Neue NDR Doku: "Abrissparty - Radikales Interior Design"

Stand: 04.09.2023 08:54 Uhr

Was passiert, wenn man für eine Woche ein Künstler-Duo in seine Wohnung lässt? Ein radikaler Wohn-Exorzismus, der alles auf den Kopf stellt! Dann wird wieder aufgebaut und ein Weg gezeichnet, wie es besser weitergehen kann.

von Stefan Mühlenhoff, Katharina Ricard, Andrea Richter

Nach dem letzten Schlag mit dem Vorschlaghammer steht Paddy auf den Trümmern seiner Küche: frei liegende Backsteine, zerbrochene Spanplatten. Der Raum zittert vom Nachbeben der Hammerschläge. Seine Mutter hat zugeschlagen, sein Vater, seine Freunde und schließlich er selbst: Paddy Boehme, 34 Jahre, Kaufmann - und bis vor zwei Tagen noch unglücklich in seiner Wohnung. Ob er gerade glücklicher ist? Weiß er noch nicht. Aber befreiter, ja, das schon. 

Corona-Erkrankung gab Impuls

Paddy Boehme wagt das Experiment seines Lebens. © NDR/Maurice Weiss/ostkreuz
Paddy Boehme wagt das Experiment seines Lebens.

Als Paddy schwer an Corona erkrankte, konnte er seine Wohnung für Tage nicht verlassen. "Da habe ich gemerkt, dass ich mich in meinem Zuhause gefangen fühle." Seit fünf Jahren wohnt er im Erdgeschoss der ehemaligen Dorfsparkasse von Sterup in Schleswig-Holstein, richtig angekommen aber ist er nicht. Die offene Küche bietet zu wenig Stauraum, überall stapeln sich Kochutensilien. In der einstigen Teeküche der Sparkasse wollte er ein Büro einrichten. Doch bis jetzt lagert dort einfach alles, was in der Wohnung sonst keinen Platz findet. "Ein Haufen Müll," sagt Paddy, "aber ich bin ein schlechter Wegschmeißer."  

Es gibt kein Zurück

Studio C.A.R.E., ein deutsch-niederländisches Künstlerduo, analysiert Paddys Bedürfnisse, entwickelt Designs und Strategien, räumt und baut um - und das gemeinsam mit Paddy und seinen Freunden und Verwandten, die am Ende eines gemeinsamen Dinners in einer konzertierten Aktion die Küche kurz und klein hauen. Spätestens jetzt gibt es kein Zurück mehr. 

 Am Anfang steht die Zerstörung

Studio C.A.R.E: Christine van Meegen und Sebastian Kubersky © NDR/Maurice Weiss/ostkreuz
Wenn Christine van Meegen und Sebastian Kubersky von Studio C.A.R.E. an der Tür klingeln, können sich die Bewohner auf Einiges gefasst machen.

"Krisen können nur durch Katastrophen gelöst werden," sagen Christine van Meegen und Sebastian Kubersky von Studio C.A.R.E., "und wenn man sich zu Hause nicht zuhause fühlt, ist das eine Krise." Deshalb haben die Designerin und der Künstler die "Kuratierte Katastrophe" erfunden. Sie soll Wohnkrisen kurieren. Am Anfang steht dabei die Zerstörung: Tabula Rasa - damit etwas Neues wachsen kann.  

Neue Perspektive durch "Kuratierte Katastrophe"

Entgegen gängiger Aufräum-Methoden und Inneneinrichtungs-Tipps, die nur an der Oberfläche kratzen, verfolgt das Künstler-Duo einen ganzheitlichen Ansatz, radikal und tiefgreifend. Die "Kuratierte Katastrophe" soll Menschen helfen, eine grundlegend neue Perspektive zu gewinnen, auf das, was sie haben - und was sie wollen. Woran hänge ich, was mich in Wirklichkeit belastet? Wie nutze ich Dinge neu, ohne sie wegzuschmeißen? Wie gestalte ich den vorhandenen Wohnraum so, dass er sich mir und meinen Bedürfnissen anpasst - und nicht umgekehrt?  

"Totemhaufen" auf der Terrasse

Eine Installation aus alten Möbeln © NDR/Maurice Weiss/ostkreuz
Eine Installation aus alten Möbeln - ein "Totemhaufen"

In der Pilotfolge des neuen NDR-Formats "Abrissparty - Radikales Interior Design" begeben sich Studio C.A.R.E. gemeinsam mit Paddy in einen radikalen Prozess. Sie räumen die Wohnung leer, türmen Möbel zu einer Skulptur auf und erschaffen mit dem sogenannten "Totemhaufen" ein temporäres Kunstwerk auf der Terrasse. "So muss er sein Hab und Gut mit Abstand betrachten und kann selbst entscheiden, was daraus entstehen soll", sagt Christine van Meegen. 

Neues Design in sieben Tagen

Paddy Boehme und Studio C.A.R.E in den Resten seiner ehemaligen Küche. © NDR/Maurice Weiss/ostkreuz
Paddy Boehme und Studio C.A.R.E in den Resten seiner ehemaligen Küche.

Nach der "Katastrophe" soll alles neu wachsen: Studio C.A.R.E., Paddy und helfende Freundinnen und Freunde packen an. Herzstück soll eine neue Küche werden, aus rollbaren Koben, die flexibel im Raum gestellt werden können. Die Wände sollen weiß gestrichen, die Zahl der Möbel reduziert werden. Ein offener Schrank wird zum Raumtrenner und es entsteht endlich ein neues, aufgeräumtes und freundliches Büro! In sieben Tagen und mit kleinem Budget wollen Studio C.A.R.E. eine Wohnung gestalten, die sich an Paddys Leben anpassen kann; einen Platz für Freunde, Gemeinschaft und Partys - gleichzeitig auch einen Rückzugsort. 

"Ich würde es wieder tun."

"Abrissparty - Radikales Interior Design" begleitet diesen intensiven, aufreibenden, körperlich wie emotional fordernden Prozess. An dessen Ende nicht nur ein radikales Interior Design steht, sondern ein Paddy Boehme, der endlich weiß, wie er wohnen möchte: "Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen würde," sagt er, "aber ich würde es wieder tun." 

Das neue NDR-Format "Abrissparty - Radikales Interior Design" ist bereits in der ARD Mediathek zu finden. Am 6. September um 23.35 Uhr wird sie im NDR Fernsehen gesendet.

Weitere Informationen
Studio C.A.R.E: Sebastian Kubersky und Christine van Meegen © NDR/Maurice Weiss/ostkreuz

NDR Doku "Abrissparty": Künstlerduo zeigt Wege aus der Wohnkrise

Mithilfe von "kuratierten Katastrophen" gestaltet das Künstlerduo Studio C.A.R.E. Wohnungen neu. Ein Gespräch. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 06.09.2023 | 23:35 Uhr

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