Blick auf Schloss Hohenzollern. © picture alliance / Zoonar | Jürgen Vogt

Adelsfamilien im Norden: Zwischen Prunk und Peinlichkeit

Stand: 07.02.2022 12:24 Uhr

Queen Elizabeth II. hat am 6. Februar ihr 70-jähriges Thronjubiläum gefeiert. Was machen die norddeutschen Familien, die noch Adelstitel in ihren Namen tragen, eigentlich heutzutage?

von Anina Pommerenke

Queen Elizabeth II. feiert am 6. Februar ihr 70-jähriges Thronjubiläum. Da wird so manchem Königshaus-Enthusiasten in Deutschland wehmütig ums Herz. Denn hierzulande wurden die Monarchie und der Adelsstand vor über 100 Jahren abgeschafft. Was machen die norddeutschen Familien, die noch Adelstitel in ihren Namen tragen, eigentlich heutzutage so?

Adel: Man bleibt unter sich

Mit der Weimarer Republik und der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. aus dem Haus Hohenzollern war das Ende der Monarchie in Deutschland besiegelt. 1919 wurden durch das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung alle Standesvorrechte des Adels abgeschafft. Die Adelstitel dürfen aber weiterhin als Teil des bürgerlichen Nachnamens geführt werden. Streng genommen gibt es also keinen Adel mehr in Deutschland. Trotzdem ist eine gewisse Faszination und vor allem das öffentliche Interesse geblieben.

Da die Familien ihre Besitztümer, Ländereien und Schlösser in der Regel behalten durften, handelt es sich bei "den Adeligen" auch heute noch um eine recht privilegierte Gruppe, die viel mit der Verwaltung ihrer Ländereien, Wälder und des Familienvermögens beschäftigt ist. Am liebsten bleibt man daher "unter sich", in der Hoffnung, dass sich standesgemäße Partnerinnen und Partner für den eigenen Nachwuchs finden. Schaut man sich die Lebensläufe männlicher Familienmitglieder an, so scheint eine militärische Grundausbildung nach wie vor zum guten Ton zu gehören. Anschließend empfiehlt sich ein Studium in Betriebswirtschaftslehre oder im Bereich Forstwirtschaft. Ebenfalls gern genommen: alles, was mit Banken zu tun hat. Schließlich suchen die Vermögensverwaltungen von Superreichen gerne Nachwuchs in der entsprechenden Klientel. Ansonsten bringen adelige Familien erstaunlich viele "Unternehmer", Unternehmensberater, einige Politiker und auch ein paar Kreative hervor. Und nach wie vor sind diverse Skandale und spektakuläre Scheidungen gefundenes Fressen für die Klatschblätter landauf landab. Doch lesen Sie selbst!

Georg Friedrich Prinz von Preußen: Ur-Ur-Enkel von Wilhelm II.

Für viel Aufsehen sorgten in den vergangenen Jahren die Hohenzollern, die Wohnrecht in früheren Hohenzollern-Schlössern und die Rückgabe zahlreicher Exponate forderten. Georg Friedrich Prinz von Preußen, 1976 in Bremen geboren, ist seit 1994 Chef des Hauses Hohenzollern. Er wäre also heute Kaiser, hätte sein Ur-Ur-Großvater nicht nach dem Ersten Weltkrieg abgedankt. Wenn er nicht gerade mit Entschädigungsforderungen gegen staatliche Stellen beschäftigt ist, arbeitet er als Unternehmer und Unternehmensberater. So betreibt er die "Königliche Preußische Biermanufactur", die mit nichts Geringerem wirbt als majestätischem Genuss. Allerdings kommen mehrere User des Bewertungsportals "bierbasis.de" zu dem Schluss, dass das Beste an dem Bier das Etikett sei. Dort erhält das in Braunschweig gebraute "Preußens" gerade mal 5,2 von 10 möglichen Punkten.

Neben dieser unternehmerischen Tätigkeit ist der Prinz von Preußen im Bereich Gründungsberatung unterwegs. Verschiedenen Medienberichten zufolge ist er darauf spezialisiert, Ideen aus Hochschulen in die Wirtschaft zu überführen. Lange hat er in diesem Feld in Rostock gearbeitet. Er bekleidet darüber hinaus zahlreiche Ehrenämter: Zum Beispiel gehört er dem Vorstand der Kira-von-Preussen-Stiftung an, die sich für benachteiligte Kinder stark macht. Und er ist Ehrenmitglied im Vorstand des Verbandes des Deutsch-Amerikanischen Clubs. Seinen Sitz im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Denkmalschutz hat er im vergangenen Jahr niedergelegt, offiziell heißt es zur Begründung, dass er sich anderen Projekten widmen wolle. Aktuell wohnt er mit Frau und Kindern in Babelsberg.

Was ist mit Ernst August von Hannover los?

"Was ist mit Ernst August von Hannover los?" ist unter den Top-Suchanfragen, wenn man sich näher mit dem Schicksal des Familienoberhauptes des ehemals königlichen Hauses Hannover beschäftigen möchte. Eine durchaus berechtigte Frage, wenn man die jahrzehntelangen Eskapaden des heute 67-jährigen Revue passieren lässt. Mehrfach ist er mit gewalttätigen und beleidigenden Ausbrüchen oder freipinkelnd auf der Expo in Hannover aufgefallen und trägt daher in der Regenbogenpresse auch wahlweise die wenig charmanten Beinamen "Prügelprinz" oder "Pinkelprinz". Zuletzt soll er im September 2020 im Vollrausch Polizisten attackiert und verletzt haben. Außerdem wird ihm vorgeworfen, ein auf seinem Anwesen in Oberösterreich angestelltes Ehepaar massiv bedroht zu haben. Er wurde zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Und auch familienintern gibt es einige Probleme. So klagt Ernst August von Hannover gegen seinen eigenen Sohn - der praktischerweise ebenfalls Ernst August heißt. Unter anderem wird um die südlich von Hannover liegende Marienburg gestritten. Die wurde vom Erbprinzen, bereits seit vielen Jahren der Eigentümer des Märchenschlosses, in eine Stiftung überführt. Denn sein Einkommen reiche für eine dringend benötigte Sanierung des Schlosses nicht aus, der Reichtum der Welfen sei lediglich ein Mythos, hieß es damals zur Begründung. Der Bund und das Land Niedersachsen wollen immerhin 27 Millionen Euro für die Renovierung in die Hand nehmen. Ernst August Senior verlangt nun aber die Rückübereignung. Der gerichtliche Verhandlungstermin ist vom vergangenen November auf den 24. März verlegt worden. To be continued! Verheiratet ist Ernst August von Hannover übrigens nach wie vor mit Caroline von Monaco, obwohl die beiden seit Jahren nicht mehr gemeinsam gesehen wurden. Glaubt man den Boulevard-Blättern, besteht die Verbindung nur noch, weil Caroline sonst ihren Titel "königliche Hoheit" verlieren würde.

Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg: Enge Verbindungen ins britische Königshaus

Zur europäischen Hocharistokratie gehört auch das Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Die dänische Königin Margrethe II. und der norwegische König Harald V. entstammen - wie es in den entsprechenden Kreisen so schön heißt - beide dem Haus, das nach dem offiziellen Familiensitz Schloss Glücksburg in Schleswig-Holstein benannt ist. Enge Verbindungen gibt es aber auch - ähnlich wie bei Ernst August von Hannover - direkt ins britische Königshaus. Denn väterlicherseits stammt der jüngst verstorbene Ehemann von Elizabeth II. dem Haus, das darüber hinaus auch noch eine Nebenlinie des bedeutenden Geschlechts Haus Oldenburg ist. Sollte Prince Charles also zeitnah den Thron besteigen, so kann sich das Haus rühmen, gleich drei europäische Monarchen in der Familie zu haben.

Familienoberhaupt Christoph Prinz zu Schleswig-Holstein (72) arbeitet als Projektmanager bei der von ihm gegründeten GLC Glücksburg Consulting AG. Zuvor war er Inhaber einer Vermögensverwaltung, die sich vornehmlich um Land- und Forstwirtschaft und Immobilien gekümmert hat und ist außerdem bei der Mannesmann AG tätig gewesen. Neben Schloss Glücksburg gehören auch Gut Grünholz mit über 1200 Hektar Land, Schloss Louisenlund und Gut Bienebek zu seinem Besitz. Schloss Louisenlund ist ein Internatsgymnasium, das zwischen 40.000 und 50.000 Euro im Jahr kostet. Dafür lockt ein ziemlich beneidenswertes Aktivitätenangebot für die nachmittägliche Bespaßung, darunter Segeln, Golf oder Theater. So entstehen hier Freundschaften und wichtige Connections zu den reichsten Familien des Landes fürs ganze Leben. Praktisch, sollte man zum Beispiel mal eine Unternehmensberatung brauchen.

Ingeborg zu Schleswig-Holstein: Mit Andy Warhol in die Factory

Ingeborg zu Schleswig-Holstein auf dem Roten Sofa.
Ingeborg zu Schleswig-Holstein zu Gast bei der Sendung DAS!.

Ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende der Stiftung Louisenlund ist Ingeborg Prinzessin zu Schleswig-Holstein. Die für kulturbegeisterte Menschen den wohl spannendsten Lebenslauf vorzuweisen hat. Nach ihrem Abitur in Louisenlund, studierte sie an der damaligen Fachhochschule für Gestaltung (heute Department Design an der HAW) in Hamburg, in Düsseldorf lernte sie zufällig Andy Warhol kennen und ging anschließend für fünf Jahre nach New York. Dort hat sie auch ein Jahr lang in Warhols berühmt berüchtigter Factory gearbeitet. In einem Interview berichtete Ingeborg zu Schleswig-Holstein mal, dass die Abläufe dort erstaunlich büromäßig angemutet hätten: Malen von neun bis fünf und dann Halligalli. Seit 1982 hat sie ihre meist großflächigen abstrakten Gemälde in zahlreichen Einzelausstellungen gezeigt- zum Beispiel auf Schloss Reinbek, Schloss Gottorf oder im Lübecker Dom, aber auch im renommierten P S1 in New York, in Genf oder Sankt Petersburg. Sie lebt und arbeitet in Hamburg.

Regisseur Florian Henckel Graf von Donnersmarck oder der Schauspieler August Wittgenstein wären nur zwei weitere Beispiele von Sprösslingen aus berühmten Adelsfamilien, die es in die Kulturwelt gezogen hat. Als Fotograf hat sich auch Nikolai von Bismarck etabliert, der bei keiner geringeren als Annie Leibovitz sein Handwerk gelernt hat - und das englische Supermodel Kate Moss seine Freundin nennen darf. Zum beliebten Fernsehmoderator und Autor hat es auch der studierte Arzt Eckart von Hirschhausen gebracht. Seine Vorfahren wurden im 19. Jahrhundert in den erblichen russischen Adelsstand erhoben. Ob mit diesem Titel noch Güter oder Ländereien einhergehen, ist nicht bekannt. Ebenfalls als Buchautor war auch Moritz Freiherr Knigge unterwegs, der im vergangenen Jahr verstarb und Nachfahre des berühmten Knigges ist. Er wurde 1968 in Hannover geboren und wuchs auf dem Rittergut Bredenbeck auf, das sich seit dem 13. Jahrhundert in Familienbesitz befindet.

In den Fußstapfen Otto von Bismarcks

In die großen Fußstapfen seines Vorfahrens Otto von Bismarck wollte wohl sein Ur-Ur-Enkel Carl-Eduard von Bismarck als CDU-Politiker treten, von der kommunalen Ebene schaffte er es mit einigen Zwischenstopps bis in den Bundestag. Er wurde dann aber schnell vom NDR Magazin Panorama als ziemlich fauler Abgeordneter geoutet, tauchte er doch selten im Bundestag auf und musste die Partei nach mehreren Rücktrittsforderungen schließlich verlassen. Der ausgebildete Bankkaufmann machte in den letzten Jahren mit einem unschönen Rosenkrieg nach der Scheidung von seiner dritten Frau von sich Reden. Er soll seit vielen Jahren keinen Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zahlen. Überhaupt soll es auf dem Familiensitz Schloss Friedrichsruh in einem kleinen idyllischen Örtchen in Schleswig-Holstein viel Streit geben, nach einer vielfach in den Medien diskutierten Rangelei kam es sogar schon einmal zu einem Polizeieinsatz. Vor zwei Jahren verkaufte Bismarck das neben seinem Schloss gelegene "Bismarck-Museum" für viel Geld an die ebenfalls dort ansässige Otto-von-Bismarck-Stiftung. Sie bemüht sich nun um eine wissenschaftliche Einordnung der zahlreichen teils sehr persönlichen Exponate. Darunter die Gummistiefel des früheren Reichskanzlers und sein Arbeitszimmer.

Etwas harmonischer geht es derzeit wohl auf Schloss Bückeburg in Niedersachsen her, zumindest wenn man der aktuellen Bunte-Homestory Glauben schenken mag. Hier wohnt Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe (63), der von anderen gerne mit "eure Durchlaucht" angesprochen werden möchte, sich selbst aber am liebsten "daddy" nennt.

Er heiratete kürzlich die iranische Pianistin Mahkameh Navabider. Die vorletzte Frau Alexanders war als Trauzeugin dabei (Patchwork at it's best). Angeblich sollen die beiden Frischvermählten gelegentlich vierhändig am Klavier sitzen. Sie spiele nach Noten, er nach Gehör, gab er am Rande eines Festes zu Protokoll. Ansonsten dürfte der Schlossherr und Unternehmer ziemlich beschäftigt sein als Generalbevollmächtigter der Fürstlichen Hofkammer - tja, Adel verpflichtet eben!

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 05.02.2022 | 07:20 Uhr

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