Tony-Award-Gewinner Wheeldon inszeniert "The Winter's Tale"
Hamburger Ballett-Tage: Tony-Award-Gewinner Christopher Wheeldon inszeniert "The Winter's Tale" an der Hamburgischen Staatsoper.
Viel Jubel gab es bei den 47. Hamburger Ballett-Tagen: Gefeiert wurde der britische Choreograf Christopher Wheeldon. Hamburgs Ballettchef John Neumeier hat diesmal ausnahmsweise nur die Blumen am Schluss überreicht.
Tony Award für Christopher Wheeldon in New York
Kurz vor seinem Abstecher nach Hamburg ist Christopher Wheeldon in New York mit dem Tony Award ausgezeichnet worden - dem wichtigsten Theater- und Musicalpreis in den USA. Und auch in der Gerüchteküche um die Neumeier-Nachfolge, der im nächsten Sommer nach dann 50 Jahren das Haus verlässt, kochte sein Name immer mal wieder hoch - das nur zur Preisklasse. An der Hamburgischen Staatsoper hatte Wheeldon jetzt mit seinem Ballett "The Winter's Tale" ("Das Wintermärchen") nach William Shakespeare, Deutschlandpremiere.
"The Winter's Tale": Christopher Wheeldon inszeniert gradlinig
In einem Palast auf Sizilien beginnt die dramatische Geschichte. König Leontes vermutet eine Affäre seiner schwangeren Ehefrau mit seinem Jugendfreund. So maßlos ist seine Eifersucht, dass er Frau und Kind verstößt. Entgegen allem Flehen von Hofdamen und Beratern befiehlt er, seine neugeborene Tochter auszusetzen. Die wird er nach 16 Jahren wiedersehen. Aufgewachsen bei Schäfern, liiert mit einem Prinzen. Auch seine Ehefrau Hermione wird am Ende noch am Leben sein.
Mit sicherer und leichter Hand, gradlinig und ohne psychologische Schnörkel inszeniert Wheeldon dieses shakespearesche Drama um maßlose Eifersucht, Schuld und Vergebung. "Ich habe von ihm schon andere Sachen auch in London gesehen. Er ist fantastisch. Er erzählt große Geschichten. Er hat keine starke Psychologie in seinen Sachen. Das ist die Domäne von John Neumeier. Aber es ist sehr unterhaltsam", berichtet eine Zuschauerin.
Dirigent David Briskin treibt das Philharmonische Staatsorchester energisch voran
Fast wie in einem Theaterstück, entwickelt Wheedlon den Fortgang der Geschichte. Die Szenen emotional unterstützt und abgegrenzt mit Lichtkreisen, auf "Freeze-Modus" gestellte Beobachter, wenn der König seine Wutanfälle bekommt. Oder riesige seidene Prospekte über den gesamten Bühnenhintergrund.
Das Hamburger Publikum ist begeistert: "Es ist farbenfroh, es ist sehr lebendig, es sind schöne Charaktere, es hat ganz viel Spaß gemacht. Meine Tochter ist sechs und sie sitzt ganz gebannt vorne an der Stuhlkante, es ist herrlich."
Am Dirigentenpult der Staatsoper steht David Briskin, der das Philharmonische Staatsorchester energisch und klar vorantreibt. Musik und Tanz stehen beeindruckend gleichberechtigt nebeneinander, passen wie Puzzleteile. Arme werden auf den Takt genau nach oben gerissen - beeindruckend.
Komponist Joby Talbot schrieb Musik für Uraufführung am Royal Ballet
Der britische Komponist Joby Talbot hat die Musik bereits für die Uraufführung für das Royal Ballet 2014 geschrieben. Wie eng dabei die Abstimmung mit Christopher Wheeldon war, zeigt sich in jeder Sekunde. Dem Hamburg Ballett entlockt der britische Choreograf viel Tanzfreude. Besonders in den hellen Szenen, die der emotionalen Finsternis gegenüberstehen.
Fast ein ganzer zweiter Akt mit Folklore bringt zwar die Geschichte nicht voran - dass im böhmischen Land der Schäfer draußen unter einem großen Lebensbaum fröhlichere Feste gefeiert werden, als im düsteren Königshaus auf Sizilien, kann man auch kürzer erzählen -, aber diese Ensembleszenen sind von einer so hinreißenden Tanzbegeisterung und Farbigkeit, dass man auf keinen Fall darauf verzichten will.
Großartige Tänzerinnen und Tänzer
Es ist eine großartige Compagnie. Eigentlich mag man niemanden herausheben. Vielleicht fürs Protokoll: Fèlix Paquet tanzt gefühlvoll König Leontes, Ida Pretorius hat ihre zweite große Hauptrolle beim Hamburg Ballett als Hermione. Alexandr Trusch und Madoka Sugai sind ein traumhaft schönes Prinzenpaar. Und Silvia Azzoni, eine wirklich große Ballerina, tanzt die Hofdame Paulina mit so geschmeidiger Eleganz und einer Hingabe, die weit über den Bühnenrand hinausstrahlt. Am Schluss steht tosender Applaus
Die Ballett Tage dauern noch bis 3. Juli an. Neben John-Neumeier-Balletten aus dem Repertoire ist wie in jedem Jahr auch eine Gastcompagnie dabei. Diesmal das Polnische Nationalballett: am 28. und 29. Juni.