Szene mit dem Polizisten Bussi, gespielt von uðunn Blöndal,  aus "Cop Secret" - Eröffnungsfilm der Nordischen Filmtage Lübeck © Alief

Fußball-Torwart Halldórsson über Reykjavík als Action-Schauplatz

Stand: 16.06.2022 22:09 Uhr

"Cop Secret", eine Polizisten-Komödie aus Island, lief bei Nordischen Filmtagen in Lübeck und nun im Kino. Regisseur Hannes Thor Halldórsson ist bekannt als Torhüter der isländischen Fußball-Nationalelf.

Hannes Þór Halldórsson eröffnete im Winter mit seinem Film "Cop Secret" die Nordischen Filmtage. Der 37-Jährige spielt seit 2011 eigentlich als Torwart für die isländische Nationalelf. Sein Herz schlägt aber auch für den Film.

So hat er 2012 bereits am Musikvideo für Islands ESC-Beitrag "Never Forget" mitgewirkt. Nun stellt er mit "Leynilögga", so der Originaltitel, sein Spiefilflmdebüt am Abend persönlich mit Produzentin Lilja Ósk Snorradóttir (Pegasus Pictures) sowie dem Schauspieler und Ko-Autor, Sverrir Þór Sverrisson, in Lübeck vor. Der Film hat in Island 2021 alle bisherigen Box Office Rekorde einer isländischen Produktion gebrochen.

"Cop Secret": Hannes Þór Halldórsson eröffnet die Nordischen FIlmtage

Hannes Thor Halldorsson - Fußballprofi, Torhüter in Island und neuerdings Spielfilmregisseur  Foto: NDR / Patricia Batlle
Der Regisseur und Ex-Nationaltorhüter Islands, Hannes Thor Halldorsson vor der Premiere seines Eröffnungsfilmes "Cop Secret" bei den Nordischen Filmtagen.

Darin spielt Auðunn Blöndal einen Polizisten mit aufgemotzem Wagen, der bei der Arbeit brachiale Methoden nutzt - und zu Hause zuviel trinkt. Nach einer Serie von Raubüberfällen bekommt er einen neuen Kollegen als Partner: den durchtrainierten und in allen Lebenslagen gut gekleideten Hörður (Egill Einarsson). Gemeinsam mit ihrer Polizeichefin (Steinunn Ólína Þorsteinsdóttir) jagen sie die Verbrecher mit Showdown bei einem Frauenfußballmatch Island gegen England.

Seit vielen Jahren besuche ich das Festival und schaue damit auch viele isländische Filme - aber einen wie "Cop Secret" habe ich noch nie gesehen. Der entspricht überhaupt nicht den Erwartungen, die das nordische Kino aus Ihrem Land bislang erzeugt hat…

Hannes Thor Haddorson: (lacht) Das stimmt, das hat man in Island noch nicht gesehen. Mein Film ist ein neuer, frischer Ansatz auf dem isländischen Filmmarkt. Die Leute nehmen den sehr dankbar an, weil wir nichts Ähnliches in diese Richtung produziert haben.

Sonst sieht man eher nordische Krimis, Dramen aus den Fjorden oder sogar Thriller-Serien wie den Supererfolg "Trapped" …

Haddorson: Das Klischee des isländischen Filmes ist ein Film auf einer Farm, von einem Bauer oder Schafszüchter, der Geld schuldet. Bei allem Respekt vor diesen Filmen, denn viele sind sehr gut, ist das isländische Publikum etwas ermüdet von diesen Geschichten. Auch ich als Kinogänger und Kind der 90er-Jahre, der mit Hollywoodfilmen aufgewachsen ist, wollte Actionkino aus unserem Land sehen. Wir wollten im besten Sinne gutes Unterhaltungskino für das isländische Publikum machen, das vor allem Kinofans bei uns zum Lachen bringt. Daher sind wir umso erstaunter und glücklicher darüber, dass er auch im Ausland gut aufgenommen und verstanden wird. Es sind sehr viele Insiderwitze drin, die eigentlich nur Leute aus Island verstehen.

Zum Beispiel die Tatsache, dass der Hauptdarsteller, ein Polizist auf Verfolgungsjagd, auf einem Motorrad an der Stadtgrenze halten muss, weil dort der nächste Polizeibezirk zuständig ist?

Haddorson: Genau, darüber lachen die Isländer, denn so etwas gibt es nicht in Island. Wenn man aus Reykjavík herausfährt, merkt man nicht, dass man im nächsten Ort ist. Das ist so ein Hollywood-Klischee, das wir in den Film gebracht haben. Es gibt keine unterschiedlichen Zuständigkeiten der Polizei. Und einer der Nebendarsteller spielt sich im Film selbst, Jón Gnarr, er war ein sehr bekannter Comedian in meiner Kindheit und Jugend. Er wurde bei einer außergewöhnlichen Wahl 2015 zum Bürgermeister Reykjavíks gewählt, das ist er nun nicht mehr. In unserem Film wird er vom Bürgermeister zum Premierminister befördert.

Der DJ, mit dem der Film startet und dem etwas Übles zustößt, ist tatsächlich ein sehr bekannter DJ aus den Neunzigern. Das Publikum hat großen Spaß daran, seine Stadt als eine Stadt voller Action zu sehen - auch wenn der Film nicht mit der Qualität von Hollywood-Blockbustern mithalten kann.

Für die Action-Szenen haben Sie aber einen erfahrenen Hollywood-Kameraspezialisten engagiert: Elli Cassata hat "Batman Rises" und Szenen von "Game of Thrones" gedreht!

Haddorson: Bei den Produktionen hat er bei der Kameraarbeit assistiert. Elli und ich kennen uns schon lange. Er hat viele der Werbefilme mit mir gedreht, die ich früher gemacht habe. Außerdem ist er mit der Chefin meiner Produktionsfirma Pegasus verheiratet. Für mich ist er aus seiner Pensionierung zurück ans Filmset gekehrt. Den berühmten „letzten Job“ hat er für mich gemacht.

In Island haben viele Leute mehrere Jobs auf einmal. Aber die Kombination Nationaltorwart der Fußball-Elf Islands und Regisseur ist schon einzigartig. Wie kam es jetzt dazu?

Haddorson: Stimmt, das ist eine seltene Kombination. Für mich ist sie aber normal. Das hat sich so ergeben, denn schon mit 20 Jahren hatte ich meine Fußballkarriere auf Eis gelegt, nachdem ich fünf Jahre mit einer Schulterverletzung zu tun hatte. Mit 20 habe ich Werbefilme und Musikvideos gedreht …

… und ein Video für den offiziellen ESC-Beitrag Islands!

Haddorson: (lacht), ja, das ist bislang mein bekanntester internationaler Filmbeitrag, auf den sprechen mich wirklich alle an. Das Video war ganz okay, finde ich.

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Viele Millionen Menschen schauen sich den Eurovision Song Contest an - und ebenso Fußballturniere…

Haddorson: Stimmt, und ich bin ein Eurovisionsfan (lacht)! -auch von Abba. Aber zurück zu meiner Zeit mit 20 Jahren: Ich wusste damals nicht, wofür ich mich entscheide, Fußball oder eine Karriere als Regisseur. Dann wurde es der Fußball und ich arbeitete mich von der untersten Liga hoch und fünf Jahre später war ich in der obersten Liga und kam zur Nationalmannschaft. Aber parallel war ich 2014 einer der populärsten Werbefilmer für eine der ältesten Produktionen Islands.

Also haben Sie mit Ihren Jobs jongliert?

Haddorson: Ja, aber der Fußball verlangt alles, man darf nicht zu spät kommen, das war auch meine Priorität. Aber Filmemachen ist genauso fordernd, hier gibt es auch keine Kompromisse, also wurde das Jonglieren meinem Umfeld zu anstrengend. Mein Trainer hatte die Nase voll, ebenso meine Filmproduktion, meine Frau auch. Es wurde zu hektisch. Also habe ich mich ab 2014 voll dem Profifußball gewidmet und in Dänemark, Norwegen, Aserbaidschan und Island gespielt, bis 2019. Dann habe ich angefangen, diesen Film zu planen.

Nun stellen Sie in Lübeck Ihren ersten Spielfilm vor, repräsentieren auch Island. Wie fühlt sich das an - etwa im Vergleich zum Fußball, wo Sie für einen legendären Moment gesorgt haben, als Sie 2018 bei der WM in Russland einen Elfmeter von Lionel Messi gehalten haben?

Haddorson: Der Moment hat meine Karriere definiert, war der unvergessliche  Höhepunkt. Der hat mein Leben verändert. Meinen Film nach Lübeck zu bringen ist auch etwas Besonderes, Einzigartiges. Das wird mir helfen, wenn ich mich ganz aus dem Fußball zurückziehe. Bislang habe ich mich nur aus der National-Elf verabschiedet.

Was vielen Profis danach fehlt, ist dieser Adrenalin-Kick nach einem großen Match. Besonders die Euphorie nach Siegen, die man kaum beschreiben kann. Aber die wenigen Male, in denen ich bislang in vollen Kinos mit „Cop Secret“ gesessen und die Reaktionen des Publikums gespürt habe, dass sie ihn mögen, dass der Film funktioniert, gibt ein ähnliches Glücksgefühl, wie ein Abpfiff des Schiedsrichters zum Sieg der eigenen Mannschaft. Man ist voller Adrenalin, voller Emotionen im Kino. Ich freue mich sehr auf die Eröffnung in Lübeck und hoffe, dass der Film auch hier gut funktioniert.

In "Cop Secret", Ihrer Komödie wird die toxische Maskulinität vieler Cop-Komödien und Actionfilme gebrochen. Stellen Sie den Leserinnen und Lesern den Film vor, der im Juni 2022 ins deutsche Kino kommt.

Haddorson: Der Hauptgag des Films besteht darin, einen Actionfilm in Reykjavík spielen zu lassen, wo normalerweise nicht viel passiert. Im Film brechen wir mit dem Archetyp dieser Supermacho-Typen, die es in den 90er-Jahren gab. Wir wollten etwas mit unserem Film sagen, das interessanter ist, dass das Publikum mehr in die Story zieht. Ich möchte nicht verraten, was die beiden ermittelnden Polizisten im Film verbindet, aber es soll etwas Positives hinterlassen

Der Film handelt vom toughen Supercop Bússi, der privat Probleme hat und mit Vorurteilen kämpfen muss. Die haben mit seiner Rolle in der Gesellschaft zu tun. Er sieht sich als supermännlicher Super-Cop, der keine Schwächen und keine Gefühle zeigen darf. An seine Seite kommt ein anderer Super-Cop, den Bússi hasst, der aus dem nächsten Ort stammt und der ihm bei den Ermittlungen helfen muss, denn in der Stadt hat es eine Reihe von geheimnisvollen Banküberfällen gegeben, bei denen nichts geklaut wird. Sie müssen sich also zusammenraufen und als Team arbeiten.

Die Beziehung entwickelt sich dabei anders, als bei Filmen aus den Neunzigern wie etwa "Die Hard 3“, den wir zitieren. Das ganze kulminiert bei einem Showdown parallel zu einem Fußballspiel der isländischen Nationalmannschaft der Frauen gegen England.

Haben Sie auch im Stadion drehen können?

Haddorson: Nein, das ging wegen der Covid-Einschränkungen nicht, wir konnten zwei Jahre lang nicht in vollen Stadien drehen. Das war die komplizierteste Szene des Filmes, die wir zum Teil aus älteren Drohnen-Aufnahmen von unseren eigenen Nationalspielen und parallel mit Aufnahmen mit den Schauspielerinnen ohne Publikum montiert haben. Die Frauen-Nationalelf ist übrigens sehr populär in Island und ich hoffe, dass die Stadien während ihrer Spiele auch ausverkauft sein werden.

Das Gespräch führte Patricia Batlle.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 23.06.2022 | 07:20 Uhr

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