Sigrid Damms Buch über "Goethe und Carl August"
Sigrid Damm ist mit vielen Preisen geehrt worden für ihre Bücher über Goethe und sein Umfeld in der Weimarer Klassik und seine Beziehungen zu Frauen.
Die Goethe-Kennerin schreibt in einem ganz sinnlich-direkten Stil, der auch durch ihre enorme Detailkenntnis die Atmosphäre der damaligen Zeit lebendig werden lässt, als könne man sozusagen live als Zaungast dieser illustren Gesellschaft dabei sein. Sie hat erkundet, wo sich alles abgespielt hat, sie kennt alle Wege, die man zu Fuß oder reitend genommen hat.
Eine ungleiche Beziehung
Napoleon war übrigens einer der Streitpunkte zwischen Goethe und Carl August. Carl August kämpfte gegen ihn und Goethe verehrte ihn als Genie. Überhaupt scheint nach der Lektüre von Sigrid Damms Studie über die Beziehung dieser beiden Männer der Begriff Freundschaft nicht wirklich treffend zu beschreiben, was sie verband. Ihre Beziehung war schwierig, disharmonisch und ja zudem nicht auf Augenhöhe, sondern eine Beziehung zwischen einem Dienstherrn und Mäzen und einem Künstler.
Es überrascht immer wieder in diese Zeitläufte eintauchend, wie kriegerisch es allerorten zuging, wer da gegen wen Krieg führen wollte, musste oder gerade führte. Was man einander schrieb, war diplomatisch höflich bis süßlich verlogen, aber gewissermaßen hintenherum, gegenüber anderen auch durchaus offenherzig kritisch. So schrieb Carl August 1812 über Goethes "Dichtung und Wahrheit":
Goethe ist augenblicklich in Jena; der zweite Band seiner Quasi-Lebensgeschichte ist erschienen; er enthält sehr interessante Dinge, feine für die Anatomie der Seele lehrreiche Beobachtungen; aber manchmal langweilig, zu fein gesponnen, um gerade aufs Ziel loszuführen; es sind zu viel große Worte darin, die ich gar nicht liebe, und sehr viel höchst langweilige Einzelheiten. Leseprobe
Goethe hat Probleme, mit dem Tod umzugehen
Als Carl August 1828 während einer Reise starb und die Nachricht im Hause Goethe eintraf, fand dort gerade ein sommerliches, geselliges Beisammensein statt. Goethe notierte am Abend in seinem Tagebuch: "Die Nachricht vom Tode des Herzogs störte das Fest."
Nun muss man wohl berücksichtigen, dass Goethe auf den Tod häufig verstörend reagiert hat. Als seine Frau Christiane starb, ließ er sie tagelang schändlich allein in ihrem Todeskampf, ohne Abschied. Vielleicht, um seine Seele vor schlimmen Erinnerungen zu schützen. Auf jeden Fall hat ihn der Tod des Herzogs mehr mitgenommen, als es nach dem Tagebucheintrag scheint. Er verließ, kurz nachdem er die Nachricht bekommen hatte, Weimar, um an einem entfernteren Ort seine Wunden heilen zu lassen und wieder zu arbeiten:
Die Rückkehr zur Arbeit ist das eine. Das andere die Erkenntnis, dass nach der "ungeheuren Lücke", die der Tod Carl Augusts in "sein Leben gerissen hat", ihm "vieljährig geprüfte Freunde übrig geblieben" sind. Dieser Satz steht in einem Brief an den Grafen Brühl, datiert auf den 23. Oktober. Am frühen Morgen hat er ihn wohl diktiert. Das Bewusstwerden der Existenz und Nähe der ihm verbliebenen Freunde, gesteht er Brühl, mache es ihm möglich, dass er "wieder einen Stieg in die Gefilde des Lebens hinüberschlagen" könne.
Hier ist das Verhältnis zwischen Goethe und Carl August natürlich nur dürftig umrissen. Genauer, klüger, kundiger ist das alles nachzulesen bei der vorzüglich, mit Lakonie, Präzision und Einfühlungsvermögen schreibenden Sigrid Damm.
Goethe und Carl August
- Seitenzahl:
- 493 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Insel bei Suhrkamp
- Bestellnummer:
- 978-3-458-17879-8
- Preis:
- 23,00 €
