Britta Ernst zu digitalen Medien an Schulen: "Unglaubliche Chancen"
Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst übernimmt den Vorsitz der Kultusministerkonferenz. Ein Stabwechsel in einer Zeit, in der die Corona-bedingten Schulschließungen täglich Thema sind.
Frau Ernst, für Ihre neue Aufgabe haben Sie so etwas wie eine Überschrift gewählt: "Lehren und Lernen und guter Unterricht in Zeiten der digitalen Transformation". Wie sieht dieser "gute Unterricht" in diesen Zeiten bestenfalls aus?
Ernst: Ich glaube, dass das genau die Frage ist, über die wir noch etwas mehr erfahren müssen. Wir haben bereits 2016 als Kultusministerkonferenz den Schwerpunkt "Lernen mit digitalen Medien" gehabt. Wir haben dort beschrieben, was alles im Bereich der Ausstattung und der Lehrerfortbildung gemacht werden muss, und wir haben genau definiert, welche Medienkompetenzen Schülerinnen und Schüler erwerben sollen. Mein Eindruck ist, dass es in den Bildungsverwaltungen, in den Schulen und auch in der Forschung die einen gibt, die sich mit dem Lernen mit digitalen Medien befassen, und die anderen befassen sich mit der Qualität des Unterrichtes. Das sind Fragen, die zusammengehören, weil Unterricht in einer Unterrichtsstunde stattfindet und die digitalen Medien unglaubliche Chancen für Gerechtigkeit bieten, Kinder individueller zu fördern, aber auch den Leistungsstarken gute Angebote zu machen. Es ist aber noch kein Automatismus, und es geht mir darum, darauf hinzuweisen. Ich möchte, dass wir uns die Ergebnisse der aktuellen Forschung präsentieren lassen und das in transportablen Formaten den Schulen zur Verfügung stellen. Wir wollen den Schulen helfen, das Wissen, was sie über guten Unterricht haben, durch den Einsatz digitaler Geräte zu vervollständigen.
Glauben Sie, dass digitaler Unterricht die Schere eher vergrößert oder dass er sie sogar verkleinern kann?
Ernst: Ich bin überzeugt, dass guter Unterricht unter Nutzung digitaler Technik die soziale Schere verringern kann. Wir haben ja hohe digitale Kompetenzen, sie sind auch häufig höher als die der Erwachsenen. Es geht aber um einen verantwortungsvollen Umgang, es geht darum, seine Daten zu schützen, seine Datensouveränität zu wahren, Fake News zu identifizieren. Dort gibt es einen ganz klaren Bildungsauftrag, der, wenn er ausgefüllt wird, auch einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leistet.
Die Kultusministerkonferenz einigt sich auf Beschlüsse und gibt Empfehlungen ab. Die Bundesländer setzen dann um, was aus ihrer Sicht sinnvoll erscheint. An den Schulen ist es ähnlich: Dort wünscht man sich mal handfeste Regeln, mal mehr Entscheidungsfreiheit. Wie lautet da Ihre Strategie? Mehr Verbindlichkeiten oder mehr individuelle Lösungen?
Ernst: Sie beschreiben das schon ganz gut. Man muss immer die richtige Mitte finden. Es gibt Schulen, die wünschen sich ganz viele Vorgaben, und es gibt Schulen, die sagen, dass sie das auch alleine können. Wir brauchen bestimmte Vorgaben, um die Einheitlichkeit des Bildungssystems zu garantieren. Es kann ja nicht ausschließlich von der Region oder vom Kollegium abhängen, wie hoch die Bildungsqualität ist. Insofern brauchen wir den Rahmen. Aber in der Perspektive hoffe ich, dass die Schulen immer eigenverantwortlicher werden.
Niedersachsen wird zum Beispiel gerade dafür kritisiert, dass die Grundschulen im Wechselmodell aufmachen - in Brandenburg rechnen Sie nicht mit einer Grundschulöffnung noch im Januar. Wie stehen Sie zu solch unterschiedlichen Herangehensweisen seitens der Bundesländer?
Ernst: Beide Herangehensweise sind durch den Beschluss der Kultusministerkonferenz gedeckt. Deshalb formulieren wir auch sehr genau, weil die unterschiedliche Vorgehensweise in der Regel nur etwas mit den unterschiedlichen Infektionsgeschehen in den Bundesländern zu tun hat. Wenn Bremen deutlich unter 100 liegt, ist die Möglichkeit, die Schulen für viele Schülerinnen und Schüler zu öffnen, eine andere als in Brandenburg, wo wir uns im Moment nicht sicher sind, ob wir uns eher in Richtung 300 oder 200 bewegen. Wir haben deshalb im Moment in Brandenburg keine Möglichkeit zu sagen, wann die Schulen wieder geöffnet werden können. Aber wir sind uns in der Kultusministerkonferenz einig, dass wir, wenn wir öffnen, mit den Grundschülerinnen und Grundschülern beginnen.
Was wünschen Sie sich für den Tag, an dem Sie den Vorsitz der Kultusministerkonferenz wieder abgeben? Wo sollen wir dann stehen?
Ernst: Ich wünsche mir, dass die Frage der Ausstattung nicht mehr so im Vordergrund steht, weil wir einen großen Schritt weitergekommen sind. Ich hoffe auch, dass wir zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu einer klaren Verabredung kommen, dass wir nicht wieder zurückfallen, dass unsere Anstrengungen nicht nachlassen dürfen und dass wir den Fokus auf gute Qualität der Schule und guten Unterricht stärker in den Vordergrund nehmen.
Das Interview führte Andrea Schwyzer.
