Corona: Tage der Bewährung
Kein Vertrauen in die Populisten
In gewisser Weise entpuppt sich damit heute der Populismus, das Spiel mit der Angst vor dem Ausnahmezustand, als Luxusphänomen. Corona zeigt: Man muss sich den Populismus und seine Angstmache leisten können. Wenn es aber tatsächlich hart auf hart kommt und die Krise nicht mehr nur vor der Tür, sondern schon mitten im Raum steht, dann sind Tatkraft und Zuversicht gefragt, statt Untergangsszenarien und Verschwörungstheorien. Dann flüchten die Wählerinnen und Wähler doch lieber zurück zu den Volksparteien, weg von den Populisten, und vertrauen auf die bewährten Kräfte.
Damit rächt sich auch der infame Jubel der AfD nach dem Fiasko von Thüringen. Wer wie Björn Höcke und Co. mit Genuss die Demokratie vorführt und dann noch seine "konstruktiv-destruktive Strategie" feiert - nämlich "in Thüringen jemanden so auf einen Stuhl setzen, dass es in Berlin einem anderen Stuhl die Beine abschlägt" -, der kann sich nicht wundern, wenn die Bürgerinnen und Bürger in einer Notlage kein Vertrauen in die Kompetenz der Populisten zur Krisenbewältigung haben.
Damit entpuppt sich der aktuelle Ausnahmezustand in Folge von Corona als eine echte Chance für die Regierenden, mit entschlossener, tatkräftiger Politik den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen und ihnen zugleich bei den nächsten Wahlen diverse Prozente abzuknöpfen.
Enorme Bewährungsprobe für alle Regierenden
Tatsächlich fokussiert sich in dieser "Stunde der Exekutive" der Blick auf diejenigen, die die Regierungsgeschäfte führen. Die aktuelle Krisensituation ist eine enorme Bewährungsprobe für alle Regierenden. Aber zugleich wachsen, gerade im Vergleich mit den Populisten, deren Profilierungschancen. Zur Erinnerung: Der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt konnte seinen Ruf als knallharter Krisenmanager dadurch begründen, dass er als junger Innensenator die Flutkatastrophe in Hamburg 1962 mit großer Entschlossenheit bravourös zu meistern verstand. Genauso kann heute die Corona-Krise für einen Gesundheitsminister wie Jens Spahn den Durchbruch zu ganz neuer Autorität bedeuten, genauso wie für sämtliche Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die von Nord bis Süd, von Ost bis West nun die Geschicke ihrer Länder verantworten.
Einen positiven Lerneffekt hat Corona damit bereits jetzt: Am Ende kommt es in der Demokratie, das macht die Krise schlagend deutlich, auf verantwortungsbewusstes Regieren mit vernünftigen Ergebnissen an. Und auf das Einsehen und die Folgebereitschaft der Zivilgesellschaft. "Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt", stellte die Bundeskanzlerin in ihrer Ansprache fest. Jetzt muss die Gesellschaft unter Beweis stellen, dass sie wirklich eine Solidargemeinschaft ist, indem die Bürgerinnen und Bürger zum Schutze der Alten und Kranken den Anweisungen der Regierung Folge leisten. Am Ende entscheiden wir alle über Erfolg oder Misserfolg der getroffenen Maßnahmen - und damit auch über den Erfolg der demokratisch gewählten Regierungen. Wenn diese ihre Tatkraft unter Beweis stellen können, ist das zugleich immer auch ein Sieg gegen die Populisten.
"Vernünftig ist, wer den Ausnahmezustand vermeidet"
Und irgendwann winkt dann auch wieder das, was wir wohl viel zu leichtfertig über 70 Jahre in dieser Republik als eine Selbstverständlichkeit begriffen haben - eben die Normalität, der Normalzustand. Der aber bedeutet, dass man irgendwann wieder gesellig zusammen sein kann, ohne Angst vor lebensgefährlicher Infektion haben zu müssen.
Noch ist gar nicht absehbar, wann die Corona-Krise enden wird. Spätestens dann aber sollte uns das populistische Spiel mit der Angst vor dem Ausnahmezustand ausgetrieben sein. Wie hatte der große Skeptiker Odo Marquard die berüchtigte Formel Carl Schmitts einst zu Recht persifliert: "Vernünftig ist, wer den Ausnahmezustand vermeidet" - und, möchte man hinzufügen, nicht, wer ihn wie die AfD beschwört.
Es kann also durchaus sein, dass wir zumindest in dieser Hinsicht klüger aus der Krise herauskommen, als wir in sie hineingeraten sind.
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Teil 1:
Wir erleben eine epochale Zäsur - Teil 2: Kein Vertrauen in die Populisten
