"Kleiner Nick"-Zeichner Jean-Jacques Sempé gestorben
Nur ein paar Striche - und schon schien die Figur fertig zu sein. Der kleine Nick ist die wohl berühmteste von Jean-Jacques Sempé. Jetzt ist der große französische Zeichner gestorben, kurz vor seinem 90. Geburtstag.
Die Figur des kleinen, im Frankreich der 1950er Jahre lebenden Jungen Nick erfanden Sempé und "Asterix"-Autor René Goscinny. Die erste Geschichte erschien am 29. März 1959 in der Regionalzeitung "Sud-Ouest Dimanche". Binnen sechs Jahren wurden mehr als 200 Episoden um Nick, seinen immer hungrigen Freund Otto, den bebrillten Streber Adalbert und den prügelbereiten Franz veröffentlicht. Sie erschienen später als Bücher und wurden in 30 Sprachen übersetzt. 15 Millionen Exemplare wurden in 45 Ländern verkauft, sie wurden verfilmt und als Zeichentrickserie adaptiert.
Sempé selbst sagte 2018 über die Reihe, sie sei für ihn "ein Weg gewesen, das Elend, das ich in meiner Kindheit erlebt habe, wieder aufleben zu lassen und gleichzeitig sicherzustellen, dass alles gut ausgeht".
Frankreichs Staatspräsident trauert um Sempé
"Die zarte Ironie, die Feinheit der Intelligenz, der Jazz: Wir werden Jean-Jacques Sempé nicht vergessen können", schreibt Emmanuel Macron auf Instagram. "Sein Blick und sein Stift werden uns schmerzlich fehlen." Sempés Werk sei stets von Leichtigkeit geprägt gewesen, gleichzeitig sei dem Blick des Zeichners "nichts entgangen".
Schwere Kindheit für Sempé
Er war 1932 als uneheliches Kind im Dorf Pessac nahe Bordeaux geboren worden. Er wuchs zunächst in einer gewalttätigen Pflegefamilie auf, bis seine Mutter ihn zurückholte - und ihn so der Gewalt seines Stiefvaters aussetzte.
Sempé wollte eigentlich Jazz-Pianist werden und verließ die Schule im Alter von 14 Jahren, um zum Militär zu gehen. Der soldatische Drill taugte ihm aber ebenso wenig: Sempé begann, Zeichnungen an Pariser Zeitungen zu verkaufen. Während der Tätigkeit für eine Nachrichtenagentur freundete er sich mit Goscinny an - und legte so den Grundstein für den späteren Welterfolg mit dem "Kleinen Nick".
Durchbruch für Sempé beim US-Magazin "New Yorker"
In den ersten Jahren interessierte sich allerdings kaum jemand für die Zeichnungen des kleinen Jungen. Sempé hielt sich mit Zeichnungen für Zeitungen finanziell über Wasser, es seien "schreckliche" Jahre gewesen, sagte Sempé später. Ein solides Einkommen bescherte Sempé erst seine Tätigkeit bei dem US-Magazin "New Yorker", das ihn 1978 anstellte.
"Ich war fast 50 und zum ersten Mal in meinem Leben existierte ich", sagte Sempé später über diesen Wendepunkt in seinem Leben. Sempé illustrierte in den Folgejahren so viele Titelseiten des für seine künstlerisch hochwertigen Cover bekannten "New Yorker" wie kein anderer Künstler.
Kunst- und Literaturwelt trauert um Sempé
Viele Künstlerkollegen*innen zeigen sich vom Tod des Zeichners betroffen und reagieren auf ihren Instagram-Kanälen. So postet der Illustrator Christoph Niemann, der selbst für den "New Yorker" arbeitet, eine verlassene Häuserschlucht in seiner Story.
Für den Schweizer Diogenes Verlag, der Sempés Werke auf Deutsch herausbrachte, würdigte Autor Patrick Süskind den Zeichner. "Bilder, in denen sich die reine Lebensfreude spiegelt, herrliche Gemälde des Schwelgens in Stille, Sinnenlust und Pracht. Die weite Leere der Provinz, der sommerliche Wahnsinn an der Côte d'Azur, das Dorffest irgendwo im Süden – all das ist bei Sempé nicht nur zu sehen, sondern beinahe zu erleben, so sehr gelingt es ihm, uns in seine Bilder hineinzuziehen", schrieb Süskind, der mehrmals mit dem französischen Zeichner zusammengearbeitet hatte.