Laurent Binets Alternativgeschichtsroman "Eroberung"
Als Kind hat der Schriftsteller Laurent Binet regelmäßig Heldencomics gelesen und wurde konfrontiert mit Alternativgeschichten innerhalb einer fiktionalen Welt.
Laurent Binet hat die Indios, die Opfer der Konquistadoren, literarisch gerächt. Der französische Autor hat nämlich eine Alternativgeschichte geschrieben, in der Kolumbus scheitert, aber die Inkas Europa erobern.
Eine Was-wäre-wenn-Geschichte über die Eroberung Amerikas
"Die Niederlage von Christoph Kolumbus zu schreiben, hat mir großen Spaß gemacht", erzählt der Autor. "Das Prinzip einer Alternativgeschichte besteht darin, dass man an die Geschichte Hand anlegt, indem man einen sogenannten Kippmoment verändert."
Der entscheidende Kippmoment im sehr schön von Kristian Wachinger übersetzten Roman "Eroberung": Binet lässt darin die Wikinger, die tatsächlich Nordamerika entdeckt haben, auch noch bis nach Südamerika vordringen.
Sie bringen den Indios Eisen, Pferde und Krankheitserreger, die letztlich ihr Immunsystem stärken. Als im Roman Kolumbus fünfhundert Jahre später in der Karibik auf Indios trifft, haben sie schon Pferde, sind kampferprobt mit ihren Eisenwaffen und immun gegen die Pockenviren der Europäer.
Kolumbus verliert im Roman alle seine Männer, bleibt als ein gebrochener Mann in der Karibik zurück und notiert das alles in sein Tagebuch - Binets listiges Parodie des realen Bordbuchs.
Kolonialisierung einmal anders herum
Ein paar Jahrzehnte später, im 16. Jahrhundert, segelt der Inkaherrscher Atahualpa mit nur 200 Mann nach Europa, wird durch strategisches Geschick nicht nur König von Spanien, sondern auch noch Kaiser des Heiligen Römischen Reichs.
Fragt sich, ob wir, wenn es so gekommen wäre, heute in einer besseren Welt leben würden. "Ich habe keine Ahnung", meint der Autor. "Sicher ist aber, dass wir eine andere Welt hätten. Die große Veränderung wäre wohl das Wirtschaftssystem. Die Inkas hatten nämlich eine absolute Planwirtschaft und nicht einmal Münzen. Wäre das nun eine bessere oder schlechtere Welt gewesen? Es wäre jedenfalls besser für den Klimawandel gewesen."
Binets Humor und seine gewitzten Einfälle machen "Eroberung" zu einem wunderbaren Lesevergnügen. Allein, das Europa des 16. Jahrhunderts mit den Augen eines Inkaherrschers zu sehen, für den Schafe "kleine weiße Lamas" sind, ist eine großer Spaß.
Feuerwerk aus Alternativgeschichten und -geschichte
Der Kaufmann und Bankier Anton Fugger leiht Atahualpa für dessen Eroberungspläne Geld, macht allerdings zu einer Bedingung, dass Martin Luther getötet werden müsse, weil der das Geschäft mit dem Ablasshandel zerstöre, weshalb die Kirche Fugger ihre Schulden nicht zurückzahlen könne. Bevor Luther stirbt, muss er noch mit ansehen, wie seine 95 Thesen durch die "95 Sonnenthesen" ersetzt werden.
Mit seinem Roman "Eroberung" hat Laurent Binet Literatur - von den isländischen Sagas bis zu "Don Quijote" - und Geschichte souverän umgeschrieben. Das Ergebnis ist ein äußerst amüsantes Feuerwerk aus Alternativgeschichten und Alternativgeschichte. Auch wenn Laurent Binet damit die Kolonialisierung der Indios natürlich nicht rückgängig machen kann.
Er sagt: "Aber gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass es keine Fatalität der Geschichte gibt. Manchmal braucht es nicht viel, damit die Geschichte anders verläuft. Solange die Geschichte nicht geschehen ist, können wir sie noch verändern."
Eroberung
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-498-00186-5
- Preis:
- 24,00 €
