Volker Kufahl, Leiter des Filmkunstfests

Prorussischer Brief: Festivalchef Volker Kufahl distanziert sich

Stand: 17.06.2022 07:01 Uhr

Der künstlerische Leiter des Filmkunstfests MV, Volker Kufahl, hat 2021 einen offenen Brief unterschrieben, der ein Ende der Sanktionen gegen Russland fordert. Dort wird auch Verständnis für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim geäußert. Nun distanziert er sich von dem Schreiben. Seine Sicht sei heute anders.

von Frank Breuner, NDR 1 Radio MV

Bei einem Ende März aufgenommenen Foto sind sie strahlend nebeneinander zu sehen: Volker Kufahl und Kerstin Voigt, Vorsitzende des Freundeskreises des Filmkunstfests MV. 7.000 Euro an Spendengeldern für die Ukrainische Flüchtlingshilfe wurden bei der Benefizvorführung eines Films in einem Schweriner Kino eingenommen.

Organisiert hatte den Abend unter anderem die Filmland MV gGmbh, deren Geschäftsführer Kufahl ist, und der Freundeskreis des Filmkunstfests. In einer Pressemitteilung wird beschrieben, wie wichtig die Spenden für die Geflüchteten aus der Ukraine sind, die oft nur mit einem Koffer nach Deutschland kommen.

Kufahl unterzeichnet offenen Brief mit problematischem Aufruf

Doch nur gut ein Jahr zuvor hatte Kufahl, der seit 2014 das Filmkunstfest in Schwerin leitet, einen offenen Brief im Internet unterzeichnet, der ganz andere Töne anschlägt. Dort heißt es unter anderem: "Zwei Drittel aller zivilen Opfer im traurigen Donbass- Konflikt gehen nach Feststellung der OSZE (…) auf das Konto der Regierenden in Kiew. Die Massaker auf dem Maidan und in Odessa wurden bis heute nicht aufgeklärt. Wir sehen mit Sorge stattdessen die verstörende SS-Verherrlichung in Teilen der Ukraine."

Zu finden ist der Aufruf auf der Internetseite "russlandbruecke.de" und er gibt die russische Sicht auf den Konflikt wieder - bis hin zur unkritischen Übernahme von Kreml-Propaganda. So wird auch ein Ende der Sanktionen gegen die Krim gefordert und die Annexion der Halbinsel durch Russland gerechtfertigt: "Wir haben volles Verständnis für die Menschen auf der Krim, dass sie in ihrer großen Mehrheit froh sind, infolge der Wiedervereinigung mit Russland nicht das Schicksal der Menschen in Donezk und Luhansk teilen zu müssen."

Die Verfasser schreiben also die Schuld an den Toten bei den Kämpfen im Donbass in den vergangenen Jahren einseitig der Ukraine zu und ignorieren, dass die Einverleibung der Krim durch den Kreml völkerrechtswidrig erfolgte.

In merkwürdiger Gesellschaft auf der Liste

Knapp anderthalb tausend Menschen haben den offenen Brief im Internet unterschrieben, unter Nr. 824 findet man den Namen Volker Kufahl. Mit ihm auf der Liste stehen unter anderem ein ehemaliger SED-Bezirkssekretär, Mitglieder des "Verbands zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR" und ein Vertreter des "Revolutionären Freundschaftsbundes", eines Dresdner Vereins, der sich dem Vermächtnis Ernst Thälmanns verpflichtet sieht. Eine recht eindeutige Klientel also.

Veröffentlicht wurde der offene Brief 2021 im Vorfeld des 80. Jahrestags des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion 1941, initiiert von der "Ost-West-Gesellschaft Baden-Württemberg". Wir fragen bei dem Verein an, ob sie den Appell auch heute, nach Beginn des russischen Invasionskrieges, erneut veröffentlichen würden. Vorstandsmitglied Jörg Tauss antwortet uns: "Aber selbstverständlich. Die heutige Situation ist doch jenen geschuldet, welche über Jahre zur Eskalation mit Russland beitrugen. Bis es Putin gleichgültig sein konnte, was der Westen anstellt."

Tauss ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter, 2010 wurde er vom Landgericht Karlsruhe wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften unter anderem in insgesamt 102 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung verurteilt. Auf Twitter schrieb Tauss am 12. Mai 2022 zu einem möglichen Ende des russischen Angriffskriegs: "Die Teilung der Ukraine ist der einzige Weg... Es sei denn, Selenskij & Co wollten sie endgültig zerstören."

Kufahl distanziert sich von offenem Brief

Am Donnerstagabend distanzierte Volker Kufahl nun von dem Schreiben: "Vor einem Jahr habe ich den Appell als Privatperson unterzeichnet. Ich wusste nicht, wer die anderen Unterzeichner sind und distanziere mich klar und deutlich von dem im NDR Bericht genannten politischen Umfeld", schreibt der Festivalleiter. Aus heutiger Sicht und nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine würde er diesen Appell nicht mehr unterschreiben. Seine Sicht sei heute anders, heißt es von ihm weiter. Der Druck auf Kufahl war gestern gewachsen - mehrere Landtagsabgeordnete hatten Kufahl aufgefordert, zu dem Aufruf Stellung zu beziehen.

Vorbereitet und unterstützt wurde der offene Brief auch von mehreren Organisationen, unter anderem von der Osteuropa-Freundschaftsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. Deren Vorsitzende ist Kerstin Voigt, zugleich Vorsitzende des Freundeskreises des Filmkunstfests MV. Voigt antwortete auf unsere Fragen bislang nicht.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 17.06.2022 | 08:00 Uhr

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