David Friedrich: Preisgekrönter Slam Poet aus Hamburg
Im Norden gibt es eine lebendige Poetry Slam Szene, die nach der Pandemie-Pause nach und nach wieder zum Leben erwacht. Einer ihrer größten Stars ist aktuell der Hamburger David Friedrich.
Er liebt Worte. Er spielt mit Worten. Er jongliert, er probiert, er tüftelt, überspitzt, erschreckt, amüsiert, schockiert - und man hört seinen Worten richtig gerne zu. David Friedrich ist Slam Poet, Moderator, Podcaster, Musiker - und seit Mitte Oktober nun auch offiziell deutschsprachiger "Poetry Slam Meister".
Beim Finale des Wettbewerbs in Nürnberg hat sich der 30-Jährige gegen die Konkurrenz durchgesetzt, mit einem Text, der alle überrascht hat:
"Heute war ein guter Tag. Heute hatte ich keine Probleme aufzustehen. Ich hab sogar geduscht. Mir einen Toast mit Marmelade gemacht. Ich hab nur zweimal davon abgebissen, aber immerhin. Gestern war kein guter Tag. Als das kleine Handtuch, das zum Händewaschen neben dem Waschbecken (hängt), beim dritten Versuch, es aufzuhängen, wieder runtergefallen ist, bin ich zusammengebrochen. Meine Haut ist so dünn. In der Kita würden sie kleine Laternen aus mir basteln, weil das Kerzenlicht so schön durchflackern würde." Poetry slam Beitrag von David Friedrich
Offen, ehrlich und schonungslos: David Friedrich auf der Bühne
David Friedrich hat über seine Depression geschrieben. Offen und ehrlich und schonungslos. Er lässt die Zuhörerinnen und Zuhörer direkt in sein Innerstes blicken. Berührt, macht nachdenklich und hilft sich damit selbst: "Ich hab' das schon immer so gemacht. Wenn es mir schlecht ging oder wenn ich Probleme hatte oder es irgendwas gab in meinem Leben, das ich verarbeiten musste - dann hab ich einen Text darüber geschrieben. Das ist eigentlich in erster Linie eine total egoistische Maßnahme. Und in dem Fall hatte ich irgendwie ein undefinierbares Bedürfnis, das nach außen zu tragen, weil ich mir das einfach so ein bisschen von der eigenen Seele runterreden musste."
Dass David Friedrich den modernen Dichterwettstreit mit einem so ernsten Text gewonnen hat, ist schon erstaunlich. Denn meist setzen sich humorvolle Wortkreationen durch: politisch Überspitztes oder Themen, die zwar ernsthaft und kritisch, aber unterhaltsam verpackt sind.
"Poetry Slam will nicht fair sein. Soll er auch nicht."
Dass der Wahl-Hamburger ganz schnörkellos und offen darüber spricht, dass es ihm schlecht geht, hat beim Publikum einen Nerv getroffen. Denn bewertet haben ihn ein paar zufällig ausgewählte Menschen aus den Zuschauer-Reihen. So funktioniert das beim Poetry Slam. Er ist durch und durch subjektiv: "Das ist ja das Grundprinzip: Poetry Slam will nicht fair sein. Soll er auch nicht. Es ist eigentlich immer vermessen, diese Texte miteinander zu vergleichen und zu sagen: Du bist jetzt nicht so gut und das ist jetzt besser - es lebt immer in dem Moment."
Dass in diesem Moment auch mal ein sehr persönlicher Text nicht immer Gefallen findet, darauf sollte man als Poetry Slammer dennoch immer vorbereitet sein. "Also ich will jetzt nicht sagen: man sollte in eine Rolle schlüpfen oder so was, aber man sollte sehr vorsichtig damit umgehen und sich bewusst sein, was man preisgibt. Aber wenn man das macht, dann ist es auf jeden Fall ein großer Mehrwert."
Slam Poet David Friedrich spricht über seine Depression
Das Innerste auf der Zunge - für David Friedrich ist das der richtige Weg. Der gebürtige Münchner hat sich in den Norden schockverliebt. In Hamburg hat er die Stadt gefunden, in der er an seinen neuen Projekten werkelt. Gerade arbeitet er an einem Ein-Mann-Theaterstück. Und zusammen mit einem Rap-Produzenten schreibt er an einem eigenen Album. Sein Herz aber gehört dem Poetry Slam. Auch wenn er keine Meisterschaft mehr mitmachen möchte - er wird weiter moderieren, weiter schreiben, und weiter dafür slammen, dass die Welt ein etwas offener und hilfsbereiterer Ort wird.
