster Schuhkarton" bezeichnet.

In der Max-Brauer-Allee spielen Bands wie Die Goldenen Zitronen, Bronski Beat, Housemartins, Blow Monkeys, Soul Asylum und die Sportfreunde Stiller. Beim Konzert von New Model Army sind nur 16 zahlende Gäste dabei - aber auch zahlreiche begeisterte Kritiker, sodass die Band schon bald größere Konzerthallen füllt. Auch die Grunge-Ikonen Soundgarden sind 1989 im Kir zu Gast. Im Februar 1986 auch die heute weltbekannte isländische Sängerin Björk mit ihrer damaligen Band KUKL. "Sie war damals schwanger. Das Konzert hat uns so gut gefallen, dass wir sie am nächsten Abend gleich noch mal spielen lassen haben", erinnert sich Grün. "Es macht einfach Spaß zu sehen, was aus einigen Bands geworden ist."

Auch auf der Kino-Leinwand ist der Club zu sehen. Fatih Akin dreht hier seinen ersten Spielfilm "Kurz und schmerzlos", Jim Jarmusch sein Vampir-Drama "Only Lovers Left Alive".

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 30.01.2015 | 19:00 Uhr

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