"Monobloc": Humorvolle Doku über das meistverkaufte Möbelstück
Hauke Wendler folgt den Spuren des Monoblocs auf der ganzen Welt und spricht mit Menschen, deren Leben vom Plastikstuhl geprägt ist. Immer wieder hinterfragt er, was man eigentlich zum Glücklichsein braucht.
Kolossal hässlich oder genial schlicht? Wem das Geld für edle Korb-Gartenmöbel fehlt, der stellt sich die ästhetische Frage nicht. Man kann auf dem "Monobloc" sitzen. Und da saß des Öfteren auch Regisseur Hauke Wendler - achtlos, bis er eines Tages den schnöden Plastikstuhl ganz neu entdeckte. "Ich hab 2013 ein Foto in der Zeitung gesehen. Da standen so 60, 70 von diesen Stühlen in der Wüste. Die Sonne ging gerade so unter, ganz tolles warmes Licht. Da hab ich gedacht: Was für ein großartiges Foto und was für eine unglaubliche Ansammlung von Plastikschrott", erinnert sich der Regisseur. "Das war der Kontrast, der hat mich so angezogen, die Geschichte. Aber die hat sich dann ganz anders entwickelt, weil hinter diesem Stuhl viel mehr steht, als die meisten von uns denken."
Die Recherche ist in "Monobloc" humorvoller Teil des Sujets
Hauke Wendler fing an zu recherchieren und stellte sich Fragen. Wer hat diesen Stuhl eigentlich erfunden? Wo wird er produziert? Und warum ist er von Afrika bis Indien so ein Verkaufsschlager? Interessante und überraschende Antworten liefert nun sein Film, in dem er die Recherche auf humorvolle Art mit zum Thema macht.
Regisseur Hauke Wendler: Wie alles mit dem Monobloc begann
"Die Suche nach dem Monobloc wird uns einmal um die halbe Welt führen", so Wendler. "Sie beginnt an einem kühlen Herbstmorgen im Norden Italiens."
Die drei Brüder Proserpio haben hier Mitte der 1960er-Jahre eine der ersten Fabriken für Plastikmöbel eröffnet. Als Erfinder des Monoblocs gilt zwar der Franzose Henry Massonnet, weil der aber kein Patent anmeldete, konnte das italienische Familienunternehmen bis heute rund 250 Millionen Stück verkaufen. "Der Monobloc war ein Stuhl, der auf dem Markt eingeschlagen ist. Weil er billig war, gab es eine enorme Nachfrage", sagt Camillo Proserpio. "Das war die Zeit, als Plastik boomte."
Die Doku lädt zum Schmunzeln ein, aber auch zum Nachdenken
Heute haben Material und Stuhl ein ernsthaftes Imageproblem. Zumindest bei uns in Deutschland, wo das Filmteam Vorübergehende zum Probesitzen einlädt. Passanten und Passatinnen sagen über den Stuhl: "Er ist schlecht designt, man sitzt nicht besonders gut und er ist überhaupt kein kultureller Beitrag." Oder: "Wehe, man hat ihn ein paar Jahre im Garten stehen. Dann bröckelt er auseinander. Und das ist das Problem: Es bleibt einfach nur ein Haufen Müll übrig."
Die Doku lädt zum Schmunzeln ein, aber auch zum Nachdenken. Denn Sichtweise und Maßstäbe ändern sich, sobald man den Kontinent wechselt. In Uganda etwa werden aus dem Monobloc Rollstühle gebaut für Menschen mit Behinderung, die sich niemals ein High Tech-Gefährt leisten könnten. "Free Wheelchair Mission" heißt das Projekt, das ein Kalifornier initiiert hat und das in Afrika hochwillkommen ist.
"Uns fehlen hier viele Dinge. Deshalb haben wir in Afrika und in Uganda eine Sache gelernt. Das Leben endet nicht, wenn Du keinen Strom hast. Das Leben endet nicht, wenn dein Kühlschrank nicht voll ist. Und es endet auch nicht, wenn Du in einem Rollstuhl sitzt, der mit einem Plastikstuhl gemacht wurde. "Free Wheelchair"-Projektleiter in Uganda
Eine zentrale Frage in "Monobloc" ist, was wir zum Glücklichsein brauchen
Alles ist eben eine Frage der Perspektive. Das hat Regisseur Wendler bei diesem Film-Projekt gelernt. "Das müssen wir einfach mal wahrnehmen, dass der Reichtum, den wir leben, den gönne ich jedem.", so Wendler, "aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass Hunderte von Millionen Menschen dringend auf diesen Stuhl angewiesen sind."
Nach acht Jahren Beschäftigung mit dem Plastikstuhl hat Hauke Wendler auch dieses Vorurteil ad acta gelegt. "Die wichtigste Entdeckung bei dieser Reise war tatsächlich, dass der Stuhl recycelbar ist", sagt der Regisseur. "Das Schlimmste, was die Menschen aus diesem Stuhl ja immer finden, ist, dass er aus Plastik ist, dass er angeblich im Ozean rumliegt, aber dem ist gar nicht so, weil dieser Stuhl besteht zu fast 100 Prozent aus Polypropylen. Das heißt, der wird recycelt, aus alten kaputten Stühlen entstehen bestenfalls neue Stühle."
So erzählt "Monobloc" viel mehr als die Geschichte eines globalen Möbel-Phänomens. Es geht ums Genauer-Hinschauen, um das Hinterfragen einer eurozentristischen Weltsicht. Und dabei ist der Film überaus unterhaltsam.
"Monobloc"
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Produktionsjahr:
- 2021
- Produktionsland:
- Deutschland
- Regie:
- Hauke Wendler
- Länge:
- 90 Minuten
- FSK:
- ohne Altersbeschränkung
- Kinostart:
- ab 27. Januar 2022
