Faszination Karneval: Braunschweiger Zugmarschall im Gespräch
Seit mehr als 700 Jahren gibt es in Braunschweig den "Schoduvel" - den viertgrößten Karnevalsumzug in Deutschland und den größten im Norden. Karsten Heidrich ist als Zugmarschall verantwortlich für die Gesamtorganisation.
Herr Heidrich, was genau ist ein Zugmarschall?
Karsten Heidrich: Ein Zugmarschall ist der, der die Gesamtorganisation zu vertreten hat. Natürlich nicht alleine - ich habe ein Team mit circa 50 Personen um mich herum, was aus Ämtern besteht, aus den Behörden der Stadt Braunschweig, aber auch aus vielen Helfern, die sich um viele Kleinigkeiten kümmern, was eine Person gar nicht machen kann.
Im Netz sehen wir Sie abgebildet mit schweren Halsketten und einer klassischen Narrenkappe. Sie sind auch Präsident der Karneval-Vereinigung der Rheinländer e.V. Braunschweig. Kann man sagen, dass das, was Sie da machen, im Grunde das gleiche ist wie in den Karnevalshochburgen im Westen?
Heidrich: Ja, natürlich, das ist vergleichbar. Ich muss noch dazusagen: "Schoduvel" ist der Scheuchteufel, der im Mittelalter das Böse verscheucht und den Platz frei für die Narretei gemacht.
Wegen Corona wurde das auch in Braunschweig zweimal hintereinander abgesagt. Jetzt findet es wieder statt, und es werden bis zu 250.000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Worauf können die sich konkret freuen?
Heidrich: Auf einen sehr bunten, lauten Zug - Karneval ist bunt und laut -, auf viele Motivwagen, auch politische Wagen. Der Karneval in Braunschweig hebt den Finger, um karnevalistisch auf viele Sachen hinzuweisen, unter anderem auf die Politik, auf Sachen, die gerade in der Welt passieren. Wir fahren mit 129 Wagen durch die Stadt und da ist alles abgebildet, was man sich vorstellen kann - oder auch nicht.
Aber die Sachen, die gerade in der Welt passieren, davon ist vieles andere als schön. Wir hatten Corona, wir haben den Krieg in der Ukraine, Klimawandel, aktuell noch das Erdbeben. Ist da nicht irgendwann die Laune am Karneval so ein bisschen verdorben? Darf man noch lachen?
Heidrich: Man muss lachen. Wenn wir uns jetzt das Lachen auch noch verkneifen, machen wir meiner Meinung nach etwas falsch. Man kann einen Angriffskrieg in der Ukraine nicht mit Lachen in Verbindung bringen, aber wir haben auch viele Ukrainer an diesem Wochenende in Braunschweig, auch im Zug, und diese Menschen sagen ganz klar: Wir kommen zu euch, wir wollen einmal lachen und wir wollen den Menschen das Lachen nicht verbieten.
In Köln wird in diesem Jahr diskutiert über ein mögliches weibliches Dreigestirn. Wenn man bei Ihnen auf die Homepage schaut, dann sieht man fast nur Männer. Hat der Karneval ein Frauenproblem?
Heidrich: Nein, auf gar keinen Fall. Das bringt die Tradition mit sich. Auch wir in Braunschweig haben ein Dreigestirn, was aus Männern besteht, aber die Frauen haben doch noch so ein bisschen die Überhand, denn alle Tanzgarden, die Schönheiten auf der Bühne sind alle weiblich.
Aber in den Ämtern sind sie trotzdem noch nicht so richtig vertreten, oder?
Heidrich: Oh doch. Das Komitee Braunschweiger Karneval besteht aus den drei großen Karnevalsgesellschaften Mascheroder Karnevalgesellschaft, Braunschweiger Karnevalgesellschaft und die Karnevalvereinigung der Rheinländer. Und auch da haben zwei Gesellschaften schon weibliche Präsidentinnen.
Welche Rolle nimmt diese Amt und der "Schoduvel" in Ihrem Leben ein?
Heidrich: Mittlerweile eine sehr große Rolle. Das Amt des Zugmarschalls ist über das Jahr gesehen täglich vorhanden und auch mit Arbeit verbunden. Der Zug hat mittlerweile eine große Dimension - deswegen auch das große Team. Ich würde das alles nicht machen, wenn der Jeck mich nicht irgendwann gekriegt hätte. Ich habe ihn in mir, und das macht auch Riesenspaß.
Ist das für Sie ein Fulltime-Job, Nebenjob, Hobby? Wie würden Sie das bezeichnen?
Heidrich: Es ist natürlich ein Hobby, wir machen das alles ehrenamtlich. Aber es ist mittlerweile ein Nebenjob geworden, denn anders geht das nicht.
Was ist es, was Sie an dieser ganzen Sache so fasziniert?
Heidrich: Ich kann es schlecht beschrieben. Ich habe 1990 meine Tochter beim Tanzen angemeldet, sie hat in der Jugend getanzt. Ich habe mir das ein, zwei Jahre angeschaut und bin dann in den Verein eingetreten. Je mehr man dort macht oder mitkriegt, umso mehr fasziniert einen das Ganze. Wenn man dann auch noch Spaß daran empfindet, dann hat es einen gepackt.
Das Interview führte Jan Wiedemann.