Szene aus dem Film "Sisi & Ich" © Bernd_Spauke

"Sisi & Ich": Machtspielchen statt Sisi-Plüsch

Stand: 29.03.2023 11:26 Uhr

In "Sisi & Ich" pusten die Hauptdarstellerinnen Susanne Wolff und Sandra Hüller den historischen Figuren den Staub aus den Kostümen. Es geht um Essstörungen, Fitnesswahn, Machtspielchen - und natürlich auch um Liebe.

von Krischan Koch

Gräfin Irma von Sztáray soll Hofdame bei Kaiserin Elisabeth werden. Davon hat sie geträumt. Aber bevor sie die Stellung bei der Kaiserin bekommt, wird sie auf Herz und Nieren geprüft. Wie bei einem Pferd, das zum Verkauf steht, werden ihre Zähne und Füße begutachtet. Irma (Sandra Hüller) muss allerlei Turnübungen, Sprünge über Hecken und Sprints absolvieren.

Kaiserin Sisi (Susanne Wolff) lebt auf der griechischen Insel Korfu fernab vom Wiener Hof und dessen Konventionen in einer Art adligen Kommune. In schlicht gestreifter Garderobe unternimmt sie mit ihrer neuen Hofdame Irma, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, strapaziöse Ausflüge in die Natur. Mit ihrer Launenhaftigkeit tyrannisiert die Kaiserin ihren Hofstaat. Die kapriziöse Sisi zelebriert ausgefallene Diäten mit Kokaintinkturen. Nur der exaltierte Schwager aus Wien, der homosexuelle Erzherzog Viktor protestiert gegen das spartanische Abendmahl. 

"Das ist ja nur lauwarmes Wasser."
"Das regt die Verdauung an."
"Aber wenn es nichts zu verdauen gibt, dann kann ja auch nichts angeregt werden."
"Der Darm, lieber Wutzi, enthält die Essensschlacke von drei Jahren. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was man sehen würde, wenn man dich da unten aufschneiden täte." Filmszene

 

"Sisi & Ich": Erst Komödie, dann Drama

Das Drehbuch schrieb Regisseurin Frauke Finsterwalder zusammen mit dem Schriftsteller Christian Kracht. Es beginnt wie eine burleske Komödie und entwickelt sich schleichend zum Drama bis zu Sisis Tod. Mit den historischen Fakten geht die Geschichte sehr frei um.

Frauke Finsterwalder wollte sich "vom Ballast des Realen befreien", wie sie sagt. Sie habe vielmehr "versucht, sich den Gefühlsraum vorzustellen, in dem Sisi sich bewegt hat." Männer kommen darin kaum vor. Kaiser Franz-Josef hat nur einen kurzen Auftritt als mürrischer älterer Herr. Im Mittelpunkt stehen die beiden Frauen. Irma wandelt sich von der Bediensteten zur Vertrauten. Sie hat sich längst in die charismatische Sisi verliebt. Sie reisen zusammen, albern herum, singen und machen lebensgefährliche Sprünge von steilen Klippen hinunter ins Meer.

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Regisseurin und Autorin Frauke Finsterwalder im roten Rollkragenpulli bei der Berlinale zum Foto--Termin zu "Sisi & ich" © Soeren Stache/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Soeren Stache

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Sandra Hüller und Susanne Wolff bringen die Leinwand zum Schillern

Frauke Finsterwalder (von links), Susanne Wolff und Sandra Hüller bei der Berlinale zum Foto--Termin zu "Sisi & ich" © Soeren Stache/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Soeren Stache
Frauke Finsterwalder (von links), Susanne Wolff und Sandra Hüller stellen den Film "Sisi & ich" bei der Berlinale vor.

Frauke Finsterwalder und ihre beiden großartigen Hauptdarstellerinnen geben sich alle Mühe, den historischen Figuren den Staub aus den Kostümen zu pusten. Lichtdurchflutete Bilder der Ägäis wechseln sich ab mit surrealen Fellini-Momenten. Der rockige Soundtrack mit Songs von Portishead und der Elektropunkband Le Tigre treiben dem Film letzte Reste von Sisi-Plüsch aus.

Die Themen sind höchst zeitgemäß. Es geht um Essstörungen und Fitnesswahn, um Machtspielchen in einer Beziehung und die Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen. "Sie war eine Frau, die im Alter sagte, was sie dachte und tat, was sie wollte", sagt Frauke Finsterwalder. Vor allem ist "Sisi & ich" eine Liebesgeschichte. Das ist wunderbar spröde. Aber gerade so bringen Sandra Hüller und Susanne Wolff die Leinwand zum Schillern.

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Der Film, der auf der Berlinale Premiere feierte, darf am 12. Mai auf vier Lolas hoffen: für die Beste Tongestaltung, das Beste Kostümbild, die Beste Kamera/ Bildgestaltung und Sandra Hüller als Beste Hauptdarstellerin.

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Sisi & Ich

Genre:
Drama | Komödie
Produktionsjahr:
2023
Produktionsland:
Deutschland | Schweiz | Österreich
Zusatzinfo:
Mit Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich u.a.
Regie:
Frauke Finsterwalder
Länge:
132 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 30. März 2023

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 27.03.2023 | 07:55 Uhr

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