Lars Eidinger © IMAGO / Eventpress
Lars Eidinger © IMAGO / Eventpress
Lars Eidinger © IMAGO / Eventpress
AUDIO: Kultur in der Haushaltskrise schützen - Lars Eidinger im Gespräch (6 Min)

Lars Eidinger zu Kürzungen in der Kultur: "Existenzbedrohlich"

Stand: 13.11.2024 15:02 Uhr

Das Aktionsbündnis "Berlin ist Kultur" hat am Mittwoch gegen die Budgetkürzungspläne des Senats demonstriert. Mit dabei ist auch Schauspieler Lars Eidinger. Die Einsparungen bezeichnet er als "existenzbedrohlich". NDR Kultur hat vor der Demo mit ihm gesprochen.

Der schwarz-rote Berliner Senat will sparen - und das auch in der Kultur. Geplant sind ab 2025 Budgetkürzungen in Höhe von zehn Prozent. Diese Pläne wecken viel Kritik.

Herr Eidinger, Sie sind mit einem künstlerischen Beitrag bei der Demo dabei. Was wird das sein?

Lars Eidinger: Ich werde ein Auszug aus "Hamlet" vortragen. Ich werde anfangen mit einem Gedicht von Bertolt Brecht, das relativ unbekannt ist: "Der Theaterkommunist". Und am Ende dann noch einen Auszug aus der "Hamletmaschine". Dazu werde ich mein Hamlet-Kostüm anziehen und darunter ein hellgrünes Morphsuit, sodass man mein Gesicht nicht sehen kann, sodass man sich vorstellen kann, was es bedeutet, wenn es die Künstler nicht mehr gibt.

Weitere Informationen
Blick auf den Vorplatz mit Eingang und der Halle K6 der Kulturfabrik Kampnagel © picture alliance/dpa | Markus Scholz Foto: Markus Scholz

Kürzungen im Bundeshaushalt: Starke Einschnitte für die Freie Kulturszene

Der Bund plant die Förderung für das "Bündnis Internationaler Produktionshäuser" zu streichen. Das trifft unter anderem auch die Hamburger Kulturfabrik Kampnagel. mehr

Zehn Prozent Kürzungen sind vorgesehen. Was würde das für das kulturelle Leben bedeuten? Speziell in Berlin?

Eidinger: Für die Schaubühne würde es bedeuten, dass wir Insolvenz anmelden müssten. Das klingt dramatisch, ist aber tatsächlich so, weil 90 Prozent feste Ausgaben sind und mit zehn Prozent werden die Neuproduktionen bezahlt. Entweder könnte man nicht Neues mehr produzieren, oder man müsste anfangen, im großen Rahmen Mitarbeitende zu entlassen. Es ist wirklich bedrohlich: Zehn Prozent sind wahnsinnig viel - die sollen wir im schlechtesten Fall bereits ab Beginn 2025 einsparen. Der Kulturhaushalt nimmt 2,5 Prozent vom Gesamthaushalt ein - wenn man davon zehn Prozent spart, sind es 0,25 Prozent, die man spart. Für uns ist es existenzbedrohlich. Ich weiß nicht, ob das gesamtpolitisch so eine wahnsinnige Hilfe ist.

Der Kulturstandort Berlin ist auch für den Rest des Landes wichtig. Was wäre das für ein Signal?

Eidinger: Letzte Woche waren wir mit "Hamlet" in Shanghai, wir fahren nächste Woche nach Istanbul, und im Dezember fahren wir nach Neapel. Es ist interessant zu sehen, welchen Effekt unser Theater selbst bis nach China hat; da stehen die Leute Schlange. Wir hatten drei Vorstellungen mit über 1.000 Menschen, die alle ausverkauft waren. Ich glaube, uns ist nicht so richtig bewusst, welches Gut wir - gerade im Theater - haben. Nichts gegen den deutschen Film, aber da sind wir nicht wirklich konkurrenzfähig. Was das deutsche Theater angeht, ist es so, dass uns alle darum beneiden. Jetzt anzufangen, die Theater zuzumachen, halte ich für fatal. Dass die Welt untergeht, scheint nicht aufzuhalten zu sein, aber wenn dann doch wenigstens mit einem gewissen Maß an Niveau und Kultur.

Im Moment ist es mehr Polittheater, was wir erleben. Wie verfolgen Sie das und auch den Blick auf Neuwahlen, die es bald geben wird?

Eidinger: Nicht so einfach. Olaf Scholz war in den letzten Wochen zweimal in der Schaubühne, und ich habe mich einmal mit ihm unterhalten. Ich wollte mit ihm über "Richard III." reden - darin geht es und die Macht der Sprache. Ich fand diese Gegenüberstellung von Trump und Biden damals interessant: "War of words". Ich wollte mit ihm über die Macht der Rhetorik reden und war ein bisschen enttäuscht, weil ein Gespräch nicht wirklich zustande kam. Als ich fragte, wie theatral die politischen Reden sind und wie politisch die theatralen Reden, hat er gesagt: "Ja und nein". Das fand ich so ein bisschen schwammig. Man fragt sich, welchen Anteil die führenden Politiker daran hatten, dass es jetzt so katastrophale Wahlergebnisse gibt. Das frustriert mich schon, und ich denke, dass man da etwas dagegen hätte setzen müssen.

Weitere Informationen
Lars Eidinger als Richard III in einer Szene mit freiem Oberkörper © picture alliance / Photoshot

Lars Eidinger macht Richard III. in Hamburg zum Ereignis

In einer neun Jahre alten Inszenierung von Thomas Ostermeier brachte der Berliner das Deutsche Schauspielhaus beim Hamburger Theaterfestival zum Toben. mehr

Man spricht immer von der Macht des Theaters. Wie optimistisch sind Sie, dass die Demonstrationen etwas bewirken können?

Eidinger: Als ich 1997 mit Theater anfing, sollte die Schauspielschule, auf der ich war, der UdK Berlin (Anm. d. Red: Universität der Künste) angeschlossen werden. Es sollte aus zwei Schulen eine gemacht werden. Wir haben eine Woche lang demonstriert, und wir konnten es tatsächlich verhindern. Heute gibt es zwei Schauspielschulen. Das hat mir schon ein bisschen Hoffnung gemacht, dass man darauf Einfluss nehmen kann. Aber den Glauben, dass Theater die Welt verändern kann, den habe ich tatsächlich aufgegeben. Aber wenn ich auch von mir ausgehe: Ich bin wahnsinnig beeinflusst von Theater. Ich bin durch das GRIPS Theater sozialisiert, was auch von der Schließung bedroht ist. Ich bin da mit Werten konfrontiert worden, die ich von zu Hause nicht mitbekommen habe und war dafür wahnsinnig dankbar. Ich glaube, dass Theater, genau wie jede Bildungsstätte, den Auftrag hat zu bilden. Da geht es um eine Form von Intelligenz, die da gefördert wird. Wenn wir die aufgeben, dann sind wir wirklich verloren.

Das Gespräch führte Philipp Schmid.

Weitere Informationen
Eine Frau sitzt nachdenklich an einem Schreibtisch und hält einen Stift in der Hand. © Jörg Petersen Foto: Jörg Petersen

Kulturkürzungen: Freie Kulturszene in SH ist besorgt

Theater und freie Künstlerinnen und Künstler sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen, doch die bleibt oft aus. Sie müssen kreativ werden. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 13.11.2024 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Kulturpolitik

Filmstill von Lars Eidinger mit Kunstblut an der Nase und am Mund. © Screenshot
3 Min

Rostock: Veranstaltungsreihe "Fokus Film" mit Lars Eidinger

An der Hochschule für Musik und Theater hat sich Filmregisseur Andreas Dresen mit dem Schauspieler über dessen Arbeit unterhalten. 3 Min

Lars Eidinger bei der Verleihung des Emder Schauspielpreises 2024. © NDR
1 Min

Lars Eidinger in Emden: "Selten so witzige Menschen kennengelernt"

Dem Berliner Schauspieler hat es im Norden offenbar gut gefallen. Er erhielt hier den Emder Schauspielpreis 2024. 1 Min

Lars Eidinger bei einer Preisverleihung auf der Bühne des Filmfests in Emden. © NDR
1 Min

Lars Eidinger erhält Emder Schauspielpreis

Die Auszeichnung für herausragende schauspielerische Leistungen wird beim Filmfest Emden-Norderney vergeben. 1 Min

Lars Eidinger im Gespräch mit dem NDR © Screenshot

Eidinger: "Es gibt kein Stück, in dem ich nicht am Ende sterbe"

Zwischen Trauer, Komik und Tragik spielt Eidinger den Dirigenten Tom Lunies - das Alter Ego von Regisseur Matthias Glasner. Für den Schauspieler ist der Tod eine große Unbekannte. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Jan Josef Liefers mit seiner Band Radio Doria auf der Bühne © NDR Screenshot

"Grande Finale": Jan Josef Liefers' Radio Doria in Hamburg

Mit der Tour verabschiedet sich die Band nach 22 Jahren von ihren Fans - am Mittwoch auch in der Fabrik in Ottensen. mehr