Landhaus Michaelsen: Experimentelle Architektur
In Hamburgs Westen steht ein Haus, das zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum große Beachtung findet: das Puppenmuseum auf dem Falkenstein. Als der Architekt Karl Schneider es 1923 baute, hieß es noch Haus Michaelsen und war deutschlandweit eines der ersten modernen Wohnhäuser. Denn in Hamburg gab es eine Architektur-Avantgarde, parallel zum Bauhaus und mit dem gleichen Mut zum Experiment.
Nostalgisches Puppenmuseum in moderner Architektur
Das Puppenmuseum ist ein strahlend weißes Haus und steht hoch über dem Falkensteiner Ufer. In der Mitte hat es einen Turm. Von dem aus erstrecken sich im rechten Winkel zwei Gebäudeflügel in die Landschaft, so wie Arme: Das Haus macht eine Geste, öffnet sich zur Elbe. "Ich habe sofort erkannt, dass es aus den 20er-Jahren ist. Es war wirklich damals Liebe auf den ersten Blick", schwärmt Galeristin Elke Dröscher. Dass das Haus noch steht, ist ihr Verdienst, denn sie verliebte sich 1984 in die alten Mauern. Damals sei das Haus noch verbrettert gewesen und es habe Vandalismus gegeben, erzählt Dröscher: "Die Fenster waren vernagelt und man hat einen riesigen Zaun um das Bauwerk gelegt."
Moderne ist nicht gleich Bauhaus
Der Verleger Axel Springer hatte das Haus Ende der 70er-Jahre der Stadt geschenkt, und die wusste lange Zeit nichts damit anzufangen. Bis Elke Dröscher es entdeckte, es aufwendig renovieren ließ und ihre Puppensammlung dort unterbrachte. Von der Stadt hat sie im Gegenzug die Nutzungsrechte erhalten - für 75 Jahre. Häufig wird die Architektur des Hauses dem Bauhaus zugeordnet. "Nur weil man ein weiß geschlämmtes Haus mit einem Turm, mit einem Kubus sieht, heißt es häufig oft, das ist Bauhaus. Das ist natürlich, mit Verlaub gesagt, Nonsens. Es ist in der Architekturmoderne entstanden, es ist die Ästhetik des neuen sachlichen Bauens und es läuft sozusagen parallel. Aber es wächst nicht aus dem Bauhaus heraus", so die Galeristin. Der Architekt des Hauses, Karl Schneider, baute radikal modern, hat aber mit der Kunstschule Bauhaus wenig zu tun.
Inspiration Bauhaus
Er studierte an der Kunstgewerbeschule in Mainz, arbeitete in Dresden und Berlin und kam 1921 als knapp 30-Jähriger nach Hamburg. Hier lernte er bei einem Bildhauer die Künstlerin Elise "Ite" Michaelsen kennen. Für sie entwarf er zwischen 1922 und 1923 das Haus, das wir heute als Puppenmuseum auf dem Falkenstein kennen. Aber immerhin: Karl Schneider war vor dem Ersten Weltkrieg bei Walter Gropius, dem späteren Bauhaus-Gründer angestellt. Denn die Protagonisten der Moderne sind sich häufig irgendwo begegnet und haben sich ausgetauscht. Bei der Arbeit oder privat, wie zum Beispiel im Haus Michaelsen. Die Bauherrin hatte Kontakt zu den Künstlern, zu den Sezessionisten in Hamburg, und es war eine Begegnungsstätte von Schriftstellern, Malern und Architekten.
Ein Haus im Aufbruch
Trotz der großen Not nach dem Ersten Weltkrieg entstand in den 1920er-Jahren in Europas Städten etwas Neues. Künstler, Theaterleute, Architekten brachen mit den Konventionen, suchten nach neuen Formen, wagten das Experiment. Das Bauhaus war ein Teil dieser Bewegung. Und auch in Hamburg gab es eine Avantgarde. "Das Bauwerk ja schon zu seiner Zeit der Erbauung sehr viel besprochen worden und sehr häufig kam dann der Vergleich, es sei wie ein Schiff, das in die weiten Meere fährt", so Dröscher. Künstler und Architekten wagten in den 1920er-Jahren den Aufbruch, das Haus Michaelsen, heute Puppenmuseum auf dem Falkenstein, ist ein Zeugnis dieser Zeit.
Vom 12. Mai bis zum 21. Juli 2019 findet im Landhaus Michaelsen eine Sonderausstellung im Rahmen des Hamburger ArchitekturSommer 2019 statt. Sie zeigt das Gebäude von Karl Schneider in seiner Entstehung und Rezeption von 1923 - 1933.
