von Katja Eßbach

Seit einigen Jahren gestaltet die Illustratorin Kat Menschik für den Berliner Galiani Verlag die Reihe "Lieblingsbücher". Darunter Klassiker wie Alexander Puschkins "Pique Dame", Franz Kafkas Erzählungen "Ein Landarzt" oder die Liebesgeschichte "Djamila" von Tschingis Aitmatow. Die Bücher sind wunderschön, sehr individuell und besonders. 14 "Lieblingsbücher" sind bereits erschienen, jetzt folgt der 15. Band mit Erzählungen von Asta Nielsen, dem dänischen Stummfilmstar.

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Asta und Frede

Asta Nielsen war schon über 70, als sie anfing, regelmäßig mit einem ihrer Verehrer zu telefonieren: Frede Schmidt. Er hat all diese Gespräche aufgezeichnet. mehr

Asta Nielsen: Stummfilmstar und humorvolle Erzählerin

Das titelgebende Paradies befindet sich in der Nähe von Berlin und Asta Nielsen lernt es durch Zufall kennen. Eigentlich ist sie im Frühjahr auf der Suche nach einem blühenden Kastanienzweig, doch es will ihr einfach nicht gelingen, einen zu ergattern, ohne "mit der Polizei Bekanntschaft zu machen". Glücklicherweise werden Nielsen und ihr guter Freund Alfred Kindt vom Geigenbauer Herr König in seine Villa eingeladen, wo ein Kastanienbaum in voller Pracht stehe. Und so fahren die drei an einem sonnendurchglühten Tag vom Bahnhof Zoo aufs Land:

Eine sandige, von der Sonne aufgeheizte Landstraße streckte sich unversöhnlich vor uns aus, soweit der Blick reichte, beiderseitig flankiert von gelben, verbrannten Stoppelfeldern, auf denen nicht einmal ein Löwenzahn gedeihen konnte. Kein Busch, geschweige denn ein Baum, hatte sich in diese öde Landschaft hineinverirrt, die sich, begrenzt von einem messerscharfen Horizont, in der glühenden Sonne ausbreitete. Die Straße sah aus, als würde sie direkt in den Hades führen, doch König flitzte vergnügt vor uns her (...). Leseprobe

Dass diese Erzählung "Ein Tag im Paradies" heißt, zeugt vom Humor der Verfasserin. Denn endlich in der Villa angekommen, erweist sich diese als Hütte aus ungehobelten Brettern, der Garten besteht aus sandiger Erde und am Kastanienbaum wächst nur ein Zweig mit hängenden Blättern. Zu trinken gibt es lauwarmes Wasser und ebensolchen Moselwein. Asta Nielsen erzählt von diesem Tag so treffsicher und lustig, man wäre einfach gern dabei gewesen. Ebenso auf den Punkt ist ihre Erzählung "La Bohème", in der sie filmreife Szenen der Geburtstagsfeier ihres Freundes Joachim Ringelnatz beschreibt:

Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, musste er beide Hände mit großer Kraft auf eine der losen Tischplatten stemmen, mit dem Ergebnis, dass der Tisch sich erhob wie eine Klappbrücke. Dabei fiel zunächst das Glas der Gastronomengattin um, der Inhalt ergoss sich über ihr weißes Kleid, sodass sie einer frisch geschlachteten Isolde sehr ähnlich sah. Sie war nicht leicht zu beruhigen, nahm sich aber großartig zusammen, um die Festrede nicht zu stören. Leseprobe

"Im Paradies": Ein Buch-Kunstwerk

Asta Nielsen war der erste weibliche Star des neuen Mediums Film, die Königin des Stummfilms. Ihr Privatleben war bemerkenswert selbstbestimmt, legendär die Anzahl ihrer Liebesbeziehungen und ihr Partyhunger. Nach dem Ende der Stummfilmära drehte sie nur noch einen Film und begann zu schreiben. Über 50 Geschichten veröffentlichte sie, darunter auch Einträge aus ihrem Hiddensee-Tagebuch. Auf der Insel besaß sie ein Haus, in dem sie viel Zeit verbrachte, beispielsweise mit Joachim Ringelnatz.

Kat Menschik, die Illustratorin und Gestalterin des schmalen Bändchens, hat ein Kunstwerk erschaffen. Der dreiseitige silberne Farbschnitt, das blaudominierte Cover, die liebe- und humorvollen Illustrationen, die so luftig sind, dass sie zu schweben scheinen. Da blühen Kastanienbäume, über Joachim Ringelnatz fliegt ein Fisch, Asta Nielsen feiert ausgelassen und ihre Tochter sitzt inmitten schönster Weihnachtsdeko. Mal sind die Zeichnungen gegenständlich, mal versponnen und fast magisch. Gestaltung und Inhalt gehen eine perfekte Symbiose ein. Schade, dass man Bücher nicht rahmen kann. Dieses hätte es verdient.

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