Hamburger Sturmflut-Krimi von Robert Brack: "Dammbruch"
Der Tatort von Autor Ronald Gutberlet ist seit Jahrzehnten Hamburg. Ob als Robert Brack oder als Virginia Doyle - so ein weiteres Pseudonym des Schriftstellers.
Der studierte Soziologe siedelt seine Kriminalromane immer wieder in seiner Wahlheimat an - und meistens in deren Vergangenheit. Sein jüngster Roman "Dammbruch" ist in der Krimibestenliste im Dezember von sechs auf drei aufgestiegen.
Wenn alle Dämme brechen
Mitte Februar 1962, Schietwetter in Hamburg. Es regnet entlang der Elbe. Es stürmt. Ohrenbetäubend.
Aber das Rauschen kam nicht vom Wind, der durch die Bäume am Kanalufer fegte. Nein, das Rauschen hing in der Luft. Überall. Seit Tagen schon. Es war allgegenwärtig und wollte nicht aufhören. Ihrem Gefühl nach lag es über der ganzen Stadt, über dem ganzen Land, über der ganzen Welt. Vom Wind gemacht, der unsichtbare Saiten in der Luft zum Klingen brachte und eine tosende Musik erzeugte. Eine Sturmsinfonie. Nicht gerade harmonisch, aber bombastisch. Ein vielstimmiges dröhnendes Brausen. Leseprobe
Das ist erst die Ouvertüre. Da ist Betty, die junge "Frau aus dem Osten", die in Wilhelmsburg in einer "Bude" lebt, einer einfachen Behelfsunterkunft für Aussiedler in einer Schrebergartenkolonie. Das Leben hat es bislang nicht gut mit ihr gemeint. Sie wirkt schwer traumatisiert.
Ein paar Kilometer weiter, auf der anderen Seite der Elbe, ist Rinke, Lucius Rinke, genannt Lou. Ein Panzerknacker, gerade aus dem Knast entlassen und nun auf dem Kiez unterwegs, um seinen letzten großen Coup vorzubereiten. Danach will er weg. In die Karibik, nach Kuba. Da sei das Wetter besser und die Politik auch, findet Rinke.
Ein schlichtes Mosaik aus Versatzstücken
So weit, so klassisch: nullachtfuffzehn. Natürlich gibt auf St. Pauli ein Lude die Instruktionen für den "Einsatz" vor, wie Rinke sein Panzerknacken nennt. Natürlich ist - um der Komik willen - Lous Handlanger Piet ein echter Tollpatsch. Fehlen eigentlich nur noch zwei waschechte Wachtmeister im Peterwagen, voilà, Polizeiobermeister Mattei und Polizeimeister Danner. Spätestens da ist der Punkt erreicht, an dem man sich fragt, wie es ein so altbackener und stereotyper Krimi wie "Dammbruch" auf Platz 3 der Krimibestenlisten schaffen konnte. Aber Achtung: In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 brechen alle Dämme.
Der Orkan, eben noch eine "Wetterlage" und eine "ungewöhnliche Situation", hatte sich, angetrieben von einem Sturmtief, dem irgendein Meteorologe den Spitznahmen "Vincinette", die Siegreiche, gegeben hatte, in ein mörderisches Monster verwandelt, das alles unter sich begrub und zerstörte, was ihm in die Quere kam. Leseprobe
Ein Jahrhundertsturm in einem stürmischen Jahrhundert
Während der Orkan von Nordwest immer mehr Wasser ins Landesinnere drückt, scheint es, als drücke auch die seinerzeit nicht einmal 20 Jahre zurückliegende Vergangenheit mit aller Gewalt gegen die vor der Erinnerung an die deutsche Geschichte notdürftig errichteten Schutzdämme. Doch die bricht wie die Flut in Wilhelmsburg ein. Die vom Rande der Gesellschaft, die schöne Betty und der Schurke Rinke, sitzen am Ende - im wahrsten Wortsinn - in einem Boot. Der Überlebenskampf geht weiter.
Der Krieg hört nie auf, dachte Betty. So ist das eben. Natur gegen Mensch, Mensch gegen Natur, Mensch gegen Mensch. Leseprobe
Heute - 75 Jahre nach Ende der Nazidiktatur und fast 60 Jahre nach der Hamburger Sturmflut - wissen wir, was damals geschah. Robert Brack lässt das in seinem "Sturmflutthriller" mit einer Zwangsläufigkeit auf uns zurollen und über uns zusammenbrechen, dass die vermeintlich friedliche Ruhe nach dem Sturm beinah genauso unerträglich wird wie der Sturm selbst. Sehr klassisch, aber klasse!
Dammbruch
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Ellert & Richter
- Bestellnummer:
- 978-3-8319-0775-5
- Preis:
- 12,00 €
