Corona-Impfung für Kinder: "Ich würde sie grundsätzlich empfehlen"
Die Corona-Impfungen für Kinder von fünf bis elf Jahren sind angelaufen - auch bei uns im Norden. Für die meisten Eltern stellt sich die Frage: Lasse ich mein Kind impfen? Ein Gespräch mit dem Kinderarzt Hans-Georg Koch über die Vor- und Nachteile einer Impfung.
Herr Koch, empfehlen Sie die Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren vorbehaltlos?
Hans-Georg Koch: Es ist nicht vorbehaltlos, aber ich würde sie grundsätzlich empfehlen. Die Impfung hat verschiedene Aspekte. Der eine ist, dass man sich selbst vor einem schweren Verlauf der Infektion schützt. Der zweite Aspekt ist, dass man dadurch ältere Menschen in seiner Familie schützt, die ein hohes Risiko haben, krank zu werden. Und der dritte Punkt ist, dass man das Virus auch in die Gesellschaft weiterträgt und dazu beiträgt, dass die Epidemie ihren Lauf nimmt. Die Impfung hat den Vorteil, dass sie drei verschiedene Aspekte günstig beeinflusst.
Bleiben wir bei Punkt eins: Schwere Corona-Krankheitsverläufe sind bei Kindern sehr selten, etwa so häufig wie bei einer Influenza-Erkrankung. Was bringt die Impfung für die Kinder selbst?
Koch: Sie haben Recht - viele Kinder werden nicht schwer krank, wenn sie die Infektion erleiden. Aber es ist eine Frage der Statistik und der Zahlen: Wenn viele infiziert sind, sind immer einige dabei, die einen schweren Verlauf nehmen. Das ist in der Gruppe der älteren Menschen natürlich ein größerer Anteil, aber auch bei einigen Kindern kann die Krankheit einen schweren Verlauf nehmen. Noch nicht bekannt ist, wie die Langzeitverläufe sind, ebenso ob Folgeschäden bleiben - das muss man erst mal herausbekommen.
Sie würden also sagen, das Risiko, einen schweren Verlauf zu haben, ist bei einer Impfung geringer als bei einer Erkrankung, richtig?
Koch: Es ist sicher so. Man weiß ja mittlerweile, dass die Impfung sehr gut vertragen wird und dass schwere Nebenwirkungen sehr selten sind, viel seltener als ein schwerer Verlauf bei einer Infektion.
Bisher haben wir versucht, den Kindern möglichst viele Freiheiten zu lassen, was die Corona-Maßnahmen angeht. Mit der Impfung ändert sich das ein bisschen. Da geht es auch um Angst und Druck, der aufgebaut wird: "Du hast auch die Verantwortung, dass Oma nicht krank wird!" Befürchten Sie da ein moralisches Dilemma?
Koch: Wir reden hier von einer Altersgruppe von fünf bis elf Jahren, da ist der moralische Druck wahrscheinlich nicht so groß. Der mag vielleicht größer sein bei den Jugendlichen von zwölf bis 18 Jahren, die ein anderes Verständnis für die Krankheit haben, ein größeres Verantwortungsgefühl. Der Druck entsteht eher bei den Eltern, die von anderen Eltern unter Druck gesetzt werden, ihre Kinder impfen zu lassen.
Der Chef des Hausärzteverbandes Ulrich Weigeldt empfiehlt, die Impfung mit den Kindern zu besprechen. Wie soll ein siebenjähriges Kind abschätzen können, ob es diese Impfung braucht oder nicht?
Koch: Die Gruppe fängt ja schon bei fünf Jahren an und man kann einem Fünfjährigen kaum erklären, warum die Impfung dringend notwendig sein sollte. Aber es gibt den Grundsatz in der Kinder- und Jugendmedizin, dass man mit den Kindern durchaus über ihre Erkrankung und über die Maßnahmen, die man durchführt, spricht. Und es ist erstaunlich, wie gut diese Informationen teilweise von den Kindern aufgenommen werden.
Jetzt gibt es schon diverse Angebote: In Hannover zum Beispiel sollen Impfungen für Kinder auch im Zoo stattfinden, verbunden mit Freikarten. Auch das Fußballstadion von Hannover 96 wird zum "Impfzentrum". Sieht so das Buhlen um junge Impflinge aus?
Koch: Das würde ich nicht so sehen. Es ist sicherlich sinnvoll, dass man Anreize schafft und Kindern ein positives Gefühl für die Impfungen vermittelt und sie auch in gewisser Weise belohnt. Aber das hat nichts damit zu tun, dass man die Eltern unter Druck setzt oder versucht, durch irgendwelche Listen, die man sich ausdenkt, Impflinge zu gewinnen.
Was erhoffen Sie sich denn für den Verlauf der Pandemie, wenn sich Kinder nun impfen lassen können?
Koch: Man weiß ja, dass die Durchseuchungsrate bei Kindern relativ hoch ist. Und wenn man es schafft, dass ein gewisser Prozentsatz der Kinder geimpft ist, dann wird es sicherlich dazu beitragen, dass die Krankheit weniger weitergetragen wird. Das mag ein bescheidener Anteil sein, weil ein großer Prozentsatz geimpft werden müsste, damit es richtig relevant wird. Aber es ist ein kleiner Anteil, der seinen Teil dazu beiträgt.
Wie groß, denken Sie, wird dieser Anteil sein? Im Moment geht man von Schätzungen aus, dass sich ungefähr ein Drittel der Kinder in dieser Altersgruppe impfen lässt.
Koch: Ich kann da keine genauen Zahlen nennen, aber ich werde jeden Tag von vielen Eltern gefragt, wie ich dazu stehe, und ich höre durchaus heraus, dass viele Eltern der Impfung positiv gegenüberstehen.
Das Gespräch führte Andrea Schwyzer.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Coronavirus
