50 Jahre Tatort: Wie realistisch ist die Krimireihe?
Unzählige Explosionen, Verfolgungsjagden, Schießereien und vieles mehr hat es in 50 Jahren Tatort gegeben. Wie realistisch wird Polizeiarbeit in der ARD-Krimireihe eigentlich dargestellt?
Nick Tschiller, gespielt von Til Schweiger, läuft durchs Treppenhaus. Ein Rollstuhlfahrer lugt aus seiner Wohnung. Tschiller schimpft ihn weg und dann taucht ein Gangster auf. "Weg, hau ab, mach die Tür zu!" Der Gangster kommt rein, ballert los, und Tschiller ballert zurück.
Im Gegensatz zu Nick Tschiller ist Knuth Cornils ein echter Polizist und seit fast 40 Jahren in Uniform. Wie viele Schießereien hat er im Dienst erlebt? "Gott sei Dank keine einzige", sagt er. "Schusswaffengebrauch kommt wirklich selten vor. Aber nur zum Eigenschutz, zur Nothilfe oder Notwehr. Ich habe schon einige Kollegen mitbekommen, dass sie einen Schusswaffengebrauch hatten." Solche Erlebnisse zu verarbeiten, ist im echten Leben nicht einfach.
Verfolgungsjagd in der Stadt: Schwieriger als dargestellt
Was tatsächlich öfter vorkommen kann, sind Verfolgungsjagden. In der Großstadt ist das allerdings nicht so einfach, wie das im Tatort gerne mal gezeigt wird. Knuth Cornils erzählt, dass diese nicht ungefährlich seien. Zwar dürften Polizisten mit Blaulicht von der Straßenverkehrsordnung abweichen. "Wir müssen aber so fahren, dass wir keine anderen gefährden, uns nicht gefährden. In einer Großstadt wie Hamburg mit Sonderrechten zu fahren, ist wesentlich schwieriger, als in Niedersachsen in einem kleinen Ort von A nach B."
"Wir ziehen die Typen aus dem Verkehr." "Mit welcher Handhabe?" "Du schnappst dir den Kaiser und fertig." "Ich?" "Natürlich du, so kommst du gleich an seine Software ran. Ich kann damit nichts anfangen." "Alles ohne Staatsanwalt? Ohne Durchsuchungsbefehl?" "Mit Durchsuchungsbefehl kann das jeder." Dialog aus "Lockvögel" (1996)
Was Stoever (Manfred Krug) und Brockmöller (Charles Brauer) hier diskutieren, ist eigentlich ein Rechtsbruch. Einfach Sachen mitnehmen darf die Polizei nicht. Überhaupt: Einen Durchsuchungsbefehl gibt es gar nicht, "sondern das ist ein Durchsuchungsbeschluss", betont Cornils. Und auch ganz wichtig: Die Polizei verhört auch niemanden. "Es ist eine Vernehmung. Verhöre gab es früher mal in dunkleren Zeiten, die wir Gottseidank nicht mehr haben."
Den einsamen Kommissar gibt es nur im Tatort
Was aber stimmt: Polizisten sind fast immer zu zweit. Den einsamen Wolf, den gibt es nur im Fernsehen. Zu zweit ist man zur eigenen Sicherheit, aber auch, um sich in rechtlichen Fragen abzusichern. Wobei man da zur Not immer noch über Funk nachfragen kann.
Alleine im Undercover-Dienst, so wie Cenk Batu, der von 2008 bis 2011 Hamburger Tatort Kommissar war - gibt es das im wahren Polizisten-Leben? Das will Knuth Cornils nicht wirklich verraten. "Einsatztaktiken werde ich auch nie bei den Dreharbeiten nennen. Das muss auch so bleiben, um die Erfolge der Polizei aufrechtzuerhalten."
Wecken Sie mich um 5 Uhr! Aber pünktlich, haben Sie verstanden? Zitat aus "Taxi nach Leipzig" (1970)
Das sagte Hamburgs erster Tatort-Kommissar Trimmel gleich in der allerersten Tatort Folge, "Taxi nach Leipzig". Doch sind Ermittler wirklich Tag und Nacht im Einsatz? "Besonders bei der Bereitschaftspolizei, aber auch bei der Kripo gibt es natürlich Überstunden", sagt Cornils. "Es wird aber schon darauf geachtet, dass jeder zu seinem Schlaf kommt. Zwischen zwei Diensten müssen acht Stunden vergehen." Ausnahmen sind aktuelle Fahndungen.
Und sonntags wird Tatort geguckt
Sonntags um 20.15 Uhr sitzen viele Hamburger Polizisten vor dem Fernseher, schätzt Knuth Cornils. "Ich würde behaupten, fast alle, die nicht gerade im Dienst sind. Meine Meinung ist, der Tatort wird immer sozialer, jeder Polizist hat da soziale Probleme mit dem Kind oder dem Partner."
An dem Punkt dürfte der Tatort zu 100 Prozent der Realität entsprechen.
