"Berlin Alexanderplatz": Europäischer Filmpreis für Komponistin
Die Komponistin Dascha Dauenhauer wurde für die Filmmusik zur Neuinterpretation von "Berlin Alexanderplatz" mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet.
Die Auszeichnung bedeute ihr viel, sagte Dauenhauer. "Oft lese ich die Nachrichten und werde sehr traurig und fühle mich ohnmächtig. Aber im nächsten Moment erinnere ich mich daran, dass wir Filmemacher die Chance haben, bedeutungsvolle Filme zu machen." Sie könnten damit Druck machen, zum Beispiel um gegen Rassismus zu kämpfen.

Der Europäische Filmpreis wird in diesem Jahr an mehreren Abenden hintereinander verliehen. Die eigentlich in Island geplante Gala war wegen der Pandemie abgesagt worden. Am 9. Dezember wurden nun die ersten Auszeichnungen in einer Digitalschalte verliehen. Für die Filmmusik zu Berlin Alexanderplatz hatte Dauenhauer zuvor bereits schon den Deutschen Filmpreis erhalten.
Film verlegt Handlung von "Berlin Alexanderplatz" ins heutige Berlin
Döblins "Berlin Alexanderplatz" ist einer der großen Romane der deutschen Literatur. Bereits zwei Jahre nach seinem Erscheinen wurde er 1931 mit Heinrich George in der Rolle des Franz Biberkopf verfilmt. Für Furore sorgte 1980 dann Rainer Werner Fassbinders dreizehnteilige Fernsehserie mit Günther Lamprecht. Der Film von Regisseur Burhan Qurbani verlegte die Handlung des Romans ins Berlin der Gegenwart. Der neue Franz Biberkopf heißt bei Quarbani Francis. Er ist ein afrikanischer Migrant, der sich unter Lebensgefahr an die europäische Küste gerettet hat und jetzt in Berlin gelandet ist. Im Gemeinschaftsraum der Flüchtlingsunterkunft wirbt ihn der Drogendealer Reinhold Kleinhändler für den Straßenverkauf an. Er verspricht ihm das süße Leben mit dickem Auto, Flachbild-Fernseher und deutscher Freundin.
Qurbanis Film mit spielt in Berliner Drogenszene

Der deutsch-afghanische Regisseur Burhan Qurbani hat die Handlung des Romans vom Subproletariat der 1920er-Jahre in die heutige Berliner Drogenszene verlegt. Doch der Film bleibt dem Grundmotiv des Buches treu. Wie Franz Biberkopf ist auch der Geflüchtete Francis ein naiver Held, der unbedingt anständig bleiben will und in der fremden Großstadt dann unter die Räder kommt. Francis (gespielt von dem aus Afrika stammenden Portugiesen Welket Bungué) verliert seinen Job auf dem Bau und landet in den Fängen des zwielichtigen Reinhold. Er gerät in einen Strudel krimineller Machenschaften und zwischen die Fronten von Kleindealern und dem großen Boss.
Joachim Król als lässiger Obergangster
Joachim Król spielt den Obergangster lässig lauernd mit Plauze und Goldkettchen. Und Albrecht Schuch beeindruckt als verschlagener, stets gebückter und ständig gehetzter Mephisto vom Drogenkiez. Auch in diesen Szenen bezieht sich der Film immer wieder auf die Literaturvorlage. Als Francis einen Schicksalsschlag nach dem anderen erfährt, nimmt die Hure Mieze (Jella Haase) sich seiner an. Sie begleitet die Geschichte als Erzählerin mit Textpassagen aus dem Buch von Döblin.
Realistische Szenen wechseln mit surrealen Bildern

"Berlin Alexanderplatz" gilt als erster Roman, der die moderne Großstadt zum Thema hat. So lässt auch Burhan Qurbani in seinem Film realistische und oft triste Straßenszenen auf surreale Bilder vom Nachtleben der Metropole treffen. Der mit einer Drohne aus der Vogelperspektive gefilmte Drogen-Umschlagplatz auf der Hasenheide und dann wieder neonbeleuchtete Travestie-Clubs wirken wie aus einem Fassbinder-Film.
Qurbanis Film ein Appell gegen Ausgrenzung und Rassismus
So entsteht ein flirrendes Kaleidoskop des heutigen Berlin, das den Zuschauer drei Stunden lang in seinen Bann zieht. Dabei vermeidet Burhan Qurbani jede Plattheit und Rührseligkeit. Der Film ist atmosphärisch dicht und wahr. Ein glühender, hochaktueller Appell gegen das Wegschauen, gegen Ausgrenzung und Rassismus.
Berlin Alexanderplatz
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2019
- Produktionsland:
- Deutschland, Niederlande
- Zusatzinfo:
- mit Welket Bungué, Jella Haase, Albrecht Schuch, Joachim Król
- Regie:
- Burhan Qurbani
- Länge:
- 183 min
- FSK:
- ab 12 Jahren
- Kinostart:
- 16. Juli 2020
