Zweiter Teil von Christian Berkels Familiengeschichte: "Ada"
Christian Berkel ist einer der erfolgreichsten Schauspieler in Deutschland. Im Fernsehen als "Der Kriminalist" im Vorabendprogramm oder auch im Kino. Christian Berkel schreibt aber auch.
In "Der Apfelbaum" hat er die wahre Geschichte seiner jüdischen Großmutter und jüdischen Mutter erzählt. Eine Geschichte, die er nun in "Ada" fortsetzt. Diesmal kehrt die Mutter, zusammen mit Tochter Ada, nach dem Krieg ins zerstörte Berlin zurück.
Die neue Heimat wirkt fremd und hart
Deutschland ist nicht Argentinien. Das merken Ada und ihre Mutter sofort bei ihrer Ankunft im Hamburger Hafen, zu Beginn der 50er-Jahre. In Südamerika waren sie im Exil, nun kommen sie zurück. Adas Mutter ist Jüdin und war vor den Nazis geflohen. In Deutschland herrscht eine ganz andere Mentalität als in Argentinien. Die Menschen scheinen härter zu sein.
Als Erstes bekam ich von einem Matrosen eine Ohrfeige verpasst, weil ich unerlaubt auf die Landungsbrücke gesprungen war. Mit diesem Klatschen endete meine Kindheit. Alles war verboten in diesem neuen Land, das über Nacht wieder zu meiner Heimat werden sollte. Leseprobe
Christian Berkel beschreibt Deutschland als verschwiegenes Land. Über das "Dritte Reich" wird nicht gesprochen. "Wer ist Hitler?" fragt Ada ihre Mutter eines Tages verwundert. Die Mutter findet in Berlin ihren Mann wieder. Der war im Krieg Wehrmachtsarzt. Wie "Der Apfelbaum" erzählt auch "Ada" von Christian Berkels wahrer, ungewöhnlicher Familiengeschichte. Mehr oder weniger.
Mischung aus Fiktion und wahrer Geschichte
"Es ist viel Fiktion im Buch", sagt Berkel. "Ich wusste zwar die ganzen Stationen, die stimmen auch alle, ich wusste wer wann wo war. Aber was dort passiert ist im Einzelnen, das wusste ich nicht, das ist alles fiktional. Bei der Hauptfigur Ada kommen ganz viele Dinge zusammen."
Aus der echten Geschichte hat Christian Berkel einen wunderbaren fiktionalen Roman gemacht. Ziemlich flott wird erzählt, wie Ada in Berlin zurechtkommt. Das ist immer unterhaltsam, oft richtig witzig. Ada wächst auf, beginnt, wie so viele, Fragen zu stellen. Sie rebelliert und zieht in eine Hippiekommune. Die ist aber gar nicht so offen, wie sie sich gibt, eher fast spießig. Ada erinnert das an ihre alten Leute zuhause, ihre Familie. Sie muss lachen...
...bei der Vorstellung, Wolfgang, Achim und Anneliese, Schorsch, die Buschatzkis und Pfarrer Krajewski würden demnächst bei uns zu Hause halb nackt um den Wohnzimmertisch versammelt hocken, einen Joint kreisen lassen und über den Freiheitsbegriff bei Kant diskutieren, während im Hintergrund ein Plattenarm über eine alte Aufnahme von Beethovens Neunter mit den Berliner Philharmonikern kratzen würde. Leseprobe
Adas Leben verläuft ziellos
So richtig glücklich wird Ada trotz aller Rebellion nicht. Ihr Leben verläuft sich. Wenn man das liest, ist es ein bisschen unbefriedigend, denn Adas Reise scheint nicht auf ein konkretes Ziel hinauszulaufen. Sie scheint tatsächlich am Leben zu scheitern.
Es nur so zu sehen, wäre aber unfair, sagt Christian Berkel: "Ich fand es in den 80er- und 90er-Jahren schwierig, dass man diese Generation als gescheitert beschrieben hat. Das ist nicht ganz richtig. Die 68er haben eine ganze Menge bewegt. Diese Generation hat viel an den Universitäten verändert, sie hat viel politisch verändert. Es gab dann in den 70er-Jahren natürlich die große Ernüchterung."
Kritischer Blick auf die Nachkriegsgesellschaft
Am Ende bleibt die Revolution auch in "Ada" aus. Der Wohlstand lässt vergessen, was gewesen ist, ob Ada das gefällt oder nicht. Ein neuer Mercedes ist das Symbol für das Schweigen.
Während sich die Frauen in bewundernder Distanz am Gartenzaun anderen Themen widmeten, stürzten die Männer aufgeregt auf die Straße. Sie starrten so ergriffen, als verkörperte dieser schwarze Blechsarg ihren Sieg über die Vergangenheit. Jedenfalls schien es ein heiliger Moment zu sein, denn selbst der Herr Pfarrer bekreuzigte sich. Leseprobe
Vielleicht ist es eine besonders kritische Perspektive, mit der Christian Berkel auf die Nachkriegsgesellschaft blickt. Es gibt aber auch Momente der Einsicht und Ehrlichkeit in seinen Figuren. "Ada" wird so zu einem vielschichtigen Buch, das einen mit der Last der deutschen Geschichte auch nicht erdrückt. Zum Glück schreibt Christian Berkel bereits am nächsten Band seiner Familiensaga.
Ada
- Seitenzahl:
- 400 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Ullstein
- Bestellnummer:
- 978-3-84372-337-4
- Preis:
- 24,00 €
