Kent Harufs Porträt einer Kleinstadt: "Ein Sohn der Stadt"
Kent Harufs Romane spielen alle in der fiktiven Kleinstadt Holt - in der Prärie Colorados. In "Ein Sohn der Stadt" tyrannisiert Jack Burdette die Kleinstadt und stürzt seine Freunde ins Unglück.
Der Autor war 1999 mit seinem Buch "Plainsong" für den National Book Award nominiert. Er starb 2014.
Am Ende kehrte Jack Burdette doch wieder nach Holt zurück. Keiner von uns hatte mehr damit gerechnet. Er war acht Jahre fort gewesen und in dieser Zeit hatte niemand in Holt etwas von ihm gehört. Leseprobe
Sohn eines cholerischen Vaters und einer schwachen Mutter
Man kann den 1990 in den USA erschienenen Roman auch als bedrückende Parabel lesen. Dieser Sohn der fiktiven Kleinstadt Holt - in der alle Roman von Kent Haruf spielen - wird als einziges Kind einer stillen frommen Frau geboren, die in ihrer sprachlosen Ehe immer noch den Bubikopf träg, der in ihrer Jugend modisch gewesen ist und sich ihrem cholerischen Ehemann fügt.
Er arbeitete in Nexleys Holzlager in der Main Street, nicht weit von den Eisenbahngleisen entfernt und auch er war ein großer Mann - wie Jack es war oder jedenfalls werden würde - mit einer beachtlichen Wampe, einer tief dröhnenden Stimme, die sich anhörte wie das Brüllen eines Stiers und entsprechend unangemessen war. Trotzdem war er vermutlich ein umgänglicher Mensch. Das jedenfalls fanden die Leute in Holt. Leseprobe
Jack Burdette terrorisiert seine Mitmenschen
Womit die Fronten zwischen dem Wolf und den Schafen in der Kleinstadt angerissen sind. Jack Burdette scharrt Mitläufer um sich. Schon die Lehrer in der Grundschule haben Angst vor ihm. Um ihn loszuwerden wird der Sitzenbleiber fortan versetzt.
So war er uns wenigstens körperlich mehr als nur ein Jahr voraus, ein voll ausgewachsener Mann unter Kindern, ein Koloss unter Pygmäen. Leseprobe
In unprätentiöser Sprache, mit präzisen Bildern skizziert Haruf die Stationen des Rüpels, der bald die ganze Stadt terrorisiert. Dass diese Sportskanone mit seinen jämmerlichen schulischen Leistungen die Prüfungen in der Highschool besteht, das hängt mit Wanda Jo Evans zusammen.
Wanda Jo Evans war in ihn verknallt. Ich glaube, sie liebte ihn noch mehr als sich selbst, falls das überhaupt möglich war. Leseprobe
Niemand weist Burdette in seine Schranken
Mit dem Tod seines Vaters, der im Suff singend von der einzigen Eisenbahn von Holt überfahren wird, fällt das letzte potentielle Korrektiv von Jack. Er wird aufsässiger und grübelt viel und nach zwei Monaten zieht er von zuhause aus.
Seine neue Bleibe ist eine heruntergekommenen Absteige, in der er achtzehnjährig Wanda Jo Evans und die ihn anhimmelnden Mitschülern zu Pokerrunden mit Sixpacks empfing. Sheriff Beckham ist der Einzige, der sich ihren wöchentlichen Randalen entgegenstellt - aber nur ein Mal.
Rasanter Aufstieg in der Kleinstadt Holt
Es ist atemberaubend, wie der Kent Haruf den Aufstieg von Jack Burdette beschreibt, der die Farmer dieser Kleinstadt ihrer Ersparnisse beraubt, wie er ganz nah an den Protagonisten und doch lakonisch das Leben seiner Opfer skizziert und damit die opportunistische Struktur der Bürger von Holt.
"Ein Sohn der Stadt“ ist die Geschichte eines Menschen, der seine Umgebung sein Leben lang tyrannisiert, seine Frau mit dem Leben ihrer Tochter für seine Verbrechen zahlen lässt und seine Freunde ins Unglück stürzt.
Es gibt keine Gerechtigkeit in diesem Roman über den amerikanischen MIttelwesten, doch die Art, wie Kent Haruf uns das erzählt, ist große Kunst und macht sein Ableben - auch heute noch - so bitter.
Ein Sohn der Stadt
- Seitenzahl:
- 288 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Diogenes
- Bestellnummer:
- 978-3257071726
- Preis:
- 24,00 €
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