Collien Ulmen-Fernandes: Gegen Gender-Klischees in Kinderbüchern
Beim Lesen mit ihrer Tochter begegneten der Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes immer wieder Rollenklischees von Jungs und Mädchen. Deswegen hat sie selbst ein Kinderbuch geschrieben: "Lotte und Otto. Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram."
Was hat Sie dazu gebracht, ein Kinderbuch zu schreiben, das sich über gängige Rollenklischees hinwegsetzt?
Collien Ulmen-Fernandes: Ich habe mir das Kinderbuchregal meiner Tochter angeschaut, was ein Sammelsurium diverser Weihnachts-, Oster- und Geburtstagsgeschenke ist. Da ist mir dann irgendwann aufgefallen, dass das doch sehr klischeebeladen ist. Also man hat ausschließlich Mütter, die in den Gute-Nacht-Geschichten die Kinder ins Bett bringen. Der Vater kommt von der Arbeit nach Hause.
Es gibt eine Geschichte, da ist die Mutter leider nicht da, weil sie auf einem Prosecco-Abend ist - wo auch sonst? - und da müssen die Kinder sich selbst ins Bett bringen. Da wird mit keiner Silbe erwähnt, wo denn gerade der Vater ist! Da ist mir aufgefallen, wie stereotyp doch die Kinderbuchwelt ist. Dazu gibt es auch eine ganz tolle Studie von der MaLisa-Stiftung. Das betrifft nicht nur die Kinderbücher, das erstreckt sich auch über die Filme und Serien. Und da wollte ich einfach mal gegenhalten.
Was sind denn für Sie die schlimmsten Klischees, die Ihnen beim Lesen mit Ihrer Tochter begegnet sind?
Ulmen-Fernandes: Es ist diese sehr einseitige Darstellung von Jungs und Mädchen. Das ist aber leider auch bei anderen Kinderprodukten der Fall. Also zum Beispiel wenn man sich Kinder-T-Shirts anschaut, dann sieht man auf Mädchen-T-Shirts Begriffe wie "pretty" und "cutie", also alles Begriffe, die etwas mit Äußerlichkeiten zu tun haben. Und bei den Jungs sieht man Aufdrucke wie "Genie im Wachstum", "born to be legendary".
Ähnliche Rollenbilder findet man eben auch in den Kinderbüchern. Also stark und mutig sind vor allem die Jungs und die Mädchen sind lieblich und zurückhaltend. Auch zu diesem Thema gibt es eine ganz tolle Studie: Die große, weite Welt und Abenteuer erleben im Ausland - das findet auch nur in Jungsbüchern statt. Bei Mädchen finden die Abenteuer eher zu Hause oder in der Nachbarschaft statt. Also der Radius ist viel weiter in Geschichten für Jungs. Außerdem müssen die Jungs stark und mutig sein, was natürlich auch die Jungs irgendwie unter Druck setzt. Und deswegen wollte ich mit dem Buch dagegenhalten. Unser Otto ist zum Beispiel total sensibel. Er weint auch mal, und das finde ich total wichtig, auch kleinen Jungs zu zeigen: Es ist voll okay, seine Gefühle zuzulassen.
Haben Sie bei Lesungen auch mal Reaktionen beobachtet?
Ulmen-Fernandes: Ich habe es zeitlich nicht wirklich geschafft, Lesungen zu machen. Insofern habe ich die Erfahrung nicht. Aber ich freue mich, dass das Buch insgesamt so gut ankommt! Der Verlag war am Anfang so ein bisschen skeptisch und dann wurde es ein Bestseller. Insofern freue ich mich, dass das Thema zu überzeugen scheint. Und dass es anscheinend viele Eltern gibt, die genau das gleiche Problem hatten wie ich und sehen, dass die Kinderbuch-Figuren doch sehr einseitig und sehr stereotyp dargestellt werden.
Literatur und Rollenklischees sind das eine, wichtig ist natürlich auch das gesamte Umfeld! Wie versuchen Sie und Ihr Partner privat Ihrer Tochter ein gutes Vorbild zu sein?
Ulmen-Fernandes: Unsere Tochter ist in einem Alter, da ist es so ein bisschen egal, was Mama und Papa sagen. Da orientiert man sich vor allem an der Peer-Group. Da liegt eben auch genau das Problem. Sie hört nicht so richtig auf uns. Das, was die Freundinnen und Freunde sagen, ist für sie tatsächlich irgendwie wichtiger. Also insofern haben wir gerade nicht so viel zu melden.
Aber früher dann, dass sie eben nicht mit diesen Rollenklischees aufwächst?
Ulmen-Fernandes: Ich glaube, man muss als Eltern vor allem bei sich ansetzen. Nehmen wir mal das Beispiel Kindergeburtstag: Ein Kind hat Geburtstag, und da gibt es gewisse Geschenke, die man automatisch Mädchen schenkt und gewisse Geschenke, die man automatisch Jungs schenkt.
Man hat zum Beispiel irgendwann mal festgestellt, dass Mädchen im Schnitt schlechter sind im räumlichen Denken, als Jungs. Das liegt nicht daran, dass Mädchen einfach blöd sind, sondern dass sie weniger mit Bauklötzen spielen. Gerade durch die gegenderten Abteilungen in den Kaufhäusern - das war in meiner Kindheit zum Beispiel noch nicht so - gibt es klare Jungs-Abteilungen und klare Mädchen-Abteilungen. Wenn man online etwas bestellt und man klickt Mädchen an, werden einem erstmal keine technischen Sachen und keine Bauklötze präsentiert. Wenn man Junge anklickt, werden einem erstmal keine Puppen präsentiert. Dabei ist es für Jungs auch gut, um eben die sozial-emotionalen Kompetenzen zu stärken, wenn sie das Sich Kümmern und all das, was man mit einer Babypuppe spielt, auch können würden. Insofern ja, man schenkt Mädchen automatisch andere Dinge als Jungs, und da fängt es eben schon an.
Das Buch "Lotte und Otto. Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram." mit Illustrationen von Carola Sieverding ist im Edel Kids Buchverlag erschienen und kostet 14,99 Euro.