Zwischen Weimarer Republik und Drittem Reich
Volker Kutschers Bestseller um den Kölner Kommissar, den es in den 1930er-Jahren in die Reichshauptstadt verschlagen hat, gelten als die besten historischen Kriminalromane dieser Tage. Sechs Bände sind bisher erschienen. Nun kommt ein kleines illustriertes Büchlein obendrauf, das die Vorgeschichte erzählt.

Wir wissen, was aus der Weimarer Republik geworden ist. Kommissar Gereon Rath, der von Ernst Gennat, dem Leiter der Zentralen Mordinspektion in der Burg am Potsdamer Platz zu den Tatorten geschickt wird, er weiß es nicht.
"Schreiben lernt man durch Schreiben, definitiv", da ist sich der Autor sicher. Wenn Volker Kutscher recht hat, dann ist die jüngste Episode aus der Welt des aus Köln stammenden und im Berlin der 30er-Jahre ermittelnden Kommissars Gereon Rath die 'Sahnekirsche' seiner Bestseller. "Moabit" heißt der schmale Band, der liebevoll von Kat Menschik illustriert und ausgestattet worden ist.
Worte wie Trommelfeuer
Immer noch, obwohl du schon fast drei Jahre in Moabit einsitzt, wunderst du dich, wie laut sich die Schlüssel hier in den Schlössern drehn. Leseprobe
Auch wenn das Hörbuch die sinnliche Ausstattung des von Kat Menschik mit siebdruckartigen Porträts versehenen Bändchens nicht wiedergeben kann, die knackig klare Sprache Kutschers entfaltet sehr rasch ihren Charme: Worte wie Trommelfeuer. Keines ist zu viel. Ein Berufsverbrecher im inneren Monolog.
Wie laut die Stahltüren in die Schlossfallen schnappen, laut und rasselnd und scheppernd. Wie laut selbst die Stille hier ist, die Stille zwischen den Türen, zerhackt vom Klacken eurer Absätze auf dem harten Boden. Leseprobe
Das Selbstgespräch entlarvt den Panzerknacker und die Zeit, in der er lebt. Adolf Winkler, geboren 1886, Chef der Berolina. Sein Ringverein ist das mächtigste Kartell der Kriminellen in Berlin seit dem Ersten Weltkrieg. Stolz blickt der "Schränker" Adolf Winkler, seiner Macht bewusst, aus der Verbrecherkartei von Moabit - und da ist auch der "Schließer":
Ein Gefängnis hat etwas Bedrückendes, nicht nur für die Häftlinge. Auch auf mich, der ich die Haftanstalt Moabit Tag für Tag freiwillig betrete, wirkt der Backsteinbau einschüchternd. Drohend und düster. Eine eigene Welt. Ein Fremdkörper in der Stadt. Leseprobe
Die Geschichte spielt im Gefängnis von Moabit
Drei Stimmen erzählen die Geschichte. Der Schränker, der Schließer und die flügge Tochter des Gefängniswärters, Charlotte Ritter, die in dieser Geschichte Lotte gerufen wird, später wird Charly draus - das riecht nach Emanzipation.
Sie muss leise sein. Langsam dreht sie den Schlüssel in der Wohnungstür und öffnet sie, huscht hinein in den kleinen Flur, die Schuhe in der Hand. Aus dem Schlafzimmer der Eltern dringt leises Schnarchen. Alles wie immer. Sie will sich gar nicht vorstellen, was passierte, wenn es einmal nicht so ist. Wenn Mutter - oder noch schlimmer Vater - eines Nachts im Morgenmantel in der Küche sitzt und fragt, wo sie denn herkommt um diese Uhrzeit. Leseprobe
Der Berufsverbrecher mit Ganovenehre, der Oberaufseher von Moabit und die Abiturientin auf dem Weg in die Roaring Twenties - mit diesen Stimmen entfaltet sich das Bild der Weimarer Republik, die Welt der Panzer A.G. Berlin N 20, der Berolina und der Juno Zigaretten - dick und rund.
Stimmungsbild der Weimarer Republik
Kat Menschik ist die visuelle Co-Autorin in diesem kleinen feinen Band: "Ich habe natürlich versucht, die Werbung auch nicht ganz eins zu eins aufzunehmen, wie es die mal gab, sondern habe die alle ein bisschen modifiziert. Ich habe mir Sachen auch ausgedacht, die nur in der Ästhetik erscheinen, wie zum Beispiel eine Werbung für Rattengift, die gab es in der Form nicht.
Werbeanzeigen lehnen sich an den Text, dessen Sprachfärbung aus der Weimarer Republik zu stammen scheint. Ironisierte Inserate für Solinger Messer, die schon blutig sind, für "Eine Tasse Moka Efti", Engelhardt Biere, Aspirin und Berliner Kindl Flaschenbiere, aus deren Humpen kleine Buben lugen, vervollständigen das Kolorit.
Ein wunderschön gestalteter kleiner Band, dessen Sprache ebenso überzeugt wie die Ausstattung, mit der Vorgeschichte aus der Welt des Kommissars Gereon Rath, auf der Bruchstelle zwischen Weimarer Republik und Drittem Reich. Glücklich, wer die sechs Bände von Volker Kutscher noch vor sich hat.
Moabit
- Seitenzahl:
- 88 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Das Hörbuch mit der ungekürzten Lesung von Moabit durch Karoline Herfurth, David Nathan und Marc Hosemann, 2 CDs mit illustriertem Booklet, 124 Minuten, erschienen im Argon Verlag, kosten 19,95 Euro.
- Verlag:
- Galiani Berlin
- Bestellnummer:
- 978-3-86971-155-3
- Preis:
- 18,00 €
