"Cicero": Eindrucksvolles Doppelporträt von Vater und Sohn
Musizierende Eltern haben oft auch musikbegeisterte Kinder. Im Dokumentarfilm "Cicero - zwei Leben, eine Bühne" verknüpft Regisseur Kai Wessel die Lebensgeschichten von Vater und Sohn - zwei musikalischen Genies.
"Ich hätt' so gern noch Tschüss gesagt, noch 'nen letzten Song mit Dir gemacht", singt Roger Cicero für seinen verstorbenen Vater. Die Tränen fließen spätestens bei diesem unsagbar traurigen Abschiedslied. Ergriffen ist man von diesem Film und diesen beiden Musikerschicksalen aber von Anfang an, weil das Ende so gewiss ist.
Am 24. März 2016 stirbt auch Roger Cicero, gerade mal 45 Jahre alt, auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Pop- und Swing-Star. Privat ein zurückhaltender Mann, der auf der Bühne alles gegeben hat und zwar schon bei seinen Anfängen in "Angies's Nightclub" auf der Hamburger Reeperbahn. Die Band-Kolleginnen und -kollegen erinnern sich an ihn nicht als Rampensau. Der junge Roger Cicero hat keine Ambitionen, ein Star zu werden.
Musikerkollegen sind voller Hochachtung gegenüber Roger und Eugen Cicero
Wen auch immer Regisseur Kai Wessel aus der Musikerszene befragt, und er hat eine Menge berühmter Leute vor der Kamera, von Johannes Oerding bis Till Brönner, alle sind voller Hochachtung. Auch für den Vater, Eugen Cicero, dessen Lebensgeschichte der Film parallel erzählt. Er stammt aus Rumänien und nutzt eine Konzerttournee zur Flucht in den Westen. Hier wird er als Jazzpianist berühmt und sogar reich. Aber er lässt sich auch auf jeden kommerziellen Schnickschnack ein, klimpert im Fernsehorchester von Paul Kuhn. Charly Antolini, damals Drummer in Ciceros Jazztrio, schüttelt heute noch den Kopf darüber. "Das hätte er alles nicht tun sollen." sagt Antolini. "Er hätte einfach seine wunderbare Ausdrucksweise als Pianist im Jazz und mit Klassik weiter machen müssen und nicht in der Gaststätte 'zum blutigen Daumen' auftreten sollen, sondern in Konzertsälen!"
Regisseur Kai Wessel erzählt im jazzigen Freestyle-Modus
Zur Tragik von Eugen Ciceros Leben gehört es, dass er den Widerspruch zwischen Kunst und Kommerz dann eben nicht aushält, die Familie früh verlässt, Alkoholiker wird. Und Roger, der Sohn, leidet unter der Trennung vom Vater, mit dem ihn doch die Musik so eng verbindet. Große Begabung, tiefer Schmerz - das zieht sich als Leitmotiv durch das Leben beider Musiker. Regisseur Wessel erzählt davon bewusst im jazzigen Freestyle-Modus, mal mit Interview-Sequenzen, mal mit Bilder-Collagen und natürlich mit vielen Bühnenszenen! Eine frühe Archivaufnahme zeigt Eugen Cicero den singenden Sohn am Flügel begleitend. Roger ist da noch ein Teenager mit schulterlangem Haar, aber schon unverwechselbarer Stimme.
Eindrucksvolles Doppelporträt von Eugen und Roger Cicero
Diese wertvollen Momentaufnahmen machen den Film zu so einem emotionalen Erlebnis. Spannend ist aber auch, was letztlich zum kommerziellen Durchbruch Roger Ciceros führt. Wie strategisch ein gewieftes Musik-Manager-Paar seine Platzierung auf dem Markt als deutscher Swing-Sänger plant. Das passende Styling, Maß-Anzug und Hut, gehören genauso zum Markenkern wie die frechen deutschen Texte.
Es ist eine Freude, diese Konzertbilder, und die Hingabe dieses Mannes zu sehen. Was für eine Tragik, dass er nicht mehr da ist! Aber was für ein Glück, dass er und sein Vater Eugen da waren! Beides wird in diesem eindrucksvollen Doppel-Porträt spürbar.
"Cicero - Zwei Leben, eine Bühne"
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Produktionsjahr:
- 2021
- Produktionsland:
- Deutschland
- Zusatzinfo:
- Roger Cicero, Eugen Cicero, Till Brönner, Charly Antolini, Fleurine Mehldau, Ulita Knaus, Lutz Krajenski, Johannes Oerding, Ack van Rooyen, Paul Kuhn, Jiggs Wigham, Joja Wendt u.v.m.
- Regie:
- Kai Wessel | Ko-Regie: Tina Freitag
- Länge:
- 112 Minuten
- FSK:
- ab 0 Jahre
- Kinostart:
- ab 24. März
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