Stand: 28.03.2022 10:27 Uhr

"Belfast": Ein künstlerisches Meisterwerk

von Bettina Peulecke

Kenneth Branaghs neuester Film "Belfast" trägt autobiografische Züge und erzählt die Geschichte eines Neunjährigen in Nordirland Ende der 1960er. Bei der Oscar-Verleihung erhielt Branagh die Auszeichnung für das beste Originaldrehbuch. Insgesamt hatte der Film sieben Nominierungen erhalten.

"Es gab ja ganz unterschiedliche Arten, den Lockdown durchzustehen", sagt Kenneth Branagh. "Manche haben sich durchgetrunken oder -gegessen, andere haben die Zeit durchtrainiert oder durchgedacht."

Kenneth Branagh gehört zu denen, die über vieles nachgedacht haben in der Zeit des ersten Lockdowns. In dieser Art "Zeitvakuum", wie er es nennt, beschäftigte er sich intensiv mit seiner Kindheit und verarbeitete seine Erinnerungen in einem Drehbuch. "Belfast" erzählt die Geschichte des neunjährigen Buddy in der konfliktbeladenen, von Gewaltausbrüchen geprägten nordirischen Hauptstadt im Jahre 1969. Das Schwarz-Weiß-Drama ist konsequent aus der Sicht des Jungen erzählt.

Es gibt einen entscheidenden Moment, in dem die kindliche Sorglosigkeit für Buddy ihr Ende findet. Und dieser Moment liegt ganz am Anfang des Films. Eben noch zieht Buddy als Retter oder Ritter, wie man es nimmt, mit hölzernem Schwert und Schild durch die Straße, in der er wohnt, plötzlich tobt ein steinewerfender Mob durch die Gassen. Die Mutter kann ihr Kind gerade noch ins Haus holen. Der Vater ist nicht da, denn er arbeitet in England und möchte, dass die Familie dorthin zieht, trotz der Bedenken seiner Frau.

Mutter: Ich kenne nichts außer Belfast.
Vater: Ja, genau. Eine ganze Welt wartet da draußen. So bieten wir den Jungs bessere Chancen als wir je hatten. Wir leben in einem Bürgerkrieg. Und ich bin nicht da, um meine Familie zu beschützen. Filmszene aus "Belfast"

"Belfast" erzählt von unzertrennlichen Familienbanden und dem Erwachsenwerden

Zu dieser Familie gehören aber auch Großmutter und Großvater, die Buddy ebenso liebt wie seine Eltern, und die Belfast auf keinen Fall verlassen wollen. Unzertrennliche Familienbande, lebenslange Heimatverbundenheit, schmerzhaftes Erwachsenwerden und das Kino als magischer Ort, in dem man in andere Welten eintauchen kann. All das steckt in ergreifenden aber auch fröhlichen Momenten in "Belfast".

Im Schutz der Dunkelheit des Kinos kann Buddy der Realität entfliehen, Kinobesuche waren Schlüsselerlebnisse für den heute 60-jährigen Branagh aus Belfast. "Wir liegen auf demselben Breitengrad wie Reykjavik. Also es kann ganz schön grau und eklig sein.", so Branagh. "Und wenn ich dann im Kino Filme in Farbe sah, und exotische Orte, da konnte ich meiner Vorstellungskraft wirklich freien Lauf lassen."

Künstlerisches Meisterwerk - zu Recht für sieben Oscars nominiert

Kenneth Branagh hat bahnbrechende Shakespeare-Verfilmungen wie "Henry V" und Hollywood -Blockbuster wie "Thor" inszeniert. "Belfast" ist sein persönlichster und vielleicht bester Film. Und er hat schon viele sehr gute gemacht. Er hat ihn all denen gewidmet, "die geblieben und die gegangen sind und denen, die verloren gingen", wie es am Ende heißt.

Gefunden hat er ein großartiges Schauspielerensemble mit dem tollen Newcomer Jude Hill als Buddy und alten Hasen wie Judy Dench als Großmutter. Inszeniert hat er mit viel Herzblut eine zutiefst berührende Liebeserklärung an seine Heimatstadt, seine Familie und die Kraft der Fantasie. Auch so kann man mit Krisen umgehen. Ein künstlerisches Meisterwerk als Ergebnis des ersten Lockdowns, das zu Recht für sieben Oscars nominiert wurde.

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"Belfast"

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2021
Produktionsland:
Vereinigtes Königreich
Regie:
Kenneth Branagh
Länge:
99 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 24. Februar

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 21.02.2022 | 07:55 Uhr

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