Stand: 25.06.2022 00:39 Uhr

Saskia Rosendahl: "Habe für meinen Film endlich Melken gelernt"

Sie ist bekannt aus "Babylon, Berlin", "Lore" und "Fabian". Saskia Rosendahl im Drama "Niemand ist bei den Kälbern" eine Frau, die der Provinz in MV entkommen will. Ein Gespräch über Sommerbräune, Kolleginnen und Halle.

Für ihre Rolle in Sabrina Sarabis Drama war Saskia Rosendahl als beste Hauptdarstellerin beim Deutschen Filmpreis nominiert. Die Lolas der Deutschen Filmakademie wurden am 24. Juni in Berlin verliehen.

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"Niemand ist bei den Kälbern" Gedreht in MV, Hamburg und Schleswig Holstein

Ihr Durchbruchsfilm war "Lore" von Cate Shortland. Sie spielte in Filmen von Dominik Graf (Fabian und der Gang vor die Hunde), Florian Henkel von Donnersmarcks "Werk ohne Autor" und in den Serien "Weissensee" und "Babylon Berlin" mit. Nun ist die 28-jährige Saskia Rosendahl im Kino mit "Niemand ist bei den Kälbern" von Sabrina Sarabi in der Hauptrolle zu sehen, für die sie 2021 beim Filmfest Locarno den Preis als beste Schauspielerin erhielt.

Das Drama spielt in der Mecklenburgischen Provinz und wurde auch in Hamburg und Schleswig-Holstein gedreht. Darin lebt die 24-jährige Christin mit ihrem Freun Jan (Rick Okon) in einem winzigen Ort auf dem Milchviehhof dessen Vaters in der mecklenburgischen Provinz. Hier gibt es eine Bushaltestelle und nichts als Felder, die Liebe zu Jan ist auch verblüht. Als ein Hamburger Windkraftingenieur (Godehard Giese) auftaucht, keimt in Christin die Hoffnung auf Veränderung auf. Ein Gespräch in Hamburg mit NDR.de über Saskia Rosendahls Karriere und den neuen Film.

Sie waren zuletzt im Herbst beim Filmfest Hamburg und haben "Niemand ist bei den Kälbern" persönlich vorgestellt. Sie sind häufiger in der Hansestadt gewesen. Mit welchen Filmen?

Schauspielerin Saskia Rosendahl beim Filmfest Hamburg 2021 © Filmfest Hamburg / Martin Kunze Foto: Martin Kunze
Saskia Rosendahl stammt aus Halle. Für ihre Rolle in Sabrina Sarabis Drama "Niemand ist bei den Kälbern" hat sie das Melken gelernt.

Saskia Rosendahl: "Lindenberg mach dein Ding" lief hier. Aber es gab noch andere. Es ist schon länger her, dass ich hier war.

Haben Sie für den Kinodreh damals den Musiker Udo Lindenberg persönlich getroffen?

Rosendahl: Nein. Meine Mutter bedauert es ein bisschen mehr als ich (lacht). Ihre Generation war voll der Fan von Udo. Es hätte sie schon sehr gefreut.

Sie stammen aus Halle. Wie viel Bezug haben Sie noch zu Ihrer Heimatstadt? Durch Ihre Filmkarriere haben Sie andere Wege eingeschlagen.

Rosendahl: Der Bezug ist noch sehr groß. Irgendwann musste ich einfach dort weg. Aber je länger ich weg war, desto mehr habe ich es wieder schätzen gelernt. Meine Familie ist noch dort, ein paar alte, enge Freunde und Freundinnen. Ich bin sehr gern dort und merke, dass ich daher komme. Wenn man so viel unterwegs ist, tut es gut, wenn man an einen bekannten Ort wiederkommt.

Der Film basiert auf einem Roman von Alina Herbing. Kannten Sie diesen, bevor Sie das Drehbuch in der Hand hatten?

Rosendahl: Nein, ich kenne es auch jetzt sogar noch nicht. Die Regisseurin Sabrina Sarabi und ich haben uns einfach entschieden, dass ich mich nur auf das Drehbuch konzentriere. Es gibt zwar viele Parallelen des Filmes zum Buch. Wir wollten aber auch etwas Eigenes entwickeln.

Wer ist diese 24-jährige Christin, die mit ihrem Freund zusammen auf einem Bauernhof in der mecklenburgischen Provinz in einem winzigen Dorf lebt und in einem mörderisch heißen Sommer unter Langeweile leidet?

Rosendahl: Das finde ich schwer zu beantworten, es war auch die größte Herausforderung, sie zu greifen. Das Drehbuch war gut und stimmungsvoll. Man hat selbst den Sommer und den Schweiß gespürt, die Fliegen haben einen genervt. Die Atmosphäre war sehr greifbar, und trotzdem blieb diese Figur lange für mich ungreifbar. Das ist sie auch - eine junge Frau, die einfach nicht weiß, wer sie ist, was sie kann und was sie will.

Wenn sie gefragt wird, was sie sich wünscht, kommen so ganz kleine, vage Vermutungen. Aber eigentlich hat sie selbst sich noch nicht gewagt, das zu fragen. Sie ist auf dem Land aufgewachsen und steckt dort fest und weiß, dass sie woanders hin gehört und hin will. Aber sie weiß nicht, wie sie das schaffen soll.

Sie sind gut gebräunt in diesem Film. War das Body-Spray oder echte Sommerbräune?

Rosendahl: (lacht). Es war der einzige Sommer, wo ich mal braun werden durfte und sogar gebeten wurde, mich immer in die Sonne zu knallen. Dann war auch ein bisschen Bodyspray dabei, der Dreh ging über zwei Monate. Die meiste Zeit was es echt kalt und nicht mehr sonnig und warm. Zum Glück sieht der Film aber sehr sommerlich aus.

Irgendwann kommt ein selbstbewusster älterer Hamburger ins Dorf, auf den sich Christin dann einlässt. Mit dem von Godehard Giese gespielten Mittvierziger haben Sie einige harte, intime Szenen. Hatten Sie eine Intimacy-Koordinatorin am Drehort - oder schon je mit einer gearbeitet?

Rosendahl: Ich weiß, dass es das gibt. Aber für mein Gefühl ist es etwas Neues, was auch nur so ab und zu mal irgendwie erscheint. Ich hatte noch nie eine. Was mir geholfen hat ist, dass ich mit der Regisseurin Sabrina ein nahes, sehr freundschaftliches Verhältnis habe. Wir haben uns extrem gut vorbereitet, über alles gesprochen. Ich kannte auch schon viele aus dem Team, etwa den Kameramann, und fühlte mich sehr aufgehoben, und in dem Moment hat mir das total gereicht.

Ich hatte aber auch schon andere Erfahrungen, wo ich mir so jemanden gewünscht und gebraucht hätte. Andere Projekte und Filme und Situationen, wo man sich eben nicht so wohlgefühlt hat oder gerne vorher an die Hand genommen wäre und gesagt bekommen hätte: "Das brauchst du nicht zu machen. Das kannst du sagen, wenn du dich unwohl fühlst." Das lernt man auch. Ich habe schon viele solche Szenen gehabt und gelernt, nein zu sagen. Zu sagen, was mir passt und was nicht. Und trotzdem täte es gut, so jemanden an der Seite zu haben.

Wie haben Sie für "Niemand ist bei den Kälbern" für Ihre Rolle recherchiert?

Rosendahl: Ich war vorher viel auf Bauernhöfen und habe endlich Melken gelernt. Das wollte ich schon immer mal probieren. Und ich hatte eine Sehnsucht, mal tiefer in ländlichere Regionen einzutauchen. Bei mir sind viele Fragen und Themen aufgeploppt, mir die Menschen anzugucken, die für unser Essen sorgen. Zu überlegen, wie stehen die gesellschaftlich da? Wie behandeln wir sie? Was brauchen sie? Das war spannend. Ich habe tolle Menschen mit so viel Liebe für ihren Beruf und für die Tiere kennengelernt, die einfach von fünf Uhr morgens bis zehn Uhr abends oder länger arbeiten.

Für mich sind Sie immer noch die junge "Lore" aus dem gleichnamigen Film von 2012 über ein junges Mädchen, das mitten im Zweiten Weltkrieg durch ganz Deutschland flüchtet und auf seine Geschwister aufpassen muss …

Rosendahl: … (lacht), das ist schon zehn Jahre her!

Sie sind direkt danach 2013 bei der Berlinale Shooting-Star geworden. Was hat diese Rolle mit der australischen Regisseurin Cate Shortland für Sie bedeutet?

Rosendahl: Ich war damals total naiv und hatte keine Ahnung, in was ich da rein gerate. Das war aber auch mein Glück, deswegen konnte ich mich leiten lassen von so vielen tollen Menschen, die mich da an die Hand genommen haben, um diesen Film zu machen. Das war mein Türöffner für ein anderes Leben, in dem ich jetzt schon zehn Jahre sein und arbeiten darf. Hätte das nicht so gut funktioniert, wäre ich, glaube ich, auch nicht Schauspielerin. Das bin ich aber gern. Deswegen bin ich der Rolle und dem Film voll dankbar.

Sie waren in "Werk ohne Autor", in "Fabian - oder der Gang vor die Hunde" und in der Serie "Weissensee" immer wieder in historischen Produktionen zu sehen. Inwiefern ist das ein Faible - oder werden Sie so gecastet?

Saskia Rosendahl als Tante Elisabeth in Florian Henckel von Donnersmarcks Film "Werk ohne Autor" © 2018 BUENA VISTA INTERNATIONAL / Pergamon Film / Wiedemann & Berg Film
Saskia Rosendahl spielt die Rolle der Tante Elisabeth in Florian Henckel von Donnersmarcks Film "Werk ohne Autor" von 2018.

Rosendahl: Vielleicht beides. Mir macht es aber auch viel Freude. In der Recherchearbeit lernt man viel über über seine eigene Geschichte und das Land kennen. Es hilft immer wieder zu verstehen, warum wir jetzt da sind, wo wir sind.

Wollen Sie verstärkt in Richtung internationales Kino arbeiten?

Rosendahl: Ich bin so dankbar dafür, wie ich gerade arbeiten darf, dass ich gar nicht irgendwelche Wünsche habe und mich irgendwohin sehne. Ich bin sehr glücklich. Ich habe große Lust, mit Frauen zu spielen und zu drehen, auch mit Kolleginnen in meinem Alter, das passiert so selten.

Das Gespräch führte NDR Kultur Autorin Patricia Batlle.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 20.01.2022 | 07:40 Uhr

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