Campino © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen Foto: Britta Pedersen

Campino über den Dokumentarfilm "Auswärtsspiel"

Stand: 02.10.2022 14:05 Uhr

Vor 40 Jahren haben die Toten Hosen ein Geheimkonzert in der DDR gespielt. Ein Gespräch dazu mit Campino. Am 8. Juni war der Deutsch-Brite auf dem Roten Sofa bei DAS! zu erleben.

Der Film "Auswärtsspiel" dokumentiert, wie die Toten Hosen vor 40 Jahren kurz nach ihrer Gründung die Stasi bei einem Geheimkonzert in der DDR an der Nase herumgeführt haben. Am 8. Juni war Campino zu Gast bei DAS! auf dem Roten Sofa. Dort gab der Deutsch-Brite Einblicke in sein Familienleben, seine Fußballleidenschaft und erzählte, warum ihm heute unter anderem sein Engagement für die Aufklärung gegen Darmkrebs so wichtig ist. Mit NDR Kultur sprach er im April über den Film "Auswärtsspiel".

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Die Punkrock-Band Die Toten Hosen auf einer Aufnahme von 1987. © picture alliance / United Archives | United Archives / kpa

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War das für Euch vor 40 Jahren sofort klar, als ihr da losgezogen seid: Mehr Rebellion, mehr Underground geht eigentlich nicht?

Campino: Uns war schon klar, dass Punkrock in Ost-Berlin eine völlig andere Hausnummer war als das, was wir hier im Westen abgezogen haben. Bei diesem ersten Geheimkonzert in der Erlöserkirche, sind wir auch von der Realität hart erwischt worden. Also wir konnten ja selber keine Sachen mitbringen. Wir sind konspirativ in Zweier- und Dreiergrüppchen sozusagen über die Grenze geschmuggelt worden und haben dann auf den Instrumenten gespielt, die uns die Jungs von Planlos überlassen hatten, die Band, die ebenfalls mit uns dort auftrat. Da waren die Gitarrensaiten dreifach geknotet, weil es keine Ersatzteile gab. Es war sowieso nur ein Verstärker im Raum, über den alles laufen musste. Am Schluss habe ich ohne Mikrofon gesungen, weil das eh lauter war, als mit der Anlage.

Die Toten Hosen in Ost-Berlin © SWR/JKP
Punk über Grenzen hinweg - auch vor 1989.

Also, das waren schon alles Momente, wo wir gesehen haben, mit welchen Umständen die zu kämpfen haben. Außerdem hat das alles unter größter Geheimhaltung stattgefunden, weil man Angst hatte, dass die Stasi davon Wind bekommen würde. Das war nur möglich, solche Sachen abzuziehen, durch den Schutz der Kirche. Da hatte die Geheimpolizei doch Respekt vor, und die sind nicht in die Räume gegangen, um da irgendwelche Hausdurchsuchungen zu machen, zu der Zeit. Die Kirche hat das auch dann wirklich im besten Sinne genutzt, um Leuten mit rebellischen Ideen, oder auch nur mit kritischen Ideen, gegenüber dem Regime, den Raum zu geben, sich zu treffen, sich auszutauschen oder eben auch solche Begegnungen zwischen einer West- und Ostberliner Punkband möglich werden zu lassen.

Als dann Planlos gespielt hat, habt Ihr ja auch irgendwie zugehört. Gab es einen Ost-Punksound?

Campino: Nein, ganz ehrlich. In dem Raum waren wir alle zusammen und haben alle an einem Seil gezogen. Es gab da keine Ost-West-Trennung, weil die Seele dieselbe war - auch das, was die gesungen haben, war von der Art und Weise der Texte und von der musikalischen Komposition absolut ähnlich. Also Planlos wären in Westdeutschland sehr, sehr gut angekommen. Das hat man gemerkt, dass die Kids dort drüben auch Westradio gehört haben und insofern voll beeinflusst waren von den Londoner Punkbands und das war bei uns auch nicht anders.

Die Stasi hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung, so ist es dokumentiert worden. Ihr ward, wie hieß es genau: die Rockband aus … jedenfalls nicht aus Düsseldorf?

Campino: Tote Hose aus West-Berlin (lacht). Ja, das hat uns gekränkt. Da hatten wir doch erwartet, dass die Stasi ein bisschen akribischer arbeitet. Spaß beiseite. Man war bemüht herauszufinden, was unsere Verbindungen sind. Warum wir überhaupt noch in der Lage wären, DDR-Territorium zu betreten, und so weiter. Man arbeitete emsig daran, uns da ein Verbot zu geben, aber dazu ist es nicht mehr gekommen, weil das System dann implodiert ist.

War Euch damals schon klar, das ist ein besonderes Konzert? Welches dann, wenn ihr auf 40 Jahre Bandgeschichte blickt, im Zentrum der Öffentlichkeit stehen wird - so wie es jetzt mit diesem Dokumentarfilm ist.

Die Toten Hosen in Ost-Berlin © SWR/Holm Friedrich
Die Toten Hosen in Ost-Berlin

Campino: Nein, natürlich nicht. Also, wir haben schon 1983 verabredet, dass niemand das weitererzählen dürfte, um die Kids in Ost-Berlin nicht zu gefährden. Wenn die Stasi das rausgekriegt hatte, da hätten die teilweise für Jahre ins Gefängnis gehen können - sind ja auch teilweise ins Gefängnis gegangen, nach unserem zweiten Konzert. Oder die Kids wurden in die Armee gesteckt - auch das ist der Band Planlos widerfahren. Es war so sehr gefährlich. Wir hatten den Anstand und die Vernunft, dass wir deshalb unseren Mund gehalten haben. 1983 hat keiner von uns damit gerechnet, weder in Ost-Berlin noch in West-Berlin, dass wir das noch mal erleben würden, dass die Mauer fallen würde. Insofern konnte auch keiner daran denken, dass das irgendwann in weiter Zukunft mal ein glorreicher Moment sein würde, über den man so nett berichten könnte. Das war völlig ausgeschlossen.

Ihr hattet Euch richtig verkleidet?

Campino: Ja, als wir 1983 da über die Grenze gegangen sind, da wurde verabredet: nur in Zweier- oder Dreiergrüppchen, alle an verschiedenen Grenzübergängen, zu verschiedenen Uhrzeiten - damit kein Zusammenhang festgestellt werden konnte. Und die Parole war: Haare runterkämen! Die normalsten Hosen, die man hatte, anziehen! Nichts Auffälliges! Mütze über und einfach nur zusehen, dass man rüberkommt, weil, wenn schon einer von uns gescheitert wäre, wäre der Auftritt ja nicht zustande gekommen.

Das Interview führte Lenore Lötsch.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 13.04.2022 | 07:20 Uhr

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