"Hannahs Gefühl für Glück": Wintermärchen von Fran Kimmel
In der kleinen kanadischen Stadt Lacombe, in der Provinz Alberta, herrscht jetzt tiefer Winter. Es ist stürmisch, es liegt Schnee und es ist sehr kalt.
An einem klirrend kalten Tag ist der ehemalige Polizist Eric unterwegs, um in der Stadt etwas zu besorgen. Am Straßenrand läuft ein Mädchen, das viel zu dünn angezogen ist. Also hält Eric neben ihr und bietet an, sie in seinem Auto nach Hause zu fahren. Er bringt sie in das Haus eines Mannes, an den er üble Erinnerungen hat.
Flucht vor dem gewalttätigen Vater
Als Ex-Polizist hat er zu viel Schreckliches erlebt, um sich jetzt nicht heftige Sorgen zu machen um dieses 12-jährige Mädchen. Er kehrt wenige Stunden später dorthin, wo er sie abgesetzt hat, zurück und findet Hannah mit blaugeschwollenem Gesicht vor. Eric schlägt ihren Peiniger nieder und nimmt sie mit zu sich nach Hause.
Aber - das haben wir parallel inzwischen schon erfahren - seine eigene Familie ist auch in keiner guten Verfassung. Lauter versehrte Seelen, die es schwer haben mit jedem einzelnen Tag, den sie in Angriff nehmen müssen. Vor nicht allzu langer Zeit sind Eric und Ellie mit ihren beiden Söhnen in das Elternhaus von Eric gezogen. Früher war es das vor Ordnung und Sauberkeit funkelnde Reich der Mutter und Schwiegermutter. Myrtle, eine in allen Belangen vorbildlich funktionierende Frau.
Mrytle sah Untätigkeit als ein Zeichen von Schwäche, als ausgemachten Weg zur Hölle und eine schlimmere Sünde als Stehlen. Leseprobe
Das Mädchen scheint nicht wirklich willkommen zu sein
Ellie durfte sich bei ihr immer willkommen fühlen und erinnert sich, wie schön es war, wenn sie mit ihrem an Zwangsstörungen leidenden jüngeren Sohn, mit Eric und Danny hier Ferien verbracht und Weihnachten gefeiert haben. Darum hatte sie ihren Mann nach Myrtles Tod überredet, aufs Land zu ziehen.
Doch ohne die tüchtige Myrtle muss die depressive, an tiefen Erschöpfungszuständen und Trauer leidende Ellie ja alles selbst machen. Sie fühlt sich überfordert. Als Eric mit Hannah nach Hause kommt und sagt, sie habe kein Zuhause und würde nun mit ihnen Weihnachten feiern, ist Ellie gekränkt und verzweifelt. Sie schafft es nicht, freundlich zu Hannah zu sein und der schweigsame Eric hat kaum eine Sprache, um zu vermitteln.
Seit er wieder hier wohnte, fühlte er sich, als lebte er in einem Museum seiner Eltern, mit einem noch als Gespenst anwesenden Vater und einer toten Mutter. Er hatte Ellie nie eingestanden, dass er den Mann und dieses Haus hasste. Leseprobe
Hannah kommt ich eine seelisch beschädigte Familie
Der Mann - das ist sein Vater, der seit dem Tod seiner Frau dement ist und mit im Haus wohnt. Er fordert ebenfalls viel Aufmerksamkeit und Pflege. Früher, als Eric selbst ein Kind war, hat er getrunken und die Kindheit seines Sohnes mit Trinkexzessen verdüstert. Aber nun ist Hannah da, in dieser Familie, die es kaum schafft, mit den eigenen Schwierigkeiten fertig zu werden. Eine kleine, seelisch beschädigte Gruppe.
Aber es wäre ja keine richtige Weihnachtsgeschichte, wenn es nicht einen fragilen, aber doch schönen Schluss gäbe. Durch die Anwesenheit von Hannah, die sich bemüht, alles richtig zu machen, damit sie nicht weggeschickt wird, verändert sich die Familie. Jedes Familienmitglied auf seine Weise. Wirklich leicht werden sie es auch in Zukunft nicht miteinander haben, diese hochempfindsamen, leicht zu kränkenden, verstörten Menschen, aber besser. Es weihnachtet.
Denn: "Merkwürdig, wie das Leben immer weiterging. Trotz Dummheit und Bösartigkeit, trotz Sorgen und Schuldgefühlen."
Hannahs Gefühl für Glück
- Seitenzahl:
- 352 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-26241-5
- Preis:
- 15,90 €
