Stand: 21.11.2022 10:48 Uhr

Peer Jäger über die legendäre Faust-Inszenierung in Schwerin

Gerade einmal neun Aufführungen des Goethe-Klassikers "Faust" waren 1979 geplant. Doch die Inszenierung am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin wurde zu einer "Entdeckung" und hielt sich zehn Jahre auf der Bühne. Der Ansturm war gigantisch. Das alles miterlebt hat Peer Jäger. Er war einer der Faust-Darsteller - von ihnen gab es nämlich vier auf der Bühne. Mittlerweile kennt man Peer Jäger auch aus dem Fernsehen, aus Spielfilmen und diversen Serien.

Herr Jäger, was war denn an dieser Faust-Inszenierung so legendär? Wieso wurde sie zum Publikumsliebling?

Peer Jäger © imago
Von 1977 bis 1984 war Peer Jäger am Staatstheater Schwerin engagiert.

Peer Jäger: Weil Herr Schroth und das Ensemble um ihn herum sich darauf eingelassen haben, Herrn Goethe etwas zu entstauben, ohne ihn zu verletzen.

Was heißt denn entstauben? Was war neu an diesem "Faust"?

Jäger: Man ging ja immer in die Knie vor Ehrfurcht vor dem "Faust", und Herr Schroth hat es geschafft, Bilder zu schaffen, die populär sind, die verständlich sind und die Figuren, gerade die von Faust, nachvollziehbar zu machen.

Ich habe gelesen, dass in dem Stück durchaus politische Anspielungen drin waren. Was waren das für Anspielungen?

Jäger: Die Anspielungen hat Goethe schon reingeschrieben.

Und die wurden wie herausgeschält?

Jäger: Sie wurden einfach benannt, und in dem Kontext zur politischen Situation hat sich der Zuschauer dann das herausgeholt, was er verstanden haben wollte: Sensucht nach der Ferne, Diktatorisches - alles, was im "Goethe" schon drin steht.

Ihr Abend dauerte sechs Stunden - trotzdem kam das Publikum von überall her.

Weitere Informationen
Schwarzweißbild von Faust' Studierzimmer: Wolf-Dieter Lingk als erster Faust und Lore Tappe als Mephisto © Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin Foto: Sigrid Meixner

Schroth schreibt mit "Faust" Theatergeschichte in Schwerin

Der letzte Vorhang fiel fast zehn Jahre nach der Premiere. Für Regisseur Christoph Schroth eine der "aufregendsten Theaterproduktionen" seines Lebens. mehr

Jäger: Am Anfang dauerte er sogar siebeneinhalb Stunden. Wir haben in dem zweiten Teil noch den ganzen Kaiserhof drin gehabt und ich bin als Faust beim Karneval auf einem Elefanten geritten - wir haben nach einigen Vorstellungen gemerkt, dass das zu lang ist. Wir haben um 17 Uhr nachmittags angefangen und waren um 1.30 Uhr nachts fertig - das war dann doch etwas zu lang. Aber die Kürzung hat dann auch nicht geschadet; die Geschichte wurde noch erzählt. Der Andrang war sehr hoch und das Haus brodelte. Die Leute haben im dritten Rang in den Gängen gestanden und in die Tiefe geschaut - und das sechs Stunden lang. Das war schon ein Theaterereignis.

Dabei war das Theater-Mekka zu dieser Zeit Berlin. Wer verirrte sich denn da alles nach Schwerin?

Jäger: Alle. Es kamen Leute aus der Bundesrepublik, es gab eine Theaterjunggruppe aus Meiningen, ganz tief im Süden. Die sind ganz früh losgefahren, damit sie abends um fünf Uhr diese Vorstellung erleben. Das war eine Pilgerfahrt.

Das Gespräch führte Andrea Schwyzer

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 21.11.2022 | 19:10 Uhr

Übersicht

Drucker bei der Arbeit © dpa

Journal

Was gibt es Neues auf dem Buchmarkt? Wo laufen besondere Inszenierungen und spannende Ausstellungen? Welche Kinofilme sind sehenswert? Das Journal verrät es. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Ein großes Kreuz hängt im katholischen Dom Osnabrück. © picture alliance/dpa | Friso Gentsch Foto: Friso Gentsch

Karfreitag: Ringen um die Deutung des Todes am Kreuz

Der Karfreitag ist ein Feiertag, der auch vielen Christinnen und Christen heute fremd geworden ist. Warum ist das so? mehr