AUDIO: Rezension: "Triangle of Sadness" (4 Min)

"Triangle of Sadness": Östlunds zynischer Blick auf die Welt

Stand: 24.01.2023 19:49 Uhr

In "Triangle of Sadness" geht es den Schönen und Reichen an den Kragen. Ruben Östlunds zynischer Blick auf die spätkapitalistische Welt läuft seit Oktober im Kino und darf auf drei Oscars hoffen.

von Walli Müller

Der schwedische Regisseur Ruben Östlund gehört zum exklusiven Club derer, die bereits zweimal die Goldene Palme in Cannes gewonnen haben. Erst für seine satirische Auseinandersetzung mit der Kunstwelt in "The Square" und 2022 für "Triangle of Sadness".

Seit Dienstag darf der Schwede mit seinem Team auf drei Oscars am 12. März 2023 für "Triangle of Sadness" hoffen: für die beste Regie, fürs beste Original-Drehbuch und für den besten Film. "Wir gratulieren herzlich und sind sehr stolz darauf", reagierte am Dienstag Moin-Chef Helge Albers im Gespräch mit NDR Kultur auf die Nominierungen des Moin-geförderten Filmes.

"Triangle of Sadness": Satire mit speziellem Ruben Östlund-Humor

Was "Triangle of Sadness" bedeutet, wird gleich in der ersten Filmszene geklärt. Ein Casting für männliche Models. Carl, der später als Passagier auf der Kreuzfahrt dabei sein wird, muss sich einer entwürdigenden Fleischbeschau stellen, in der er darum gebeten wird, den "Triangle of Sadness" zu entspannen. Gemeint ist damit die Stelle zwischen den Augenbrauen - die sogenannte Sorgenfalte. Und den Mund kann er auch gleich noch etwas öffnen, damit er zugänglicher wirkt.

Da ist er schon, dieser ganz spezielle Ruben Östlund-Humor. Der Schwede inszeniert todkomische Szenen und bringt den Saal zum Lachen. Er endet aber nicht mit der Pointe, sondern walzt die Situation aus, bis bei dem Publikum Fremdscham einsetzt. Oder ein Paar, das im Restaurant endlos diskutiert, wer die Rechnung bezahlt - wenn man sich dabei im Kinosessel windet, ist das ganz im Sinne von Östlund.

"Für mich ist Filmemachen vergleichbar mit einer guten Diskussion", so Ruben Östlund. "Wenn wir mit Freunden beim Abendessen zusammen sitzen, über die Gesellschaft diskutieren und alle einer Meinung sind, dann macht das Gespräch wenig Sinn, oder? Also provoziere ich das Publikum, sich selbst Fragen zu stellen. Denn das, finde ich, macht gute Filme aus."

Sunny Melles verkörpert eine überspannte Oligarchen-Gattin

Eine einzige Provokation ist die im zweiten Teil des Films stattfindende Luxuskreuzfahrt. Hier treffen Carl und seine Model-Freundin aus der Modeszene auf das Großkapital, das keine Limits kennt, was auch dem Serviceteam eingebläut wird.

Hummer und Champagner sind ausreichend vorhanden, nur Nutella muss einmal per Hubschrauber eingeflogen werden. Richtig unangenehm wird es fürs Personal, als die überspannte Oligarchen-Gattin, gespielt von Sunny Melles, plötzlich das Bedürfnis hat, sich zu verschwistern und mit allen gemeinsam schwimmen zu gehen.

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Der schwedische Regisseur Ruben Östlund im TV-Interview mit dem NDR beim Filmfest Hamburg zur Deutschlandpremiere seines Cannes-Siegers "Triangle of Sadness" © C. Tamcke / Future Image Foto: C. Tamcke

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Fahrtende mit Schiffbruch auf einer einsamen Insel

Ruben Östlund führt in diesem Film Superreiche als wirklich dekadentes Pack vor, dem er übel mitspielt. Das Captain's Dinner endet bei stürmischer See in einer Brechorgie und die Fahrt an sich mit Schiffbruch auf einer einsamen Insel. Plötzlich weiß auch ein kaviarverwöhnter Gaumen wieder, wie gut eine Packung Salzstangen schmecken kann.

Wenn aber das Schiff in "Triangle of Sadness" metaphorisch für die ökonomische Ungerechtigkeit der Welt steht, was wäre dann die Konsequenz? Die Reichen über Bord werfen? Soweit würde Östlund dann doch nicht gehen. "Sollten wir sie bitten, all ihr Geld zu verschenken? Das ist wohl nicht realistisch", so Östlund. "Deshalb ist meine Meinung dazu: Zahlt einfach Steuern."

Besondere Herausforderung für Iris Berben

Der schwedische Regisseur Ruben Östlund mit den Schauspielerinnen Iris Berben (links) und Sunny Melles (r.) beim Filmfest Hamburg zur Deutschlandpremiere seines Cannes-Siegers "Triangle of Sadness" © C. Tamcke / Future Image Foto: C. Tamcke
Der schwedische Regisseur Ruben Östlund mit seinen Schauspielerinnen Iris Berben (links) und Sunny Melles (r.) beim Filmfest Hamburg zur Deutschlandpremiere seines Cannes-Siegers "Triangle of Sadness"

Wenig Text, aber große Momente hat Iris Berben in diesem Film als Kreuzfahrt-Passagierin mit Handicap. Nach einem Schlaganfall leidet sie an einer Sprachbehinderung. Ihre Figur kann sich nur mit drei Worten verständigen: "In den Wolken".

Das war für Berben schauspielerisch eine ganz besondere Herausforderung. "Bei Ruben Östlund dreht man in einer solchen Intensität, wie ich sie in meinen 52 Jahren Film noch nicht erlebt habe", so Iris Berben. "Da ist man mit der kleinsten Szene manchmal einen Tag beschäftigt, weil er sie auch von dir in den unterschiedlichsten Variationen abverlangt und das kann bis zu 50 und 70 mal sein."

Auch für das Publikum ist "Triangle of Sadness" kein Spaziergang. Östlunds zynischer Blick auf die spätkapitalistische Welt wird die Sorgenfalten nicht glätten helfen. Aber - auf seine ätzende Art - ist der Film auch sehr lustig. Und Woody Harrelson als kommunistischen Kapitän der Bonzen-Yacht muss man einfach gesehen haben.

 

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"Triangle of Sadness"

Genre:
Drama | Komödie
Produktionsjahr:
2022
Produktionsland:
Schweden, Vereinigtes Königreich, USA, Frankreich, Griechenland, Türkei
Zusatzinfo:
Mit Harris Dickinson, Charlbi Dean Kriek, Woody Harrelson u.v.a.
Regie:
Ruben Östlund
Länge:
147 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 13. Oktober 2022

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 24.01.2022 | 19:55 Uhr

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