Stand: 12.06.2020 09:26 Uhr

Banksy: Street-Art mit Witz und Anspruch

von Benedikt Scheper

Er gilt als das große Mysterium der Kunstwelt - Banksy. Immer wieder sorgt der britische Street-Art-Künstler für Furore mit seinen Schablonengraffiti. Meist sozialkritisch, manchmal auch einfach amüsant, karikiert er die Gesellschaft. Dabei ist es ihm gelungen, bis zum heutigen Tag anonym zu bleiben.

Wer ist Banksy? Niemand weiß es genau. Ein neuer Bildband kann bei der Aufklärung der Identität auch nicht helfen - aber er zeigt seine wichtigsten Werke.

Ratten - überall laufen sie - und sorgen als Graffiti an Wänden rund um den Globus für Freude, Furore und jede Menge Fotos von Kunstfreunden. So klettern Banksys schattenschnittartige Ratten an den Zahlenschlossrädern eines Tresors entlang oder fliegen auf einem Champagner-Korken aus einer Flasche. Subtiler Protest mit viel Spaß an bildlicher Ironie - das Wesensmerkmal vieler Banksy-Bilder. 

Reaktionen auf aktuelle Ereignisse

Sozialkritisch kommentiert der mutmaßlich britische Untergrundkünstler gesellschaftliche Entwicklungen. Dabei ist nicht immer er selbst Urheber der Kunst. Als im Jahr 2000 Anarchisten in London gegen Kapitalismus demonstrierten, riss einer von ihnen Gras vom Rasen und legte den pflanzlichen Irokesen-Schnitt auf das Haupt einer Winston-Churchill-Büste.

Banksy empfand das als "verblüffenden Akt von kreativem Vandalismus, das perfekte Logo für diese Öko-Punk-Bewegung." So diente die Aktion als Vorlage für eines seiner heute berühmtesten Bilder. Der schwarz-weiße Siebdruck vom grimmigen Premier mit grüner Kammfrisur - ein simple und doch deutliche Protest-Note des Künstlers.

Bilder zwischen Pop-Art und Graffiti

Zahlreiche seiner Graffiti erweisen Heroen der Pop-Art Reverenz. So führen Banksys zweidimensionale Gestalten immer wieder Hunde der Kunstgeschichte an der Leine: Mal hält ein US-Polizist ein luftballongeformtes Tier in grellem Pink à la Jeff Koons fest, allerdings mit Maulkorb. Mal bellt ein eckiges Wesen im Stil Keith Harings, jedoch an der Kette eines vermummten Demonstranten. Mal unterziehen Sicherheitskräfte eine Jean-Michel-Basquiat-Figur einer Leibesvisitation. Daneben knurrt ein Hund im neoexpressionistischen Duktus Basquiats - und das an einer Wand des weltberühmten Museums Barbican.

Der Afroamerikaner, der in den 80ern der Rebell der Kunstszene war, findet sich häufiger in Banksys Werken. So trägt ein gemaltes Riesenrad als Gondeln dreizackige Kronen - das Sprayer-Tag Jean Michel Basquiats. Eine klare Hommage, denn die Schlange vor dem künstlerisch aufgeladenen Freizeitvergnügen ist lang. Eine Ausnahme, wie das schön und übersichtlich gestaltete Buch belegt. Denn ansonsten bekommt die gesamte Kunstwelt ihr Fett weg.

Banksy macht sich über die kommerzielle Kunstwelt lustig

Berühmt ist der fotorealistische Siebdruck einer van-Gogh-Versteigerung Mitte der 80er-Jahre. Bieter hängen an den Lippen des Auktionators. An seinem Pult flackern die Ziffern des aktuellen Gebots. Hinter ihm große Meister in protzigen Rahmen, doch die Leinwand der Begierde zeigt nicht die damals teuersten Sonnenblumen der Welt, sondern nur einen Satz: "Ich kann nicht glauben, dass ihr Idioten wirklich diesen Mist kauft."

Banksys Meinung zeigt sich deutlich in diesen und anderen Bildern. Der anonyme Künstler müsste sich nicht äußern. Trotzdem ist es interessant und amüsant, die mehr oder weniger verbürgten Zitate zu den jeweiligen Werken zu lesen, wie etwa zur Auktionsszene oder dem Folgebild von verwelkten Sonnenblumen im Stil des bekannten Niederländers. "Die Kunstwelt ist der reinste Witz. Ein Erholungsort für Überpriviligierte, Angeber und Schwächlinge."

Neben der Kunstwelt rückt Banksy auch immer wieder seine Heimat - falls er wirklich Brite ist! - in den Fokus. Ob sich küssende Bobbys oder die Queen mit Affengesicht. Besonders beeindruckend aber sind seine Visionen für andere Nationen und Konflikte. Wenn ein Israeli in Uniform und mit Schutzhelm bekleidet sich mit einem Palästinenser eine Kissenschlacht liefert und die Federn über die ganze Wand zu fliegen scheinen, porträtiert Banksy unsere Welt nicht nur, er will sie wandeln.

The Art of BANKSY

von Gianni Mercurio (Hg.)
Seitenzahl:
224 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Hardcover, Pappband, 23,0 x 28,0 cm, 360 farbige Abbildungen
Verlag:
Prestel
Bestellnummer:
978-3-7913-8605-8
Preis:
34,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 14.06.2020 | 16:20 Uhr

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Bildbände

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