Das Graffiti zeigt den Bruderkuss zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker, Künstler ist Dimitrij Vrubel, zu sehen in der East Side Gallery, Berlin. © picture alliance / imageBROKER Foto: Mara Brandl

Gedanken zum Tag des Kusses: Vieldeutig und verheißungsvoll

Stand: 06.07.2021 09:12 Uhr

Am 6. Juli ist der Tag des Kusses. Und auch wenn man in Corona-Zeiten eher Abstand halten sollte: An sich und überhaupt ist Küssen gesund. Auch aus der Kunst- und Filmgeschichte ist er nicht mehr wegzudenken.

von Susanne Birkner

"A kiss is just a kiss." - Ein Kuss ist nur ein Kuss? Oh nein. Ein Kuss kann die Liebe selbst darstellen wie beim verschmolzenen goldenen Liebespaar von Gustav Klimt. Er kann fatale Konsequenzen haben - wie bei Rodins Liebenden in der Skulptur "Der Kuss", denen der Ehebruch nicht gut bekommt. Er kann den Wunsch nach Frieden symbolisieren wie bei den küssenden Polizisten von Street-Art-Künstler Banksy. Er steht für Macht, wie beim Kuss auf den königlichen Ring. Oder für Verrat wie der Judaskuss.

Der Kuss ist in der Kunst- und Filmgeschichte nicht wegzudenken

Küsse sind vieldeutig, und gerade dadurch so verheißungsvoll. Nur Heimatfilme enden mit dem Kuss. Meistens ist der Kuss erst der Anfang. 90 Prozent der Menschen küssen sich weltweit. Aber nur knapp die Hälfte von mehr als 150 untersuchten Kulturen aus romantischen Gründen. Filme suggerieren da etwas anderes: Ob "Vom Winde verweht", "Casablanca" oder "Titanic" Filmküsse lassen das Publikum dahinschmelzen, laut aufseufzen, träumen. Mal ganz unschuldig und keusch wie im herzzerreißenden Kinderfilm "My Girl". Oder bei "Susi und Strolch" - unzählige Male von Teenagern nachgespielt, mit Lakritzschnecken, Salzstangen oder eben Spaghetti wie bei den beiden Disney-Hunden. Mal ziemlich heiß, wie bei "Dirty Dancing" oder "Eyes Wide Shut", Stanley Kubricks letztem vollendeten Film frei nach Schnitzlers "Traumnovelle".

Dabei war der erste Filmkuss ein Skandal: ein Aufschrei im Frühjahr 1896, als sich die Wangen von May Irwin und John Rice auf der großen Leinwand berührten. US-Erfinder und Filmpionier Thomas Alva Edison sollte im Auftrag einer Tageszeitung die Kussszene aus dem New Yorker Lustspiel "The Widow Jones" nachstellen. Keine zwei Sekunden - aber die Sittenwächter fanden es - Zitat: "schlechthin widerwärtig".

Die politische Dimension des Kusses

Auch heute noch echauffieren sich Menschen, wenn sich in ihren Augen die Falschen küssen. Und das heißt oft: kein heterosexuelles weißes Paar. Die zärtlichen Küsse der beiden "schwulen Cowboys" in Ang Lees "Brokeback Mountain"? Auch sie sorgten noch 2005 für Aufsehen. Die Frauengruppe Woina, später Pussy Riot, hat Knutschen deshalb zur Protestkunst erhoben: Sie küssten in der Moskauer U-Bahn Frauen in Polizeiuniform, um auf die homophobe Politik des Putin-Regimes aufmerksam zu machen.

Küsse lassen eben niemanden kalt. Der Kuss steht für etwas. Das Aufeinanderpressen der Lippen, die Intimität der Geste, das Augen schließen. Für "Pretty Woman" ist es ganz klar: in der Aschenputtel-Geschichte um eine Prostituierte, die sich in ihren Freier verliebt - und andersrum - heißt es: Alles geht für Geld. Aber Küssen - küssen geht nur mit Liebe.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 06.07.2020 | 07:20 Uhr

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Spielfilm

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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