Amüsant und hintergründig: Matt Ruffs neues Buch "88 Namen"
Bereits im Alter von fünf Jahren wollte Matt Ruff angeblich schon Schriftsteller werden. Jetzt ist ein neuer Roman erschienen: "88 Namen".
Mit 23 Jahren schrieb der New Yorker, der heute in Seattle lebt, sein erstes Buch. "Fool on the Hill" hieß der Roman, der seinen Ruf als Kultautor begründete. Immer wieder mischt er die Genres Science Fiction, Spionage- und Politthriller. Sein letztes Buch "Lovecraft Country" über den Rassismus in den USA diente als Vorlage für eine mehrteilige TV-Serie. Sein neuer Roman "88 Namen" spielt in nicht allzu ferner Zukunft zwischen Realität und den virtuellen Welten eines Computerspiels.
"88 Namen": Aus der Welt der Computerspiele
Der Protagonist John Chu ist ein 21-jähriger chinesisch-stämmiger Amerikaner, der jede Minute seines Tages online verbringt. Er verdient sein Geld als sogenannter Sherpa, der seine Kunden im virtuellen Kampf durch den gefährlichen Dschungel der Online-Rollenspiele begleitet. Als Fremdenführer steht John ihnen gegen Monster und feuerspeiende Riesenschildkröten bei.
Nach weiteren 40 Minuten erreichen wir den zweiten Boss: einen grünen Drachen namens Anastasia. Wir bleiben vor der Höhle stehen, damit ich Brad den Kampfablauf erklären kann. Es gibt drei Phasen. In der ersten beißt sie und versucht, dich in ihre Klauen zu bekommen. In der zweiten spuckt sie Säure. Und in der dritten Phase schlägt sie mit den Flügeln und verursacht so Tornados. Leseprobe
John Chu: Eine Kindheit in der Welt der Computerspiele
Matt Ruff schickt seine Leser auf eine Odyssee durch eine virtuelle Geisterbahn. Doch dann erzählt er auch die Familiengeschichte von John Chu, von seiner Mutter, die bei einem amerikanischen Geheimdienst arbeitet und sich wenig um ihn gekümmert hat, so dass John schon als Kind die Zeit im Internet verbrachte. Im Leben von John Chu verschwimmen die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt. Seine Freundin Darla lernt er zunächst im Computerspiel kennen. Er verguckt sich sofort in den weiblichen Ork mit den spitzen Fangzähnen.
"Du hättest bestimmt gern ein Selfie von mir, du Molch." Diesmal war ihr Lächeln selbstsicher. Sie wusste, dass ich sie gut fand. Und sie liebte es. "Vielleicht wirst du enttäuscht, wenn du mehr über mich herausfindest. Ich könnte genauso gut ein Kerl sein. Ein fetter widerlicher Kerl in ranziger Unterhose." Leseprobe
Matt Ruffs Liebesgeschichte endet unglücklich
In der Realität findet die Liebesgeschichte von John und Darla ein schnelles Ende. Nach einer unglücklichen Trennung sinnt Darla auf Rache. Die verübt sie in der Computerspiel-Welt. Als martialische Kriegerin sabotiert sie seine Aufritte als Sherpa. Dann bekommt John Chu das höchst lukrative Angebot eines mysteriösen Mr. Jones. Handelt es sich dabei in Wahrheit um den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un, der die virtuelle Welt studieren möchte, um sie für seine politischen Zwecke einzusetzen? Matt Ruff spielt mit falschen Identitäten. Virtuos springt er zwischen Realität und digitaler Fantasiewelt hin und her. Zwischendurch sind immer wieder die Stichwortartikel fiktiver Lexika eingestreut, etwa unter Einträgen wie "Kulturschock" oder "Opium fürs Volk".
Sichert den Status Quo, in dem der Drang nach politischer oder sozialer Veränderung aufgehoben wird. Moderne Kandidaten sind Twitter, American Football, Marihuana und Virtual Reality. Leseprobe
Diese Lexikonartikel lesen sich wie satirische Kommentare zu den Auswüchsen des Internets, zu Fake-News, Twitter-Wahn und dem Stalking in den sozialen Netzwerken. Im nächsten Moment jongliert Matt Ruff dann wieder mit witzigen Verweisen auf klassische Marvel-Comics und das Fantasy-Kino. Das ist herrlich skurril, amüsant und auch hintergründig. Ein rasanter Trip durch die schaurig schöne neue Welt unseres digitalen Zeitalters.
88 Namen
- Seitenzahl:
- 336 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Fischer Verlage
- Bestellnummer:
- 978-3-596-70093-6
- Preis:
- 16,99 €
