Die Schriftstellerin Regula Venske © picture alliance / dpa Foto: Daniel Reinhardt
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AUDIO: Regula Venske will als PEN-Generalsekretärin zurücktreten (8 Min)

Regula Venske gibt Posten als PEN-Generalsekretärin auf

Stand: 20.11.2023 12:30 Uhr

Die Hamburger Schriftstellerin Regula Venske will als Generalsekretärin des internationalen PEN zurücktreten. Als Grund hat sie Äußerungen des Londoner PEN-Sekretariats kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel genannt.

Frau Venske, ich vermute, Sie haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Wie geht es Ihnen damit?

Regula Venske: Mir selber geht es gut, um mich persönlich müssen SIe sich keine Sorgen machen. Aber es ist natürlich sehr traurig mit Blick auf die Situation im Nahen Osten. Das stimmt, ich habe mir das nicht leicht gemacht. Schon am Abend des 10. Oktober, als ich das erste Statement des Internationalen PEN las, nach dem schrecklichen Massaker, das die Hamas angerichtet hatten, habe ich sofort den Impuls gehabt: Ich trete zurück. Dann habe ich aber noch gut einen Monat lang versucht, unsere Haltung zu diskutieren und zum anderen auch die internen Abläufe zu ändern, nämlich dahingehend, dass ich als Generalsekretärin die Statements, bevor sie rausgehen, erstmal auf meinem Schreibtisch habe. Das hat aber nicht funktioniert, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich so schnell nichts werde ändern können. Dafür ist mir das Thema zu ernst, um hier Kompromisse einzugehen.

Wie lautet denn dieses Statement? Und was hat Sie daran gestört?

Venske: Mich hat zum einen die Wortwahl gestört: Die Hamas wurden als "palästinensische Kämpfer" bezeichnet. "Freiheitskämpfer" stand nicht dabei, aber man assoziiert das dann. Es wurde von einer "unprecedented operation" geredet - ich würde das "Pogrom" nennen. "Operation" - dass ist Putin-Sprache; wir sind doch Schriftsteller, wir müssen doch nicht so eine bürokratische und euphemistische Sprache benutzen. Dann war die Rede davon, dass sie israelische "settlements" nahe der Grenze zum Gazastreifen angegriffen hätten. "Settlements" legt die Assoziationen nahe, dass es sich um illegale Siedlungen wie auf der Westbank handelt, aber das betrifft ja das israelische Kernland. Ich war zweimal mit der Bundeszentrale für politische Bildung zu Studienreisen in Israel und habe dort sehr viele verschiedene Seiten kennengelernt und studieren können. Wer sich ein bisschen auskennt, hat doch sofort begriffen, dass dieser Angriff - wie der 11. September in New York - ein historisches Datum ist, dass das auch ein Einschnitt in der Geschichte ist.

Es ist nicht selten so, wenn wir über den PEN berichten, dass es da auch immer wieder um Debatten, um Diskussionen, manchmal auch um Streit geht. Da kommen viele Menschen mit vielen streitbaren Haltungen zusammen. Ist es nicht auch das Wesen dieser Vereinigung, das dann diskutiert wird? Hätten Sie das nicht aushalten müssen und sagen müssen: Jetzt erst recht?

Venske: Ich wollte ja diskutieren, aber dazu braucht man auch andere, die mit einem diskutieren. Ich habe eine lange Analyse des Statements verfasst, ich habe im letzten Board-Meeting um eine Diskussion gebeten und das auch auf die Tagesordnung gesetzt. Letzte Woche gab es ein neuerliches Statement über die palästinensische Kämpfer-Ikone Ahed Tamimi, die wegen eines Instagram-Posts verhaftet worden ist. In diesem Post heißt es etwa: "Wir werden euer Blut trinken, wir werden eure Schädel essen." Ihre Mutter sagt, ihr Konto sei gehackt worden und das sei gar nicht von ihr selbst. Als ich dieses Statement wiederum las, ohne dass mir vorher mitgeteilt wurde, was eigentlich verabredet worden war, habe ich nochmal versucht, eine Diskussion zu führen: Unterstützen wir diese Frau auf der Basis, dass wir denken, ihr Konto sei gehackt worden und sie habe das nicht gesagt - etwas, was ich als Hassrede empfinden würde, mit starkem antisemitischen Impetus? Oder hat man so einen offenen Begriff über Meinungsfreiheit, dass man selbst solche Äußerungen unterstützen würde? Und diesen Versuch, eine Diskussion herzustellen, hat der Präsident abgewürgt. Da hatte ich das Gefühl, dass nicht mehr diskutiert werden will oder dass ich da störe.

Schon vor Jahren gab es mal eine andere Diskussion - damals noch in Präsenz -, wo mir gesagt wurde, ich könne nicht erwarten, dass man auf meine deutschen Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen würde. Da hatte ich eine abweichende Meinung und habe mit "Nein" gestimmt. Aber wenn hier gar nicht mehr diskutiert wird und ich das Gefühl habe, es gibt in dem Board - bis auf zwei Ausnahmen - nicht wirklich Verständnis für meine Argumente und der Präsident würgt es ab, dann hat es keinen Sinn, sich da weiter aufzuhalten.

Wie geht es jetzt weiter für den Internationalen PEN, aber auch für sie selbst?

Venske: Ich war seit dem 7. Oktober in einer Schockstarre und durch diese Statements am 10. Oktober zutiefst deprimiert. Deshalb ist es für mich persönlich eine Befreiung aus dieser Deprimiertheit heraus, weil ich jetzt neu gucken kann, wo ich mich für Menschenrechte, Frieden und Völkerverständigung engagiere. Wie es für PEN International weitergeht, das müssen jetzt andere entscheiden, das ist nicht mehr mein Zuständigkeitsbereich. Es gibt eine Law and Governance-Gruppe, die Satzung soll überarbeitet werden, weil es auch interne Prozesse betrifft - und da stehe ich gerne weiter beratend als Gast zur Verfügung. Aber ich möchte nicht mehr die Verantwortung tragen, denn wir sind als Board-Mitglieder juristisch und finanziell nach britischem Charity-Law verantwortlich für diese Organisation. Und dann gibt es auch noch eine moralische Verantwortung, und da kann ich dies nicht mittragen.

Das Gespräch führte Jan Wiedemann.

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Dieses Thema im Programm:

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