Einsatz für Obdachlose: Karin Powser erhält den Bundesverdienstorden
Die Fotografin hat Obdachlosigkeit sichtbarer gemacht. Sie ist Mitbegründerin des Straßenmagazins Asphalt in Hannover, das von Menschen in schwierigen sozialen Situationen verkauft wird, und hat Obdachlose ehrenamtlich beraten.
Karin Powser steht im Konferenzraum des Straßenmagazins Asphalt in Hannover vor einer Reihe ihrer Schwarz-Weiß-Fotos. Das Sprechen fällt ihr seit einer Krebserkrankung im Mundraum schwer, doch die Erinnerung ist klar. Den jungen Mann, der da lebenslustig von der Wand schaut, hat sie in den 1980er Jahren fotografiert. Mit seinen langen Haaren - Ring in der Nase, Zylinder auf dem Kopf – erinnert er an einen klassischen Landstreicher. Heike Meyer, die sich bei Asphalt um die Anzeigenkunden kümmert, gibt Karin Powsers Worte wieder. "Karin hat Kumpels fotografiert mit ihrer einfachen Pocketkamera und die evangelische Fachhochschule hat sie dann gefragt, ob sie diese Fotos ausstellen darf. Und da hat Karin dann eingewilligt."
Als ehemalige Obdachlose genießt sie das Vertrauen der Fotografierten

Es ist die Nähe zu ihren Freunden aus der Obdachlosenszene, die die Intensität der Fotos ermöglicht, denn ab 1971 lebt Karin Powser 13 Jahre lang selbst auf der Straße. Das Fotografieren hat sie sich autodidaktisch beigebracht - mit Hilfe eines befreundeten Fotografen. Nächtelang habe sie in der Dunkelkammer gestanden, erzählt die 74-Jährige und ihre Augen im Gesicht mit den vielen Falten beginnen auf einmal zu strahlen. Kollegin Heike Meyer: "Was mir so einfällt, ist, dass Karin über die Fotografie ganz viel Inspiration bekommen hat und vielleicht auch das Mittel erkannt hat, um diesen Zustand von Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, Armut und Sucht darzustellen. Und vielleicht hat sie dadurch eben erfahren: Moment, ich kann auch noch etwas ganz anderes!"
Karin Powser bringt die Stärke auf, sich vom Alkoholismus zu befreien, mit Hilfe von Therapie bearbeitet sie auch ihre schwierige Jugend in drei Kinderheimen, Aufenthalte in Psychiatrie und Gefängnis. 1985 startet der Kontaktladen für Obdachlose "Mecki" unweit des Bahnhofs von Hannover. Karin Powser arbeitet ehrenamtlich mit, engagiert sich und fotografiert weiter. Ihre inzwischen bundesweit ausgestellten Fotos sind Zeitdokumente, sie haben die Obdachlosigkeit sichtbarer gemacht. 1994 ist sie Mitbegründerin des Straßenmagazins Asphalt.
Die Erfahrung von Ausgrenzung als Obdachlose
"Unfassbar, bei diesen Temperaturen an einen Winter mit Schnee zu denken. Ob er wohl da ist, der Schnee, wenn Asphalt im Dezember erscheint? Ich mache mir große Sorgen um den Klimawandel." Das schreibt Karin Powser in ihrer jüngsten Kolumne für die Dezemberausgabe des Straßenmagazins Asphalt. Im Gespräch erinnert sie das an eine traumatische Situation im verschneiten Stadtwald Hannovers in den 1970er Jahren: "Die Polizei, die hat uns öffentlich in der Eilenriede ausgesetzt, im Schnee, da mussten wir die Schuhe ausziehen." Auf diese Weise seien sie und andere Obdachlose aus der Innenstadt entfernt worden. Ähnlich diskriminierend hört sich der zeittypische Titel eines Buches über ihr Leben als Obdachlose aus dem Jahr 1985 an: "Das trostlose Leben der Karin P.: Geschichte einer Pennerin".
Doch heute leben wir in anderen Zeiten, auch Dank Aktivistinnen wie Karin Powser. Am Tag des Ehrenamtes bekommt sie dafür nun den Bundesverdienstorden. Zu tun bleibt aber immer noch etwas. Karin Powser: "Ich wünsche mir nur, dass sie mehr akzeptiert werden, die Obdachlosen. Dass die Leute nicht einfach vorbei gehen, sondern auch mal mit ihnen sprechen, mal nachfragen: Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein. Ich möchte, dass sie Zuspruch bekommen!"
